Fünf vor 8:00: Alles auf Angriff - Die Morgenkolumne heute von Martin Klingst

 
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 FÜNF VOR 8:00
16.01.2017
 
 
 
 


 
Alles auf Angriff
 
Donald Trump antwortet Journalisten nicht, er beschimpft sie. Sein Beispiel könnte Schule machen: Auch andernorts führen Rechtspopulisten einen Kreuzzug gegen Medien.
VON MARTIN KLINGST

War das eine Vorschau darauf, wie Donald Trump als künftiger Präsident seine Pressekonferenzen auszurichten gedenkt? Ein Vorgeschmack auf eine drohende Ära gelenkter Demokratie und mangelnder Transparenz? Viel spricht dafür.

Zum ersten Mal seit seiner Wahl im November 2016 stellte sich Trump am vergangenen Mittwoch den Medien. Aber nach typischer Trump-Manier wollte er der versammelten Journalistenschar nicht Rede und Antwort stehen. Wollte nicht informieren, aufklären, richtigstellen.

Es war keine Pressekonferenz, sondern ein Pressekrieg. Trump griff an, keilte aus, demütigte. Zur Unterstützung hatte er eine Riege von Claqueuren mitgebracht. Wie auf Kommando klatschten sie, wenn ihr Chef sie selber rühmte. Und sie buhten und riefen unwirsch dazwischen, sobald eine unbequeme Frage auftauchte.

Donald Trump knöpfte sich vor allem den amerikanischen Nachrichtensender CNN vor. Der hatte kurz zuvor ein 35 Seiten langes von Trump-Gegnern in Auftrag gegebenes Dossier eines ehemaligen britischen Geheimdienstlers ins Internet gestellt. Darin werden schwere, allerdings bislang unbewiesene Anschuldigungen gegen Trump erhoben. Von sexuellen Eskapaden bei einem Moskauer Besuch im Jahre 2013 ist da die Rede. Ebenso von angeblichen geschäftlichen Verstrickungen und engen Beziehungen zum Kreml.

Man kann in der Tat darüber streiten, ob diese dubiosen Anschuldigungen veröffentlicht gehörten. Ob es nicht angemessener und redlicher gewesen wäre, dieses Dossier unter Verschluss zu halten, solange sich die Vorwürfe nicht belegen lassen. So wie es die New York Times, die Washington Post, der britische Guardian und viele andere Medien getan haben, denen dieses Dokument ebenfalls vor vielen Monaten zugespielt wurde.

Und wer wollte nicht eingestehen, dass Medien Fehler, manchmal sogar schwerwiegende und unverzeihliche Fehler begehen. Dass sie nicht immer die gebotene Sorgfalt und Objektivität an den Tag legen, bisweilen voreingenommen berichten und vorschnell urteilen. Aber das ist nicht neu und dafür gibt es Korrektive: die Käufer und Zuschauer zum Beispiel, den Presserat, notfalls die Gerichte.

Doch Trump geht es nicht um Wahrheit, er sucht nicht den offenen Dialog mit seinen Kritikern. Er will gegen sie und gegen alle, die ihn tadeln und an ihm und seiner Art Anstoß nehmen, Krieg führen. Kaum war er am Mittwoch im New Yorker Trump Tower vor die Presse getreten, bezichtigte er CNN sofort der Lüge und kanzelte den Sender maßlos ab, ohne ihm die Chance einer Rechtfertigung zu geben. Als der CNN-Journalist Jim Acosta mehrfach versuchte, eine Frage zu stellen, ließ Trump es nicht zu. "Ihr Sender ist furchtbar", zischte er. "Nein, Sie bekommen keine Frage!" – "Sie verbreiten Falschmeldungen!"

Das war kein Ausrutscher, kein bedauerlicher Einzelfall. Nein, das hat bei Trump System.

Bis zur "Lügenpresse" ist es nicht weit

Auch andere Präsidenten pflegten nicht gerade ein besonders offenes Verhältnis zu den Medien. Sieben Jahre lang, zwischen 2007 und 2014, konnte ich das als USA-Korrespondent aus nächster Nähe erleben. Wenn Barack Obama eine Pressekonferenz hielt, stand in der Regel von vornherein fest, welche Medien Fragen stellen durften. Es waren in der Regel die größten und mächtigsten Zeitungen und Fernsehsender. Die anderen, vor allem die kleineren und die ausländischen Medien, hatten das Nachsehen. Sie wurden nicht drangenommen.

Nur: Unter den Großen und Mächtigen waren immer auch Kritiker. Auch sie kamen mit ihren Anliegen zum Zug, egal wie heikel sie waren. Das scheint unter Trump anders zu werden. Er will ausschließlich bewundert werden und duldet keine bohrenden Fragen. Schon im Wahlkampf grenzte er immer wieder unbequeme Journalisten aus, ließ sie entweder erst gar nicht zu seinen Veranstaltungen zu oder warf sie heraus, sobald sie ihm zu lästig wurden. Seit Anbeginn führt Trump einen Feldzug gegen kritische Medien.

Seine Twitter-Hasstiraden sind Legende. Wer ihm in die Quere kommt, wird mit Spott und Verachtung überzogen. Der alsbald 45. Präsident der Vereinigten Staaten besitzt nicht einen Hauch an Souveränität. Am vergangenen Wochenende wütete er gegen den schwarzen Abgeordneten John Lewis und warf der Ikone der Bürgerrechtsbewegung vor, nur aus bloßem "Gerede" zu bestehen und außerdem einen angeblich "kriminalitätsverseuchten" Wahlbezirk zu vertreten.

Gute Medien, böse Medien

Trump ist leider nicht der einzige Kreuzzügler. Vor allem Rechtspopulisten wie er tendieren überall auf der Welt dazu, die Medien als Feind zu betrachten, zumindest jene, die keine Schmeichler sind und das tun, was ihre Aufgabe ist: Distanz zu den Mächtigen wahren und ihnen auf die Finger schauen.

In diesem erbitterten Kampf werden alle, die ihre Wächterrolle ernstnehmen, sofort als "Lügenpresse" und als Wahrheitsverdreher gebrandmarkt. Trump, die deutsche AfD, der französische Front National, Ungarns Premier Victor Orbán und viele andere teilen die Medien in gut und böse ein. Wer nach dem Mund redet, ist gut, wer misstrauisch und kritisch bleibt, ist böse.

Das hat fatale Folgen. Um sich den Zugang zu den Mächtigen zu erhalten, biedern sich einige Medien an, werden zu Opportunisten und stellen nur noch wohlfeile Fragen. Die anderen, die Abstand wahren und skeptisch bleiben, haben das Nachsehen, ihnen wird der Zugang zu Veranstaltungen und wichtigen Informationen versperrt oder zumindest äußerst schwergemacht. Auf Trumps Pressekonferenz am Mittwoch konnte man bereits die ersten Auswirkungen erleben.

Die für eine freiheitliche Demokratie lebensnotwendige kritische Berichterstattung droht damit, schweren Schaden zu nehmen.


 
WEITERFÜHRENDE LINKS
THE NEW YORK TIMES  As Trump Berates News Media, a New Strategy Is Needed to Cover Him
THE ATLANTIC  Trump Manhandles the Media
THE GUARDIAN  Attempts to hold Trump to account only seem to make him stronger and stranger



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