UrhWissG | Anti-AfD-Proteste | 3½ Fragen an Zuhal Ayar | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Außeruniversitäre Machtarchitektur

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
allmählich könnten wir mit den Antworten auf unsere Frage nach Ihrer Muss-Lektüre eine kleine Bibliothek füllen. Die Doktorandin Zuhal Ayar erzählt heute, was ihr Simone de Beauvoirs „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“ bedeuten. Außerdem können Sie Ihren Taschenrechner hervorholen: Jan-Martin Wiarda macht im Standpunkt eine Matheaufgabe zu den außeruniversitären Forschungsinstitutionen auf.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Referentenentwurf: UrhWissG
Darauf wartet die Scientific Community seit langem: eine Neuregelung des Urheberrechtsgesetzes. Jetzt ist es demnächst soweit. Das Bundesjustizministerium hat einen „Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ vorgelegt. Mit vollumfänglich-atemberaubendem Namen soll es „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ heißen, kurz: UrhWissG (hier der Referentenentwurf als pdf). Das Ziel: Unter den Bedingungen der Digitalisierung eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke zu schaffen, die es ohne Einwilligung des Rechteinhabers ermöglicht, auf Texte zuzugreifen und sie für Bildungs- und Forschungszwecke zu verwenden. Was steht drin? Keine Generalklausel. Heißt: Das UrhWissG regelt weiterhin in einer Reihe von Einzelparagrafen jeden einzelnen Urheberrechts- bzw. Nutzungsfall. Eine ausführliche Kommentierung lesen Sie auf iRights.info und netzpolitik.org. – Wie nötig obige Diskussion ist, zeigen die verfahrenen DEAL-Verhandlungen zwischen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und Elsevier. Weil einige Universitätsbibliotheken mit Blick auf die angekündigten Bundeslizenz ihre Verträge mit Elsevier gekündigt hatten, stehen sie seit Anfang des Jahres ohne Volltextzugriff auf die Journals da. Die taz berichtet, dass die Wissenschaftsorganisationen in Großbritannien aufgrund eines ähnliches Verhandlungskonfliktes eine kartellrechtliche Beschwerde einbringen wollen.
  
 
 
Berlin: Aus für Holm
Zuspitzung im Fall Andrej Holm, dem Bau-Staatssekretär der neuen Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin. Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller hat die Personalie für sich reklamiert und angekündigt, die Entlassung Holms einzuleiten. Zuvor hatte es geheißen, man wolle die Entscheidung der Humboldt-Universität am kommenden Mittwoch abwarten. Die steht jetzt freilich immer noch aus – HU-Präsidentin Sabine Kunst muss entscheiden, ob Holm trotz falscher Angaben zu seiner Stasi-Tätigkeit im Personalbogen seine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter behält. (ZEIT ONLINE; Tagesspiegel; Berliner Zeitung; Welt; Kommentare: FAZ; SpOn; Tagesspiegel)
  
 
 
Anti-AfD-Proteste an der Universität Magdeburg
An der Universität Magdeburg demonstrierten am Donnerstag Abend 400 Studierende gegen einen Auftritt von André Poggenburg, dem Landeschef der AfD in Sachsen-Anhalt. Die AfD-nahe Hochschulgruppe „Campus Alternative“ (Facebook-Seite) hatte ihn für ein Grußwort eingeladen, ebenso wie den Biologen Gerald Wolf, der zum Thema „Gender an der Uni?! Gendermainstreaming, der gesellige Zeitvertreib für Leute ohne Probleme“ sprechen sollte. Die Studierenden hielten Plakate hoch, es kam zu Tumulten. Die Polizei begleitete Poggenburg aus dem Hörsaal; später twitterte er: „An Unis regiert der Linksextremismus“. (ZEIT ONLINE) Laut MDR sagte Michael Dick, Dekan der Fakultät für Humanwissenschaft: „Die Unmutsäußerungen der Studierenden und Besucher waren so eindeutig, dass ich glaube, vernünftige Veranstalter hätten sich zurückgezogen und hätten es dabei belassen.“ – In der ZEIT 5/2016 hatte Anne Hähnig Poggenburg als „Normalen Radikalen“ portraitiert; in den CHANCEN haben wir außerdem bereits mehrfach über das Thema „Die Neue Rechte und die Universität“ berichtet: „Darf ein Professor sowas twittern?“ (ZEIT 7/2016); „Rechte Gruppenarbeit“ (ZEIT 13/2016); „Die Anti-Professorenpartei“ (ZEIT 27/2016). 
  
