| »Gewalt muss stärker geächtet werden«
Vor gut einem Jahr hat Hamburg eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, in der Frauen und Kinder, die Gewalt erlebt haben, Schutz und Beratung finden. 24/7 ist die zentrale Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser und Koordinationsstelle zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Wir sprachen mit Angelika Damm, der Geschäftsführerin des Projekts. Elbvertiefung: Frau Damm, für wen ist die Anlaufstelle 24/7 gedacht? Angelika Damm: Zu uns kommen Frauen, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, sowie ihre Kinder. Es sind Frauen aus allen Bezirken und Schichten, viele davon Migrantinnen, die von ihren Ehemännern, Freunden, Vätern oder Familienmitgliedern geschlagen, misshandelt oder vergewaltigt werden. Es gibt psychische Bedrohungen, manche sollen zwangsverheiratet werden, andere wurden zu Hause eingesperrt oder haben kein eigenes Geld. EV: Was passiert in Ihrer Einrichtung? Damm: Die Frauen wollen erst mal Schutz. In der Notaufnahmestelle gibt es 15 Schlafplätze, jede Frau bekommt nach Möglichkeit mit ihren Kindern ein eigenes Zimmer, in dem sie etwa drei Tage bleiben und in Ruhe gucken kann, wie es weitergeht. Diese Clearing-Phase ist enorm wichtig. EV: Und wie kann es dann weitergehen? Damm: Einige wechseln in eines von fünf Frauenhäusern in Hamburg, manche kommen bei Verwandten unter. