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Guten Morgen,
»Hunde, die an der Isebek nicht mehr ohne Leine laufen dürfen, glatte Straßen, Radfahrer mit abfrierenden Fingern«, schreibt eine Leserin aus Barmbek, »uns in Hamburg geht es doch gold. Schauen Sie doch mal, was auf den Inseln los ist!« Schauen wir also auf die Inseln. Auf Langeoog etwa strandeten schon vor geraumer Zeit und Wochen vor Ostern Abertausende von bunten Überraschungseiern (ohne Schoko-Überzug). Was zuerst anmutete wie eine Szene aus einem Märchenfilm, wandelte sich bald zum Ärgernis. Da kann man auch noch so sehr Ur-ur-ur-Nachfahre von Piraten und Strandräubern sein: Was soll man mit 267 identischen Plastikfiguren? Dann kamen noch Legosteine, dann Plastikstreifen, und schließlich wurde der ganze aus über Bord gegangenen Schiffscontainern stammende Segen zum handfesten Müllproblem. Auf Wangerooge dagegen trieben die Winterstürme Container mit Bauholz an. Das hätten die Insulaner schon eher brauchen können, aber da war die Bürokratie vor: Einfuhren in die EU müssen verzollt werden! Also verteilten sich die Holzbalken erst überall am Strand, und dann, bei Hochwasser, trieben sie zurück ins Meer und brachten Schiffe in Gefahr. Auf Sylt aber heißt das Problem Bahn. Beim Regionalverkehr zum Festland sei »die Grenze des Zumutbaren« erreicht, schrieben jetzt verzweifelte Inselbürgermeister und -unternehmer in einem Brief, der ndr.de vorliegt. Das Wagenmaterial sei »als historisch zu bezeichnen«, unter der hohen Reparaturanfälligkeit leide »die Sicherheit der Reisenden«. Und auch sonst sind die Zustände offensichtlich, wie man sie aus Internetforen entnervter Bahnopfer kennt – von Nicht-Kommunikation über tückische Gleiswechselspiele bis hin zu defekten Toiletten. Erst im Dezember hatte die Deutsche Bahn den Regionalverkehr zwischen Hamburg-Altona und Westerland übernommen, nachdem der vorige Betreiber, die Nord-Ostsee-Bahn, sämtliche (!) Wagen wegen Kupplungsproblemen aus dem Verkehr gezogen hatte. Es folgten qualvoller Pendelersatzverkehr, ausfallende Verbindungen, Ministersprüche statt -machtworte, und dann kam die Deutsche Bahn. Doch es gibt weiterhin Probleme. Auch mit den Kupplungen. Die würden, so ndr.de, seit Monaten untersucht. Warum so lange? »Nur wenn man die Ursache kennt, kann man auch eine Lösung finden«, äußerte sich ein Sprecher weise gegenüber dem NDR. Liebe Leserin aus Barmbek, Sie haben recht. Und was die Hunde von der Isebek angeht: Die Frauchen und Herrchen, deren Lieblinge künftig am Kanal nicht mal mehr in einer Ecke frei toben dürfen, sammeln jetzt Unterschriften gegen die Willkür des Bezirks.
»Immer wieder die gleichen Fehler«
Regelmäßig sorgen Fälle von misshandelten und zu Tode gekommenen Kindern in Hamburg für Aufsehen. Im Fall Lara Mia, bei dem vor fast acht Jahren ein neun Monate altes Mädchen an Unterernährung starb, hat das Gericht gestern das Urteil für den Stiefvater verkündet: drei Jahre und acht Monate Haft. Vorgestern wurde bekannt, dass die Jugendhilfekommission beim Fall des schwer misshandelten Babys Deljo aus Hamburg-Osdorf zu dem Ergebnis kommt, bei der Betreuung durch das Jugendamt Altona sei eine Reihe von Fehlern gemacht worden. Der Vorwurf klingt bekannt. Wir fragten Michael Lezius, der sich seit 40 Jahren im Kinderschutz engagiert und die Yagmur Gedächtnisstiftung gegründet hat, was schiefläuft in Hamburg. Elbvertiefung: Herr Lezius, ein Kritikpunkt bei Fällen von Kindesmisshandlung in Hamburg ist immer wieder auch, dass es Versäumnisse bei den Jugendämtern gab ... Michael Lezius: Es gab eine Fülle von Fehlern, zum Beispiel dass die kollegiale Beratung nicht stattgefunden hat, also dass zwei oder drei Menschen auf den Vorgang schauen. Die Mitarbeiter haben viele Fälle, und die Fälle sind sehr komplex, ich habe Verständnis, dass Fehler gemacht werden, aber leider werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht, auch bei Deljo. Es ist notwendig, dass man genau nach den Vorschriften vorgeht. Es gibt jede Menge Kontrollinstrumente, z.B. dass sich auch Führungskräfte die Fälle anschauen, aber das wird häufig nicht praktiziert. In einem Fall gab es eine Kultur der Nichtbeachtung von Vorschriften. Das ist gefährlich, weil so Fehlentscheidungen entstehen. EV: Fehler entstehen auch durch Überlastung. Es hieß schon, dass in Hamburg bis zu 100 Fälle von einem Mitarbeiter bearbeitet würden. Zum Vergleich: In Stuttgart sind es etwa 20 Fälle, in Düsseldorf rund 30. Lezius: Nach den Daten der Basfi (Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration) haben die Mitarbeiter zwischen 22 und 34 Fälle, das gilt für freie Träger, Pflegekinderabteilungen und den Allgemeinen Sozialen Dienst. Da kann man nicht unbedingt von Überarbeitung sprechen. EV: Also sind die Fallzahlen viel geringer als man bisher immer hörte? Lezius: Ja. EV: Immerhin, als Reaktion auf diese Vorfälle wurde in Altona das Jugendschutzsystem überarbeitet. Zum Vorteil der Kinder? Lezius: Gerade letzte Woche war ich im Familienausschuss mit den Abgeordneten und Sozialsenatorin Melanie Leonhard, da hieß es, dass sich vieles zum Besseren geändert habe. Es gibt Weiterbildungen, auch die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Jugendamt, Gericht, Polizei, Krankenhäusern und Gerichtsmedizin ist besser geworden. Damit sich alle an die Vorgaben und Gesetze halten, ist aber Führungskompetenz gefordert. Von 1300 Pflegekinderfällen im Jahr 2015 in ganz Hamburg ist die Hälfte nicht nach den Vorschriften bearbeitet worden. Deswegen gibt es jetzt die Enquetekommission, die fragt, warum die Mitarbeiter sich nicht an die Vorgaben halten. EV: Wie kann es sein, dass Mitarbeiter die Vorschriften ignorieren? Lezius: Oft entscheidet der Einzelne selbst, was er unter Kindeswohl versteht, statt sich ans Gesetz zu halten. Das Problem liegt in der Einstellung der Mitarbeiter: Sie wollen die Familien retten und an der Erziehungskompetenz der Eltern arbeiten. Es müsste aber ein Gedankenwechsel stattfinden, auch bei den Gerichten und Krankenhäusern: Kindesrechte müssen bei Misshandlung über die Elternrechte gestellt werden, auch wenn dadurch die Familie im Moment infrage gestellt wird. Aber dafür wird das Kind gerettet. |
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