 
 
MPG: Transparenzoffensive zu Tierversuchen
Kaum ein Forschungsthema ist im öffentlichen Diskurs derart emotionalisiert wie die Notwendigkeit von Tierversuchen. Die Max-Planck-Gesellschaft hat darauf jetzt mit einer Transparenzoffensive reagiert und das White Paper „Tierversuche in der Grundlagenforschung“ veröffentlicht. Mit dem Grundsatzpapier bekennt sich die MPG zu einem „bestmöglichen Kompromiss zwischen der Belastung von Versuchstieren und dem Erkenntniswert von Experimenten“. So sollen die „Kultur der Fürsorge für die Tiere“ gestärkt und das „Sozialverhalten, Schmerzempfinden, Bewusstsein“ und „Recht auf Leben“ der Versuchstiere besser erforscht und kommuniziert werden. Unseren Kollegen aus dem WISSEN-Ressort der aktuellen ZEIT hat der Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer, der die internationale White Paper-Kommission koordiniert hat, dazu ein langes Interview gegeben. Außerordentlich lesenswertes Gespräch zur Frage, wie Wissenschaft sich gegen Angriffe behaupten und ihre Erkenntnissuche verteidigen kann.
  
 
 
Obama publiziert
Kurz vor seinem Abschied aus dem Weißen Haus nutzt US-Präsident Barack Obama alle Kanäle, um sein politisches Vermächtnis zu sichern. In einem Gastbeitrag für Science erklärt Obama noch einmal die Energiewende und zeigt sich auch mit Blick auf seinen Nachfolger Donald Trump zuversichtlich, dass sich Wirtschaftswachstum mit Energiesparen verbinden lassen (SZ). Einen weiteren Gastkommentar veröffentlichte Obama in der Harvard Law Review (HLR) zur Rolle des US-Präsidenten bei der Justizreform. Üblicherweise schreiben in dem Magazin ausschließlich renommierte Juristen. Dass das Topjournal eine Ausnahme macht und dem scheidenden US-Präsidenten ein Forum bietet, geht allerdings nicht auf Obama zurück. Es ist ein Coup der Studierenden (Washington PostHarvard Crimson). Übrigens: Barack Obama war der erste schwarze Leiter der HLR – im Jahr 1990; damals berichtete die NYT
  
 
 
 
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
36,5 Prozent

der Wissenschaftler in Nord-Afrika sind weiblich.
Die Zahlen im Einzelnen: Tunesien: 47%, Ägypten: 42,3%, Sudan: 40%, Algerien: 34,8%, Marokko: 30,2%, Libyen: 24,8%.
Weltweit liegt der Anteil bei 22,5 Prozent Wissenschaftlerinnen, in Europa bei 33 Prozent.
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Zuhal Ayar

Doktorandin an der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin und Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks; Regionalvertreterin der Türkisch-Deutschen Studierenden und Akademiker Plattform e.V.
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass man sich auch junge Menschen zu Vorbildern nehmen sollte. Sowohl an der Universität als auch seit meiner Aufnahme beim Avicenna-Studienwerk habe ich viele Studenten kennengelernt, die sich unbeirrbar für eine bessere Welt einsetzen. Nach jeder Unterhaltung fühle ich mich bereichert und bin selbst motivierter, genauso engagiert und optimistisch zu sein.

Die aktuell größte Fehlinvestition der Wissenschaftslandschaft?
Insbesondere Drittmittel, die zweck- und fristgebunden sind. Am meisten leidet darunter die Lehre. Die Stellen für wissenschaftliches Personal werden oft nur projektbezogen und befristet besetzt. Die Entwicklung von Lehrkompetenzen ist dadurch nicht nachhaltig. Während meines Studiums in Passau wurde das Institut für Rechtsdidaktik mit drei neuen Juniorprofessuren eingerichtet. Die Qualität der Examensvorbereitung dort ist deshalb einmalig. Möglich war das Ganze aufgrund der Studiengebühren. Ohne diese gutheißen zu wollen, dienen sie dennoch als Beispiel für die spürbare Verbesserung, die durch den Einsatz längerfristiger Mittel erreicht werden könnte.

Lektüre muss sein. Welche?
Alles, was der Information dient. Diese ist und bleibt essentiell, auch wenn Fakten angeblich an Wert verloren haben. Wichtig ist aber auch all das, was inspiriert. Eine solche Inspirationsquelle war für mich beispielsweise „Die Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“ von Simone de Beauvoir, die ich zu Beginn meines Studiums gelesen habe. Die Lektüre hat mir klargemacht: Ganz gleich, ob französisches Mädchen aus dem wohlhabenden Bürgertum oder Kind einer Migrantenfamilie, Veränderungen sind immer eine Herausforderung, vor allem für Frauen, die den Erwartungen ihrer gesellschaftlichen Umgebung nicht entsprechen wollen.

