| | Unterstützerinnen des südamerikanischen Präsidenten Jacob Zuma © REUTERS/Mike Hutchings |
Jacob Zuma macht seinem Spitznamen als Teflon-Präsident alle Ehre. Bislang ist jeder Skandal einfach von ihm abgeperlt. Allein im vergangenen Jahr hat er seinen Amtseid gebrochen, die Verfassung missachtet und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe ignoriert. Die teils hausgemachte Wirtschaftskrise und der drohende Downgrade auf Ramschniveau durch die Ratingagenturen tangieren ihn ebenso wenig, wie die massiven Stimmverluste des ANC bei Städte- und Gemeindewahlen. Bei der mittlerweile unüberhörbar lauten Kritik aus den eigenen Reihen schaltet er auf Durchzug. Auf die eigentlich logische Konsequenz eines Rücktritts warten viele Südafrikaner vergeblich. Denn Zuma spricht stattdessen lieber von Verschwörungstheorien und obskuren Mächten, die ihn zu Fall bringen wollen.
Der südafrikanische Karikaturist Zapiro zeichnete den Präsidenten zum Jahresende mit einer Virtual-Reality-Brille, Hände klatschend ausrufend: "Sie lieben mich!". Dieses Bild ging mir nicht aus dem Kopf, als ich Zumas traditionelle Rede zum Geburtstag des ANC am 8. Januar verfolgte. Aus Angst vor leeren Rängen im abtrünnigen Johannesburg hatte die Regierungspartei Busladungen von Anhängern aus der Provinz angekarrt. Zuma, der schon mit einer über 700 Punkte umfassenden Korruptionsklage ins Amt gewählt worden war, sprach vom gemeinsamen Kampf gegen die Korruption. Er, der die 105-jährige Befreiungsbewegung weiter gespalten und in die wohl größte Krise ihrer Geschichte manövriert hat, redete von Einheit und Geschlossenheit. Mit Realitätssinn hat das wenig zu tun.
Doch der Machtpolitiker Zuma hat keineswegs den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Er ist ein politischer Überlebenskünstler, der sich auf die noch immer tonangebende Mehrheit seiner treuen Anhänger verlassen kann. Dazu zählt auch die einflussreiche ANC-Frauenliga.
Sexuelle Gewalt
Auf den ersten Blick scheint es seltsam, dass Frauen einen polygamen Patriarchen unterstützen, einen Mann, der aus seinem traditionellen und sexistischen Weltbild keinen Hehl macht. Eine Überraschung ist es leider trotzdem nicht. Schon 2005, als Zuma wegen Vergewaltigung angeklagt war, stand die Frauenliga hinter ihm statt hinter der Klägerin. Den umstrittenen Freispruch wertete die Liga als Bestätigung. Die Politikerinnen ließen es zu, dass militante Zuma-Anhänger die als Khwezi bekannte, damals 31-jährige Fezeka Kuzwayo als Schlampe beschimpften, ihr mit dem Tod drohten, ihr Haus niederbrannten und sie ins holländische Exil trieben. Ein Skandal, der nur noch von Zumas himmelschreiender Aussage übertönt wurde, er habe nach dem Sex mit der HIV-positiven Khwezi geduscht und eine mögliche Infektion abgewehrt.
Die im Oktober verstorbene Khwezi ist trotzdem nicht vergessen: Als Zuma nach den herben Stimmverlusten der Kommunalwahl vor die Presse trat, stellten sich vier junge Frauen schweigend vors Podium. Ganz in schwarz gekleidet hielt jede von ihnen ein Blatt Papier hoch. "Remember Khwezi" stand darauf, "10 years later", "I am 1 in 3" und "Khanga". Der Khanga ist das traditionelle Tuch, das Khwezi um ihren Körper gewickelt und das Zuma als Einladung zum Sex verstanden hatte. Schätzungen zufolge wird eine von drei Südafrikanerinnen in ihrem Leben Opfer sexueller Gewalt. In einem Jahr, das von vielen Protesten geprägt wurde, war dieser für mich der eindrucksvollste. Zuma hielt seine Rede weiter. Die Vorsitzende der ANC-Frauenliga und Ministerin für soziale Entwicklung, Bathabile Dlamini, nahm die Störung dagegen nicht hin. Sie und ihre Kabinettskolleginnen geiferten, die Frauen sollten unverzüglich entfernt werden. Grobschlächtig übernahmen Zumas Sicherheitsleute diesen Job wenig später.
