Ohne ArndtDen pommerschen Autor und Bonner Geschichtsprofessor Ernst Moritz Arndt (1769 bis 1860) liest heute niemand mehr. Das ist schade. Denn wer den Quellgrund des deutschen Nationalismus und Rassismus bis hin zum Nationalsozialismus studieren möchte, findet in Arndts Hass- und Hetzschriften üppig Material. Arndts Vorstellungen vom Germanenreich, seine pseudodemokratischen Visionen von Volksgemeinschaft und Führer-Kaiser lesen sich, bei aller frömmelnden Gewandung, wie ein Urprogramm der völkischen Rechten.
Zur Kaiserzeit und im »Dritten Reich« wurden Straßen, Schulen und Kirchen nach ihm benannt. 1933 auch eine Hochschule: die anno 1456 gegründete Universität von Greifswald in Pommern – die ihren neuen Namen über 1945 hinaus behielt. Das militärfixierte DDR-Regime schätzte Arndt, galt er doch als Ahnherr der deutsch-russischen Waffenbrüderschaft (im Kampf gegen Napoleon).
So dauerte es bis zur Wiedervereinigung, dass in Greifswald über den fatalen Namenspatron diskutiert werden konnte. Und so dauerte es schließlich bis heute, bis zu einem Beschluss des Uni-Senats in der vergangenen Woche, dass die Hochschule Arndts Namen endlich ablegte, um ihr internationales Renommee nicht weiter zu beschädigen.
Zuvor war unter Studierenden und Lehrenden heftig um den »Traditionsnamen« gerungen worden. Bereits 2010 unterlag eine Initiative »Uni ohne Arndt« in einer Abstimmung knapp gegen die Arndt-Freunde. Allmählich aber sprach sich herum, an welcher »Tradition« Konservative von der CDU bis zur AfD/NPD da festhalten wollten: an der Tradition von 1933 nämlich, als der preußische Ministerpräsident und Hitler-Intimus Hermann Göring die Umbenennung der ehrwürdigen Universität unterzeichnet hatte.
Dieser wahre Traditionsbruch von 1933 ist mit dem Beschluss des Greifswalder Senats vom 18. Januar nun endlich gekittet worden. Endlich hat die Hochschule ihren alten Namen wieder: Universität Greifswald, Universitas Gryphiswaldensis.
Bleibt zu hoffen, dass sich auch die Arndt-Gymnasien der Republik – in Bonn, Krefeld oder Osnabrück – jetzt der Debatte stellen. Und nicht zuletzt die Evangelische Kirche in Berlin. Dort trägt seit 1934 eine Gemeinde den Namen des Hassprofessors. Denn wer zum Reformationsjubiläum daran-geht, den Antijudaismus Luthers kritisch zu sezieren, darf vom frommen Antisemiten Arndt nicht schweigen.
Benedikt Erenz ist Reporter im Geschichtsressort der ZEIT. Der Kommentar steht im CHANCEN-ressort der aktuellen Ausgabe der ZEIT (
Nr. 5/2017).