Und sonst so?
Ein dringender Appell an die Wissenschaftler: Es wird Zeit, etwas gegen die postfaktische Ära zu unternehmen und die digitale Aufklärung voranzutreiben.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Außeruniversitäre Machtarchitektur
Heute möchte ich mit einer Matheaufgabe starten, Prozentrechnung: Wenn ich 50 Prozent Ihres Gehaltes zahle und Sie jedes Jahr eine Gehaltserhöhung von 3 Prozent bekommen, die ich allein finanzieren muss, welchen Anteil Ihres Gehalts zahle ich in fünf Jahren?
Das Ergebnis: Knapp 57 Prozent.
Nächste Frage: Werde ich nach fünf Jahren noch damit einverstanden sein, jede Dienstanweisung, die ich Ihnen gebe, gleichberechtigt mit Ihrem zweiten Chef abzustimmen, der nicht mal mehr 44 Prozent Ihres Gehalts überweist?
Eben.
Fifty-fifty, so waren bis Ende 2015 auch die Finanzierungsschlüssel bei der Max-Planck-Gesellschaft und (mit einigen Abweichungen) bei der Leibniz-Gemeinschaft. 50 Prozent Bund, 50 Prozent Länder. Bei Helmholtz zahlte der Bund 90 Prozent, bei der Fraunhofer-Gesellschaft ebenfalls, wobei letztere nur ein knappes Drittel der Einnahmen überhaupt vom Staat grundfinanziert bekommt.
Von 2016 bis 2020 nun übernimmt der Bund allein das jährliche Plus, so dass er bei Helmholtz und Fraunhofer am Ende auf gut 91 Prozent kommt. Vernachlässigbar. Nicht so, siehe oben, bei Leibniz und Max Planck. Was übrigens auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gilt – bis 2015 erhielt sie 58 Prozent ihrer Mittel vom Bund.
Als die vier Forschungsorganisationen und die DFG im Dezember das zehnjährige Jubiläum des so genannten Pakts für Forschung und Innovation feierten, der ihnen seit 2006 die festen Zuwächse garantiert, kündigte Leibniz-Chef Matthias Kleiner an: In 2017 werde man sehr dezidiert in die Verhandlungen mit Bund und Ländern einsteigen, wie es dann nach 2020 weitergeht.
Alle wissen: Nochmal fünf Jahre können die Länder nicht aussetzen. Sonst steht die über Jahrzehnte mühevoll austarierte Machtarchitektur in unserem Forschungssystem auf dem Spiel. Wenn der Bund es auf die Spitze triebe, könnte er sogar von den Ländern verlangen, ihren Anteil erstmal wieder aufs Ursprungsniveau aufzustocken, bevor man erneut im Geschäft ist. Was er hoffentlich nicht tun wird. Sonst wird es richtig teuer für die Länder: 1 Prozent der jährlichen Paktfinanzierung entspricht im Jahr 2020 über 100 Millionen Euro.
Alles nur trockene Zahlenspiele? Von wegen. Es geht um die Unabhängigkeit von Wissenschaft, die gerade in der Ausgewogenheit ihrer Finanzierung besteht. Es geht darum, die Arbeitsteilung der Forschungsorganisationen zwischen Grundlagenforschung und programmatischem Anspruch zu bewahren. 
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
– oder twittern Sie unter #ChancenBrief
   
 
 
   
   
   
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Brauchen wir »Reli« noch? Religionsunterricht ist wichtiger denn je, sagt Manuel J. Hartung. An den Schulen hat Gott nichts verloren, erwidert Stefan Schmitt

Und wie soll man Religion nun lehren? Am besten, ohne die Schüler voneinander zu trennen, meint Evelyn Finger Jeder nach seiner Fasson Wenn es um den Glauben geht, hält jedes Bundesland etwas anderes für richtig Mitspielen wollen alle Vor zehn Jahren wurde das Elterngeld eingeführt – gedacht, um Väter einzubinden. Hier und da klappt das In der Blackbox Wonach Juniorprofessoren bewertet werden, ist unklar

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Im Netz auf Reisen gehen

Die Amerikanischen Reisetagebücher Alexander von Humboldts sind jetzt vollständig im Netz zugänglich. Die Digitalisate entstammen dem BMBF-Verbundprojekt der Universität Potsdam und Staatsbibliothek zu Berlin. Humboldts Reisetagebücher gehören zu den wissenschaftsgeschichtlich bedeutendsten Dokumenten des 19. Jahrhunderts.


Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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