Spätestens da wurde überdeutlich, dass die Frauenliga eben nicht die Interessen südafrikanischer Frauen vertritt, sondern die eines einzelnen Mannes: Jacob Zumas. Sie verteidigen seine Ehre wie ein Rudel Löwinnen; sei es im Parlament, im ANC-Führungszirkel oder gegenüber der Presse. Für Südafrikanerinnen, die unter der ausufernden sexuellen Gewalt leiden, erheben sie dagegen selten ihre Stimme. Auch kein gutes Wort gibt es für prinzipientreue Frauen wie die ehemalige Ombudsfrau Südafrikas, Thuli Madonsela. Sie hatte Zuma mit einem Untersuchungsbericht gezwungen, einen Teil der Steuergelder zurückzuzahlen, mit denen er seine Privatresidenz in Nkandla ausgebaut hatte. Trotz Morddrohungen hatte sie Licht in das korrupte Geflecht zwischen Ministern, Staatskonzernen und Zumas mächtigen Unternehmerfreunden gebracht. Doch die Frauenliga sah durch sie mal wieder ihren Präsidenten in Gefahr und holte zum Gegenschlag aus: Madonsela vernachlässige die Sorgen der einfachen Bürger und führe eine politisch-motivierte Kampagne gegen Zuma, hieß es von ihrer Seite.
Geister der Vergangenheit
Wie kommt es zu dieser blinden Treue? Bathabile Dlamini selbst fand dafür im Frühjahr 2016 erstaunlich plumpe Worte. Erstmals hatten ANC-Mitglieder, darunter ehemalige Freiheitskämpfer, nach dem Steuerskandal Zumas Rücktritt gefordert. Diese öffentliche Kritik müsse ein Ende haben, forderte Dlamini damals. Schließlich habe jeder im ANC-Exekutivkomitee "kleinere Leichen" im Keller. Wenn die ans Tageslicht gelangten, dann wäre die Hölle los. Ich traute meinen Ohren nicht. Sie bestätigte tatsächlich öffentlich, was wir alle längst ahnten: Der ANC versinkt in Korruption, Patronage hält Jacob Zuma an der Macht, und auch die ANC-Frauenliga scheint Teil dieses Systems. Vetternwirtschaft ist keine Männerdomäne.
Die dreiste Selbstbereicherung vieler führender Politiker und Politikerinnen auf Kosten der Bürger hat nun trotzdem Folgen. Die Stimmung im Land und in der Partei ist so angespannt wie seit Jahren nicht. Und der Kampf um das demokratische Erbe, um die Seele der ehemaligen Befreiungsbewegung, wird dieses Jahr noch zunehmen. Denn im Dezember hält der ANC seinen Wahlparteitag ab. Dann wird Zumas Nachfolger als Parteivorsitzender gewählt und damit auch der Präsidentschaftskandidat für die Wahlen 2019. Die Frauenliga hat bereits eine Favoritin: Nkosazana Dlamini-Zuma. Sie ist scheidende Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union, saß bereits mit Nelson Mandela am Kabinettstisch. Und, ach ja, sie ist Jacob Zumas Ex-Frau.
Kritiker warnen, dass sie den Vater ihrer vier Töchter vor Korruptionsverfahren und anderen Dingen schützen könne. Mit öffentlicher Kritik am Ex-Mann hat Dlamini-Zuma sich bislang jedenfalls zurückgehalten, auch im Fall Khwezi. Doch 2007 unterstützte sie den politischen Gegner ihres Ex-Mannes, Thabo Mbeki. Weder Jacob Zuma noch die Frauenliga können also sicher sein, dass ihre "kleinen Leichen" nicht doch noch ans Licht kommen. Selbst Teflon hält bekanntlich nicht ewig. Und ich würde meiner Wahlheimat Südafrika den Anblick dieser korrupten Gerippe wirklich wünschen. Damit die Geister der Vergangenheit ruhen und wir alle wieder etwas optimistischer in die Zukunft schauen können.
Leonie March lebt seit 2009 in Südafrika. Die Journalistin berichtet für Hörfunk und Printmedien aus den Ländern der Region. Sie ist Mitglied des Netzwerks freier Auslandskorrespondenten www.weltreporter.net. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8". Sie wollen der Diskussion unter dem Text folgen? Hier geht es zum Kommentarbereich. |
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