| Liebe Leserinnen und Leser, | | |
traurig, aber Bahr. Ich habe meine Freundin Petra an den niedersächsischen Protestantismus verloren. Gestern noch saßen wir mittags in Berlin-Mitte im Café und plauderten über Dinge, über die man in Mitte in der Mittagspause nun mal gerne plaudert: Merkel, Höcke, Trump, die AfD. Das große Ganze eben, darunter macht man es in Mitte nun mal nicht. Mit dem großen Ganzen kannte Petra sich stets aus. Als Theologin, Pastorin und Abteilungsleiterin für Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte sie ein Ohr für die Macht und ein Herz für die Machtlosen.
Macht und Machtlosigkeit liegen nahe beieinander in der Berliner Republik. Die größten Kraftmeier sind hier oft nur Getriebene, die irgendwie überleben wollen. Sie brauchen Mut, Ansporn, Zuspruch. Sie brauchen einen Menschen, der so freundlich lächelt, wie nur Petra Bahr es kann, und ihnen sagt, wie und warum sie völlig falsch gewickelt sind. Petra Bahr war sicher nicht die Ratsvorsitzende der Berliner Republik. Sie war aber meine Ratsvorsitzende in mancher schweren Kaffeehausstunde. Auf der einen Seite der rheinländische Überzeugungskatholik, auf der anderen die weltgewandte Bekenntnisprotestantin mit Geburtsort Lüdenscheid. Dazwischen Kaffee und Salzgebäck. Das war unsere Ökumene.
Nun muss ich nach Hannover fahren, um mit Petra die Brezel zu brechen. Dort wird sie als Landessuperintendentin künftig 550 000 Schafen und 440 Hirten Ohr, Zeit und Zuspruch widmen. Von Hannover weiß ich: Es ist die Heimat der Scorpions und des Protestantismus. Hier pfeift die EKD ihr ewiges Lied vom »Wind of change«, hier wusste bereits vor 300 Jahren Leibniz, was den Protestanten im Innersten zusammenhält: »Wir sind umso freier, je mehr wir der Vernunft gemäß handeln, und umso mehr geknechtet, je mehr wir uns von den Leidenschaften regieren lassen.« Das ist für mich Hannover. Hier wird die Leidenschaft wohl nie regieren. Hier wird sie von der Vernunft geknechtet und nicht umgekehrt.
Bin ich ungerecht? Wahrscheinlich. Aus mir spricht wohl der Neid. Ich weiß nun, was Hannover hat und Berlin nicht: unsere Bahr, na klar! Dem Blatt wird sie erhalten bleiben. Mir fehlt sie schon jetzt. Am Sonntag wurde Petra in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis eingeführt ins Amt. Leibniz liegt begraben dort. Jetzt predigt Petra ihm zur Seite. Leibniz schrieb: »Überall gibt es Harmonie, Geometrie, Metaphysik und sozusagen auch Moral.« Für das »Sozusagen« in Hannover gibt’s nun Petra. Was sie dort bereits zu sagen hatte, lesen Sie diese Woche in Christ&Welt auf Seite 2.
Ihr Raoul Löbbert |
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