10 nach 8: Ana Marija Pasic über Donald Trump

 
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11.01.2017
 
 
 
 
10 nach 8


Der Widerstand der Frauen
 
Trumps Blick auf Frauen ist mittelalterlich. Nur eine seiner Drohungen: die Kriminalisierung von Abtreibung. Mehr denn je werden wir für unsere Rechte kämpfen müssen.
VON ANA MARIJA PASIC, NEW YORK

Anti-Trump Proteste in New York © Drew Angerer/Getty Images
 
Anti-Trump Proteste in New York © Drew Angerer/Getty Images
 
 

Wir verbrachten dieses Jahr Weihnachten mit der Familie meines Mannes im Mittleren Westen, genauer in Milwaukee, Wisconsin. Die Häuser waren bunt geschmückt. Meterhoher Schnee verdeckte die Landschaft. Aus den Vorgärten schauten hier und da ein paar "Wir unterstützen die Polizei"-Schilder hervor. Die Nachbarn meiner Schwiegereltern wählten Trump, wir redeten nicht mit ihnen, ihre Rollläden waren unten.

Wisconsin gehört zu einem der drei Staaten, die Trumps Einzug in das Weiße Haus ermöglichten. Und Segregation ist in Milwaukee so stark wie in keiner anderen Stadt in den USA. Irgendwie schienen Geschenke diesmal besonders trivial. Wir entschieden uns für Spenden an Planned Parenthood. Die Non-Profit-Organisation, die von den Republikanern als moralische Teufelsfabrik angesehen wird, stellt landesweit Dienste und Beratung im Bereich Verhütung und Abtreibung zur Verfügung und ist darüber hinaus einer der wichtigsten Gesundheitsdienstanbieter für Frauen im ganzen Land. Denn machen wir uns nichts vor, es sind die Frauen in Amerika, die von Armut, Arbeitslosigkeit oder nur Lohnkürzungen am meisten betroffen sind, egal welcher Herkunft.

Plötzlich Stille

Seit Trumps Wahlsieg haben über 300.000 Leute Geld an Planned Parenthood gespendet. Dabei waren um die 82.000 der eingegangenen Spenden im Namen des vehementen Abtreibungsgegners und bald Vizepräsidenten Mike Pence ausgestellt. Ein kleiner Scherz der Organisation, die auf ihrer Website anbietet, die Spenden in seinem Namen zu vergeben. Der ehemalige Gouverneur von Indiana wird nun mit Dankeskarten zugeschüttet und ist gar nicht erfreut.

Wir sitzen also beim Familienfest zusammen, mein Mann vergibt die Gutscheine und erhebt sein Glas auf eine bessere Zukunft, da wird es ganz still im Raum. Und wir sind verunsichert. Scheinbar kommt unsere kleine Überraschung in der vorwiegend irisch-katholischen Familie nicht ganz so gut an. Und ich fange langsam an, mich zu fragen, in was für einem Land ich gelandet bin.

Gemeinsam marschieren

Ich bin keine US-Bürgerin, sondern eine Immigrantin. Obschon ich nicht wählen kann, lebe ich hier als Frau und Mutter. Donald Trumps Sieg in meiner Wahlheimat wird große Folgen für mich und die Zukunft meiner Familie haben. Der zukünftige Präsident hat Immigranten den Krieg angekündigt und sein Blick auf Frauen ist mehr als mittelalterlich. Eine der schlimmsten Drohungen, die Trump bald realisieren könnte, ist die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Einschränkung oder gar vollkommene Abschaffung im Bereich der Reproduktionsmedizin.

Am 21. Januar findet in D. C., einen Tag nach Donald Trumps Inauguration, der Women's March on Washington statt. Angefangen hatte es mit einem Post der Rentnerin Theresa Shook. Die in Hawaii lebende ehemalige Anwältin fragte auf ihrer Facebookseite: "Was wäre, wenn sich am Tag nach der Amtseinführung alle Frauen Amerikas zusammenschließen und gemeinsam marschieren würden?" Daraufhin richtete sie eine Eventseite ein und mittlerweile gibt es schon über 150.000 Anmeldungen. Insgesamt werden um die 200.000 Demonstrantinnen erwartet.

Der Women’s March will aber nicht ausschließlich als Anti-Trump-Demonstration verstanden werden. Es geht auch nicht in erster Linie um Frauenrechte oder Abtreibung und Verhütung, auch wenn Planned Parenthood einer der Partner ist. Vielmehr geht es um die Herausforderungen, mit denen Frauen zu kämpfen haben, die sich mit denjenigen der Afroamerikaner, der Immigranten und der LGBT-Community überschneiden. Ironischerweise hat Trumps Kandidatur viele Frauen dazu motiviert, aktiv zu werden, die sich vorher nie wirklich öffentlich engagiert haben.

