Peer Review nicht besser als Losverfahren I Englische Uni macht Social-Media-Pause I Die Soziologin Heike Solga will Hochschulen und Berufsbildung verbinden I Hochschulpräsident Frank E. P. Dievernich beantwortet Dreieinhalb Fragen

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
eine Studie zeigt überraschend, dass bei der Auswahl der Besten unter den Besten ein Peer Review nicht treffsicherer ist als ein Losverfahren. Die Soziologin Heike Solga vom WZB hält unser Bild von der Universität für überholt und fordert die Öffnung der Hochschulen hin zu berufsbegleitenden und weiterbildenden Studiengängen. Eine englische Universität verordnet sich eine mehrtägige Social-Media-Pause. Und Frank E. P. Dievernich von der Frankfurt University of Applied Science beantwortet unsere Dreieinhalb Fragen. 
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Peer Review nicht besser als Losverfahren
Um aus den besten Bewerbern auf Postdoc-Stellen jene auszuwählen, die später erfolgreich Karriere machen werden, sind Begutachtungen der Kollegen vom Fach (Peer Review) nicht treffsicherer als eine Zufallsauswahl. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich auf dem Preprint-Server BioRxiv veröffentlichte Studie. Zwei Forscher der European Molecular Biology Organization (EMBO) haben die wissenschaftlichen Karrieren von 324 Bewerbern für ein EMBO Postdoc-Fellowship von 2007 bis 2017 ausgewertet. Das Ergebnis der Studie überrascht: Die Reputation von Bewerbern, die 2007 für eine Postdoc-Stelle ausgewählt wurden, unterschied sich nicht signifikant von jenen, die von Gutachtern zwar als förderwürdig erkannt, aber aufgrund der Knappheit der Fördermittel nicht ausgewählt wurden. Daher schlagen die Autoren vor, künftig nur noch mäßig gute und durchschnittliche Bewerber durch ein Peer Review auszusortieren. Die Stipendien unter den förderungswürdigen Kandidaten dann aber per Losentscheid zu vergeben. So würde zum Beispiel kein Geschlecht bevorzugt. Zufallsentscheidungen werden den Autoren zufolge vor allem dann sinnvoller, wenn die Förderquoten stark sinken – was zunehmend der Fall ist.
  
 
 
Englische Uni macht Social-Media-Pause
Die De Montfort University in Leicester schließt vom vergangenen Mittwoch bis zum heutigen Montag alle ihre Social-Media-Kanäle, wie die BBC berichtet. Damit möchte sie die Studierenden ermutigen, ihren eigenen "digital detox" auszuprobieren und einen bewussteren Umgang mit den modernen Medien zu pflegen.
  
 
 
Hochschule und Berufsbildung verbinden
In einem Interview für die WZB-Mitteilungen nimmt die Soziologin Heike Solga kritisch Stellung zum Vorschlag der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, einen "Berufsbachelor" einzuführen. Stattdessen schlägt sie vor,  das duale Studium sowie berufsbegleitende und weiterbildende Studiengänge stärker ausbauen, damit junge Menschen zu Beginn ihres Berufslebens nicht gleich vor die rigide Wahl zwischen Ausbildung und Studium gestellt werden.
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
 
   
5
Jahre lang ist R. Alexander Lorz (CDU), der diesjährige Präsident der KMK, schon Kultusminister. Der Jura-Professor gehört auch dem am Freitag vereidigten neuen schwarz-grünen Kabinett Hessens an. Seine Vorgängerinnen und Vorgänger mussten das KMK-Präsidentenamt als Neulinge mit nur wenigen Monaten Erfahrung als Ministerinnen oder Minister übernehmen.
   
 
   
Quelle: Wikipedia
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
3½  Fragen an…
 
 
   
 
   
Frank E. P. Dievernich
Präsident der Frankfurt University of Applied Science

Was haben Sie zuletzt von jemand anderem gelernt? 
Wie wichtig Herzenswärme ist. Ein Freund von mir ist Pilot und ständig in der Welt unterwegs. In seiner Freizeit kümmert er sich um Obdachlose im Franziskus-Treff in Frankfurt. Er bereitet ihnen in aller Herrgottsfrühe Frühstück und schenkt Wärme. Er ist ein gutes Beispiel für all jene Menschen, die sich ohne viel Aufhebens sozial engagieren und nicht nur um sich selbst kreisen. Das verdient Anerkennung und ist absolut nachahmenswert.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Es braucht kein Geld, um die Bedeutung von Bildung aus Sonntagsreden in den realen Alltag zu transformieren. Dafür braucht es nämlich erst einmal nur Überzeugung und Haltung.

Lektüre muss sein. Welche? 
Ein faszinierendes Buch ist „Die granulare Gesellschaft“ von Christoph Kucklick. Es zeigt, wie sich aufgrund der Digitalisierung unser gesamtes gesellschaftliches Ordnungsgerüst verändert. Mein neues Buch, das ich mit meinen Kollegen Gerd Döben-Henisch und Reiner Frey geschrieben habe, schließt daran an: „Bildung 5.0“. Es wirft die Frage auf, ob Hochschulen und Bildungseinrichtungen in der gegenwärtigen Zeit noch das Richtige tun. Die Halbwertszeit von Fachwissen sinkt dramatisch, und in nächster Zeit werden wir es aufgrund der Digitalisierung mit ganz neuen Berufen zu tun bekommen. Wir müssen somit viele Menschen für eine unbekannte Zukunft ausbilden. Genau dafür sollten wir viel mehr auf die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit abzielen. Menschliche Eigenschaften wie Selbstreflexion, philosophisches, komplexes Denken und die Fähigkeit, sich zu fokussieren – beispielsweise durch Meditation – sind jene Elemente, auf die wir in der Digitalisierung setzen müssen, wollen wir uns gegenüber den selbstlernenden Maschinen, den Robotern, der Künstlichen Intelligenz als selbstbestimmte Wesen behaupten.

Und sonst so?
Alles zu viel! Ich wünsche mir, dass wir alle endlich lernen, mit weniger auszukommen. Dann haben wir auch noch länger etwas von dieser Welt
   
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   

Endlos lernen Bilde dich weiter, sonst wirst du abgehängt – wer lebenslanges Lernen nur so versteht, ist auf dem Holzweg. Aber mithilfe einer einfachen Formel kann es zur Rettung der Welt beitragen 

Weiter, immer weiter Verletzung, Neugierde, der Traum vom Aufstieg – es gibt viele Gründe, sich beruflich zu verändern und Neues zu lernen. Drei Werdegänge   Bildung neben dem Beruf – die Fakten   Schule der Gewalt Der Missbrauch an der Odenwaldschule hätte verhindert werden können. Doch Eltern und Lehrer sind den Hinweisen nicht nachgegangen. Das zeigen neue Forschungsergebnisse   »Ungarn erlebt einen Augenblick der Klarheit und Brutalität« Die Central European University in Budapest muss das Land verlassen. Die Repression des Regimes wird immer monströser, schreibt der Leiter der Universität, Liviu Matei

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Kurze Geschichte der Philosophie im Social-Media-Zeitalter
Quelle: Philosophy Matters
 
 
 
 
 
   
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