BMBFD? | Elsevier gegen ResearchGate | Junge Akademie will Departments | 3½ Fragen an Thomas Halder

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
neues Semester, neue Bücher, neue wissenschaftspolitische Debatten. Willkommen im WiSe 2017/18! Auch wir schalten hoch und schicken Ihnen den CHANCEN Brief wieder zweimal wöchentlich zu. Heute schreibt Anna-Lena Scholz über ein Debattenpapier, das fünf Autorinnen und Autoren der Jungen Akademie vorgelegt haben, und das eine Umwandlung des Lehrstuhl- in ein Departmentsystem vorschlägt (Standpunkt). Und Thomas Halder, Geschäftsführer des Verbandes der Privaten Hochschulen, äußert sich über Mitspracherecht in der Wissenschaftspolitik.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Appell an künftige Bundesregierung
Das politische Berlin sortiert sich noch. Die Wissenschaft hingegen ist schon im Lobbymodus in eigener Sache unterwegs. Die großen Forschungsorganisationen in Deutschland – von der HRK über den DAAD, den Außeruniversitären bis zur AiF – haben sich einmütig zusammengeschlossen und ein Positionspapier vorgelegt, das in den Händen der künftigen Regierung kursieren soll. „Wissenschaft und Forschung als Fundament unserer Zukunft weiter stärken“ steht oben drüber. Gefordert werden unter anderem eine Steigerung des Anteils am BIP auf 3,5 Prozent bis 2025 (u.a. durch steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben), die Fortsetzung der Pakte, die Stärkung der Hochschulen und beruflichen Bildung. So richtig konkrete Visionen, die über eine Forderung nach mehr Förderung hinausgehen, bleibt das Papier leider schuldig, interessant ist aber immerhin folgender Satz: „Im Rahmen von Innovationsstrategien der Bundesregierung sollten Förderschwerpunkte künftig noch stärker als bisher ressortübergreifend und methodisch konsistent festgelegt werden.“ Mit Blick auf das Superschlagwort Digitalisierung – wie wäre es, dem BMBF künftig noch ein „D“ zuzuschlagen?  
  
 
 
Wem gehört die Forschung? Elsevier gegen ResearchGate
ReserachGate wird gerne als „Facebook für Wissenschaftler“ bezeichnet, und sein Erfinder, Ijad Madisch, gilt als weltweite Startup-Hoffnung (er wurde neulich bei uns im Wirtschafts-Ressort portraitiert: ZEIT 38/2017). Hinter den Kulissen ist alles etwas weniger lässig-entspannt. Der Verlag Elsevier und die American Chemical Society haben ReserachGate wegen massenweiser Urheberrechtsverletzungen verklagt, weil die Nutzer der Plattform Aufsätze und Daten hochladen, die eigentlich den Verlagen gehören. ResearchGate hat inzwischen reagiert und beginnt offenbar, betroffene Paper von der Plattform zu entfernen. Ausführlich berichten Inside Higher Ed, Sciencemag und iRights; lesenswert ist außerdem der Blog der Bibliothekarin der University of Illinois in Urbana-Champaign, Lisa Janicke Hinchliffe.
  
 
 
Wissenschaftssprache: Längere Wörter, mehr Jargon
Immer schön, wenn eine Studie die gefühlte Wahrheit bestätigt. Heute: Ein schwedisches Forscherteam hat herausgefunden, dass wissenschaftliche Texte immer komplizierter werden; das berichtet die Technology Review. Analysiert wurden 710.000 Abstracts aus biomedizinischen Fachzeitschriften zwischen 1851 und 2015. Demnach werden diese Texte immer komplexer und schwerer lesbar – sie beinhalten längere Sätze und eine größere Anzahl mehrsilbiger Wörter. Es nehmen übrigens nicht nur die Fachbegriffe zu, sondern auch der Jargon (Wörter wie „substantially“ oder „apparently“). 
  
