Fünf vor 8:00: Die Finanzkrise wäre dagegen ein Kinderspiel - Die Morgenkolumne heute von Theo Sommer

 
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FÜNF VOR 8:00
15.01.2019
 
 
 
   
 
Die Finanzkrise wäre dagegen ein Kinderspiel
 
Die Gefahr einer globalen Rezession nimmt zu. Ob sie eintritt, hängt davon ab, wie sich die USA mit China und der EU im von Donald Trump begonnenen Handelsstreit einigen.
VON THEO SOMMER
 
   
 
 
   
 
   

Stehen wir am Rande einer Rezession? In der Presse mehren sich weltweit die besorgten Artikelüberschriften. "Die Wirtschaft schrumpft" (FAZ). "Die Konjunktur kühlt ab" (Handelsblatt). "14,889,930,106,680 Reasons to Fear Recession" (Bloomberg). "Wir müssen uns jetzt auf die Wahrscheinlichkeit einer Rezession einrichten" (Financial Times).
 
Dahinter steckt nicht nur Angstmacherei. Vielmehr gibt es reale Gründe wie den bevorstehenden Brexit, die amerikanische Wirtschaftspolitik, Chinas ökonomisches Schwächeln. Letztlich wird jedoch alles darauf ankommen, wie der Zollkrieg ausgeht, den Donald Trump gegen die Volksrepublik China und gegen die Europäische Union vom Zaun gebrochen hat.
 
Gegenwärtig herrscht an beiden Fronten Waffenstillstand, und an beiden wird verhandelt. Wenn es nicht gelingen sollte, fristgerecht einen Ausgleich zu erzielen, wird der Zollkonflikt wieder gänzlich aufleben. Er könnte in einem vollumfänglichen Handelskrieg enden. Was sind die Aussichten?
 
Donald Trump hatte schon 2013 in dem wirtschaftspolitischen Manifest Time to Get Tough geschrieben: "China ist nicht unser Freund. Es stiehlt unsere Arbeitsplätze und treibt eine Abrissbirne durch unsere verarbeitende Industrie." Seit er vor zwei Jahren ins Weiße Haus eingezogen ist, liebäugelte er mit einem wirtschaftlichen Showdown. Zwar rühmt er sich unablässig seiner "Freundschaft" mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping, aber dies hielt ihn nicht davon ab, ihm den Zollkrieg zu erklären.

Im März vergangenen Jahres verhängte er Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium; im Juli traten Zollerhöhungen auf 25 Prozent für Güter im Wert von 50 Milliarden Dollar in Kraft; im September wurde der Zollsatz auf weitere Produkte im Wert von 200 Milliarden um 10 Prozent erhöht; sollte Peking nicht binnen drei Monaten einlenken, soll der Satz auf 25 Prozent steigen. Trump drohte sogar, die Zölle auf die gesamten Einfuhren – fast 500 Milliarden wert – aufzuschlagen. Am 1. Dezember 2018 schloss er mit Xi dann einen 90-tägigen Burgfrieden. Die angekündigte Zolleskalation wurde ausgesetzt. Letzte Woche wurden in Peking Verhandlungen auf Arbeitsebene aufgenommen.
 
Noch ist nicht zu erkennen, ob Peking und Washington bis Anfang März ihre vielfältigen Differenzen aus der Welt schaffen können. Trump und Xi Jinping hätten beide Anlass zum Nachgeben – Trump gerät innenpolitisch Tag für Tag stärker unter Druck, und Xi kann nicht ignorieren, dass China technologisch noch immer stark von Amerika abhängig ist. Washington könnte den Zollkrieg abblasen, Peking die im Sommer heraufgesetzten Einfuhrzölle auf Autos aus Amerika wieder senken, den Amerikanern mehr Sojabohnen, Mais und andere Agrarprodukte abkaufen und zum hundertsten Mal eine weitere Marktöffnung ankündigen. Doch wenn Trump darauf besteht, dass China seinem wirtschaftstechnologischen Entwicklungsehrgeiz abschwört, wird ein Ausgleich in weite Ferne rücken.
 
Die Amerikaner wollen über Landwirtschaft reden, die EU nicht
 
Auch von den Verhandlungen zwischen den USA und der EU lässt sich nichts Konkretes vermelden. Trumps Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium, vor allem jedoch die Ankündigung, Strafzölle auf europäische Autos zu erhöhen, gefährdet Tausende von Arbeitsplätzen. Die EU-Kommission machte von Anfang an klar, dass sie nicht tatenlos zusehen wird, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen ins Hintertreffen gerät.
 
Dann legten Trump und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli letzten Jahres den Streit auf Eis. Die Amerikaner setzten die Zollerhöhung auf europäische Autos aus der EU fürs Erste aus; die Europäer versprachen, mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den USA zu importieren; beide verständigten sich auf Verhandlungen zur Abschaffung der Zölle auf die meisten Industriegüter.
 
Die Gespräche kommen allerdings nur schwerfällig in Gang: Noch fehlt ein Mandat des Kongresses. Auch wollen die Amerikaner unbedingt über Landwirtschaft reden, was die EU ablehnt. Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström traf sich vorige Woche mit dem US-Unterhändler Robert Lighthizer und mit Finanzminister Steven Mnuchin. Kurz zuvor sagte sie: "Wir haben angeboten, unsere Zölle auf Fahrzeuge auf null zu senken, wenn die USA das Gleiche machen. Aber im Moment haben sie daran kein Interesse. Eines ist klar: Sobald die Zölle kommen, sind die Gespräche über ein Handelsabkommen beendet."
 
Die Streitigkeiten der Trump-Administration mit China und der Europäischen Union gehen weiter. Die Waffenstillstände an beiden Fronten haben verheerende Zollerhöhungen nur aufgeschoben, nicht jedoch aufgehoben. Sollten die Verhandlungen scheitern und der Zollkrieg wieder aufgenommen werden, würde die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Die globale Finanzkrise nach dem Kollaps von Lehman Brothers würde im Vergleich zu dieser Rezension wie ein Kinderspiel erscheinen.

 


 
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Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.