Banner basteln für eine bessere Zukunft

Ich erinnere mich an den Election Day. An jenem Tag saß ich mit meinem damals zehn Monate alten Sohn bei meiner Greenpoint based Yoga Moms Group in Brooklyn. Am Ende der Stunde sollte ich eine dieser esoterischen Zukunftskarten ziehen. Die Kursleiterin wählte mich bewusst aus, weil sie wusste, dass ich in einem Land aufgewachsen bin, das von einer Frau regiert wird.

Ich fand ihre Bitte ein wenig seltsam – nur weil ein Land von einer Frau geführt wird, heißt das ja nicht, dass deren Politik besser ist für Frauen. Und ich dachte, Merkel, okay, und dann dachte ich an Kolinda Grabar-Kitarović, die rechtspopulistische Präsidentin meiner zweiten Heimat Kroatien, die mit faschistischen Symbolen posiert, gar nicht okay, und mein Magen verkrampfte sich. Schließlich hat das Geschlecht auch die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher nicht davon abgehalten, mit einer gnadenlosen Sozialpolitik zu regieren, die fatale Konsequenzen für Frauen und Kinder hatte. Ich las eher abwesend mein Kärtchen, auf dem etwas von Kindern und Zukunft und Schutz stand, und mir wurde ganz schwindelig.
 
Erschreckende Realität

Als später das Wahlresultat feststand, brach meine 16-jährige Stieftochter in Tränen aus, ein Weinen, das sonst nur zutage tritt, wenn es um Jungs geht oder Harry Styles' neuen Haarschnitt. Bald geht sie aufs College und dass Trumps Sieg katastrophale Auswirkungen haben wird, gerade auf ihre Generation, versteht auch sie. Ohne Frage wäre Clinton in vielerlei Hinsicht die bessere Alternative gewesen, doch das heißt nicht, dass sie die feministische Retterin war. Denn letztendlich sind die wirtschafts- und gesundheitspolitischen Ansätze der neoliberalen Politikerin Clinton ebenso problematisch für Frauen und Kinder. Deshalb waren die US-Wahlen am Ende eine Entscheidung für das kleinere von zwei Übeln. Das größere Übel in Form eines Frauenhassers und Faschisten hat sich durchgesetzt und die erschreckende Realität einer Trump-Präsidentschaft steht uns ber.

Und während sich die Frauen nun quer durch die politische Linke mobilisieren, um dem neuen Präsidenten und seiner Antifrauenpolitik entgegenzutreten, ganz unabhängig davon, wie sie Clinton gegenüberstanden, wird eine seiner ersten Amtshandlungen die Nominierung eines neuen Richters für das Supreme Court sein. Im letzten Februar war der konservative Antonin Scalia verstorben, einer der neun auf Lebenszeit ernannten Richter, von denen drei über 80 Jahre alt sind. Die progressivste Person in dem Gericht ist die 82-jährige Richterin und Feministin Ruth Bader Ginsburg, bekannt als die Notorious RBG, eine Anspielung auf den Rapper Notorious B.I.G. Sollte sie in den Ruhestand gehen oder erkranken, könnte Trump sie durch einen extrem rechten Richter ersetzen. Eine solche Änderung des Gerichtshofes könnte zu schlimmen Veränderungen führen, einschließlich des Versuchs, die Abtreibung zu kriminalisieren. Selbst Atheisten beten für Ginsburgs Wohlergehen.

Trumps Parlament erinnert derweil an ein Gruselkabinett: ein Klimawandelleugner verantwortlich für die Umweltpolitik, ein Fremdenhasser zuständig für die homeland security, ein Gegner der öffentlich finanzierten Schulen als Bildungsminister, ein General, der es als Spaß versteht, auf Leute zu schießen, ist der neue Verteidigungsminister und ein Ultrarechter ist der persönlicher Berater des Präsidenten.

Bei diesem Wahnsinn ist es schon fast überflüssig zu erwähnen, dass die ersten siebzehn von Trump ernannten Kabinettsmitglieder über mehr Geld verfügen als ein Drittel der amerikanischen Haushalte zusammen. Womöglich lässt sich nur noch aus der historischen Tatsache Hoffnung schöpfen, dass der Aufstieg des Faschismus schon immer Widerstand und kollektives Handeln ausgelöst hat. Die nächsten vier Jahre werden für Frauen in den USA ein Krieg sein. Auch wir werden nach Washington fahren und diesmal bastele ich mit meiner Stieftochter keine Harry-Styles-Liebesschilder, sondern Banner für eine bessere Zukunft.

Ana Marija Pasic, geboren 1984 in Calw, studierte Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften an der Universität Siegen und Angewandte Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Sie lebt als freie Autorin in Brooklyn, New York. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".
 

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10 nach 8
 
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