 
 
Pfeiffer-Poensgen: Auf Hochschulautonomie vertrauen
Anwesenheitspflicht in Seminaren und Vorlesungen, ja oder nein? Ein Reizthema mit verhärteten Fronten, vor allem in NRW. Die dortige Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, seit 100 Tagen im Amt, hat sich darüber mit dem Deutschlandfunk unterhalten. Sie sagt: „Ich bin der absoluten Überzeugung, dass genau solche Fragen wie zum Beispiel die der Anwesenheitspflicht in bestimmten Unterrichtsveranstaltungen in der Hochschule ausgehandelt werden müssen. Und es kann nicht sein, dass für alles, was schwierig ist, aus Sicht der einen oder anderen Gruppe, immer gleich nach sozusagen dem Gesetzgeber gerufen wird, das halte ich im Sinne der Hochschulautonomie für eine ganz schwierige Position.“
  
 
 
Preiswürdige Wissenschaftskommunikation
Der Preis für Hochschulkommunikation 2017, der gemeinsam von HRK, Bosch-Stiftung und der ZEIT verliehen wird, geht in diesem Jahr an die Universität Köln. Thematisch ging es um den Wissenstransfer in die Gesellschaft. Gelobt wird das Dezernat Kommunikation & Marketing, weil es ein „systematisches Monitoring von aktuellen gesellschaftlichen Fragen entwickelt“ und sogenannte „Matrix-KorrespondentInnen“ in verschiedenen Wissenschaftsbereichen installiert hat.
Namentlich freuen darf sich Patrick Honecker, der die Kommunikation leitet.
  
   
   
   
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Vorsitz der KAS
Annette Schavan, ehemalige BMBF-Chefin, soll angeblich ab 2018 neue Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung werden. (Welt) Dem ZEITmagazin gab sie gerade ein kleines Interview.

Verdienste
Der Kirchenhistoriker und ehemalige Präsident der HU Berlin, Christoph Markschies, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet; geehrt wird er für sein Engagement im ökumenischen und im jüdisch-christlichen Dialog. Eine Ehrung gab es auch für Jürgen Hesselbach, den ehemaligen Präsident der TU Braunschweig: ihm wurde das Verdienstkreuz 1. Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens verliehen.

Communicator-Preis
Können Sie aus dem Stand benennen, wer die letzten fünf Communicator-Preisträger sind? Wir nicht. Dabei geht es doch um die Strahlkraft der Wissenschaft in den öffentlichen Raum. Liegt's an den Forschern, oder vielleicht eher am Design des Preises? Auf ScienceBlogs kommentierte der Physiker und Autor Hans Peter Fischer im Juli so: „In der literarischen oder feuilletonistischen Welt erhält man den Bachmann-Preis, den Börne-Preis, den Freud-Preis, den Schirrmacher-Preis und so weiter, und nur die Wissenschaftskommunikatoren lieben es namenlos.“ Sehr bedenkenswert. Wir weisen natürlich trotzdem auf die aktuelle Ausschreibung für 2018 hin. Ach ja, und – hier noch die Namen der letzten fünf Preisträger: Stefan Kröpelin, Andreas Zick, Boris Zernikow, Onur Güntürkün, Metin Tolan.

Lewandowski ist jetzt Akademiker
Robert Lewandowski schießt gerne Tore, meistens auf dem Platz. Jüngster Volltreffer: Sein Bachelor-Zeugnis von der Sporthochschule Warschau. Thema seiner Abschlussarbeit: "RL9. Der Weg zum Ruhm." Ja, richtig kombiniert: „RL9“ steht für Lewandowski höchstselbst, der sich offenbar einer akademischen Selbstanalyse unterzogen hat. Die SZ hat die ganze Story.

Job: Uni Paderborn
Paderborn. Eine klassische Underdog-Stadt. Blass aus der Ferne, liebenswert aus der Nähe. Die Universität, derzeit geleitet von Wilhelm Schäfer, sucht jetzt im ZEIT-Stellenmarkt eine Präsidentin (m/w)!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Thomas Halder

Geschäftsführer des Verbandes der Privaten Hochschulen e.V. 
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Digitalisierung spielt heute eine größere Rolle denn je. Auch in der Hochschullandschaft sind wir von der zunehmenden Digitalisierung stark betroffen. Dies kann sowohl eine Chance als auch ein Risiko für die Hochschulen darstellen. Werden heute die meisten Paper den Studierenden online als .pdf zur Verfügung gestellt, mussten sich die Studenten früher ihre Lektüre noch mühselig kopieren. Auch die Globalisierung nimmt starken Einfluss auf die einzelnen Hochschulen, die nun nicht mehr nur im Vergleich zu inländischen, sondern auch immer verstärkter in Konkurrenz zu ausländischen Hochschulen stehen. Natürlich gibt es dieses Phänomen schon länger, neu ist allerdings, dass ein Auslandssemester schon fast zur Normalität und Voraussetzung für Erfolg im Beruf geworden ist.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
In meiner Arbeit als Geschäftsführer des Verbandes der Privaten Hochschulen bemerke ich immer wieder, welch unterschiedliches Maß an staatliche und private Hochschulen angelegt wird. Um den Stand und das Mitspracherecht der privaten Hochschulen zu fördern, wäre eine Teilhabe der privaten Hochschulen an wesentlichen wissenschaftlichen Gremien notwendig.

