Kein Amerikaner, wo immer auf der Welt er sich befindet, kann in diesen Tagen seinem Präsidenten entkommen. Überall schüttelt man den Kopf über Donald Trump. So auch in Singapur. Trumps wirre Politik war beherrschendes Thema beim diesjährigen Shangri-La-Dialog, der wichtigsten sicherheitspolitischen Konferenz im asiatisch-pazifischen Raum. Drei Tage lang stand über allen Diskussionen des vom Londoner International Institute for Strategic Studies organisierten Forums eine Frage: Ist auf die Vereinigten Staaten noch Verlass? Jim Mattis versuchte es mit Humor. Trumps Verteidigungsminister wird in Washington zu den "Erwachsenen" gezählt, die eine Art Kordon der Vernunft um den Präsidenten zu legen versuchen. Vor über Tausend Zuhörern antwortete er in Singapur auf die süffisante Frage eines Australiers nach der Zukunft der regelbasierten internationalen Ordnung seufzend: "Es ist offenkundig, dass wir einen neuen Präsidenten in Washington D.C. haben. Das ist uns allen klar. Es wird frische Herangehensweisen geben." Da lachte das Auditorium vergnügt. Zuvor hatte Mattis versichert, die USA würden sich nicht aus der Region verabschieden. "Was für eine trostlose Welt wäre es, wenn wir uns alle hinter die eigenen Grenzen zurückzögen. Wir werden hier bleiben. Wir werden bei Ihnen bleiben." Und weil Winston Churchill immer geht, zitierte Mattis den britischen Kriegspremier: "Habt Geduld mit uns. Wenn wir alle möglichen Alternativen erschöpft haben, werden die Amerikaner das Richtige tun." Sein Auftritt sollte eine einzige vertrauensbildende Maßnahme sein. Vergeblich. "Wir vertrauen auf Gott", fasste ein Zuhörer seine Eindrücke zusammen. "Wir vertrauen auf Jim Mattis. Aber können wir auch den Entscheidungen dieser US-Regierung trauen?" Wieder lachte der Saal. Der Himmel stürzt ein! Man litt förmlich mit, als sich eine achtköpfige Delegation des Repräsentantenhauses der Presse stellte. Ihre Reise, beteuerten die Abgeordneten, sei doch Beweis genug, dass Amerika der Region verpflichtet bleibe. Auch hier bohrende Fragen. Bis es Mac Thornberry, dem Vorsitzenden des Streitkräfteausschusses und Leiter der Delegation, zu viel wurde. Es sei "unangemessen", immer nur zu sagen: Der Himmel stürzt ein! Der Himmel stürzt ein! Das Minenspiel der Acht aber spiegelte das ganze Elend von Menschen, die nicht aussprechen dürfen, was sie wirklich denken. Krach in der Nato, Absage an den Freihandel, Schluss mit dem Klimaschutz: Die USA sind drauf und dran, ihre politische Führungsrolle zu verspielen. Wollen sie überhaupt noch eine globale Ordnungsmacht sein? Oder möchten sie diese Verantwortung gleich den Chinesen überlassen? Die Regierung in Peking hatte, anders als in früheren Jahren, keine besonders hochrangige Delegation nach Singapur entsandt. Aber die Generäle und Obersten der Volksbefreiungsarmee in ihren scharf gebügelten grünen Uniformen traten überaus selbstbewusst auf und meldeten sich kundig und kritisch zu Wort – übrigens in glänzendem Englisch. Kishore Mahbubani, Politikwissenschaftler an der Nationaluniversität von Singapur, der in seinen Büchern und Zeitungsartikeln schon seit vielen Jahren den Abstieg des Westens verkündet, glaubt nicht, dass die USA sich aus Asien zurückziehen werden. "Jedenfalls jetzt noch nicht", sagte er am Rande des Shangri-La-Dialogs lächelnd. "Der langfristige Trend jedoch ist ganz klar: Amerikas Einfluss nimmt ab, Chinas Einfluss nimmt zu." Noch ist China Regionalmacht Aber meldet China wirklich einen globalen Führungsanspruch an? Ist es nicht ganz zufrieden damit, in seiner Nachbarschaft den Ton anzugeben, so wie es dies schon vor zweitausend Jahren tat? Auch wenn die Volksrepublik heute die größte Exportnation ist und schon deshalb weltweite Interessen hat: Noch ist sie vor allem eine Regionalmacht. Im westlichen Pazifik allerdings tritt China Amerikas Führungsanspruch klar entgegen. Peking rüstet seine Flotte kräftig auf. Deshalb warnt mancher vor einer Art chinesischer "Monroe-Doktrin" für die östliche Hemisphäre – angelehnt an den ehemaligen US-Präsidenten James Monroe, der sich im Jahr 1823 eine Einmischung der europäischen Mächte in der westlichen Hemisphäre verbat. Zerstörung der internationalen Ordnung? Vor einem solchen Hegemonieanspruch fürchten sich die kleineren Staaten Südostasiens. Mit den Chinesen wollen sie gern Geschäfte machen, aber Sicherheit suchen sie immer noch bei den Amerikanern. Vor allem wollen sie nicht zwischen beiden Supermächten wählen müssen. Also lavieren sie und versuchen, sich mit beiden Mächten zu arrangieren. China selbst müsste ein Interesse daran haben, dass die Vereinigten Staaten in Asien präsent bleiben. Verlören seine Nachbarn das Vertrauen in das Schutzversprechen der USA, würden sie noch rascher aufrüsten. Und manches Land würde über eigene Nuklearwaffen nachdenken. So weit jedoch ist es noch lange nicht. Es wird in diesen Tagen gern ein 1969 erschienenes Buch des früheren US-Außenministers Dean Acheson zitiert. Darin beschreibt Acheson, wie er Zeitzeuge war beim Aufbau einer neuen liberalen internationalen Ordnung, mit der die USA die Lehren aus der Tragödie des Zweiten Weltkrieges zogen. Der berühmte Titel des Buches: Present at the Creation. Ob heutige Zeitzeugen wohl ein Nachfolgewerk über das Schicksal dieser untrennbar mit Amerika verbundenen Weltordnung verfassen müssten, wurde in Singapur gefragt, diesmal unter dem Titel: Present at the Destruction? |
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