Lektüre muss sein. Welche?
Das Buch „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“ von Gerd Gigerenzer kann ich nur empfehlen. Generell sollten wir mehr unserer Intuition vertrauen und Sachen nicht „zerdenken“.

Und sonst so?
… genieße ich Fahrten mit dem ICE. In der Zeit bin ich neben aller Arbeit trotzdem frei, meine Gedanken schweifen und das Leben auf mich wirken zu lassen.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Anna-Lena Scholz
Umbau der Pyramide
Die Junge Akademie, ein Zusammenschluss von 50 Postdocs und jungen Professoren, möchte die Institution umkrempeln, der sie ihr restliches Berufsleben angehören wird. Moderner sollen die Universitäten werden und demokratischer. Diese Vision formuliert die Junge Akademie in einem neuen wissenschaftspolitischen Papier, das der ZEIT vorab vorliegt. Es sieht die Abschaffung des Lehrstuhlsystems an deutschen Hochschulen vor.
Lehrstühle, ein Relikt der Universität des Mittelalters, bedeuten: Arbeiten in der Pyramide. Oben sitzt der verbeamtete Professor, unten arbeitet sein Heer von befristet angestellten Assistenten und Doktoranden, der Mittelbau. Ein solches System neigt zu Hierarchien und Abhängigkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses, der in Deutschland oft bis Anfang 40 auf die eigene Professur wartet. Im Gegenentwurf der Jungen Akademie gibt es anstatt einiger weniger Institutskönige eine Vielzahl an Professoren und Professorinnen, die keine Hoheit mehr über einen eigenen Mitarbeiterstab haben. Sekretariats- und Managementaufgaben lägen zentral beim Institut. Solche Departments sind an britischen und US-amerikanischen Unis üblich; 2014 wurden sie hierzulande bereits vom Wissenschaftsrat empfohlen.
Wie stellt sich die Junge Akademie den Umbau vor? Die Anzahl der Professuren würde durch eine allmähliche Umwidmung der Grundfinanzierung erhöht. In einer Übergangsphase müssten die Unis die Gelder auslaufender Mittelbaustellen bündeln und damit Professuren finanzieren. Das würde eine intensivere Betreuung in der Lehre ermöglichen, weil die Studierenden näher an den Professoren wären und seltener von kurzzeitig befristeten Mitarbeitern unterrichtet würden. Und es erlaubte den Rektoraten eine dynamischere Personalpolitik, weil sie junge oder ausländische Forscher direkt für spezifische Arbeitsschwerpunkte einwerben könnten, statt sie in aufgeblähte Lehrstuhlstrukturen zu integrieren.
Der Mittelbau würde so nach und nach abgeschafft. Ob es klappt mit der Professur, würde sich deutlich früher entscheiden. Für die Bestenauslese würde der Tenure Track sorgen – ein Karriereweg, der schon nach der Promotion ansetzt und durch frühe Evaluation aussortiert oder befördert. Ändern würde sich auch die Stellung der Doktoranden: Im hiesigen Vorschlag würden sie nicht mehr aus Grundmitteln, sondern überwiegend aus Drittmitteln bezahlt.
Das streitbare Papier kommt zum rechten Zeitpunkt. Der laufende Exzellenzwettbewerb könnte ein Profilierungsfeld für jene Unis sein, die die Einführung von Departments zum Wettbewerbsvorteil erklären. In einem Punkt vertut sich die Junge Akademie: »kostenneutral«, wie sie schreibt, ist ein Systemumbau nicht zu haben. Er kostet Geld und politischen Willen, um die rechtlichen, räumlichen und kulturellen Bedingungen für Departmentstrukturen zu schaffen.

Der Text ist auch in der aktuellen Ausgabe der ZEIT erschienen, auf Seite 75.
   
   
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Vorbild für viele: Malala Yousafzai (ZEIT 41/2015) – seit diesem Semester Studentin in Oxford

Quelle: Twitter /@malala
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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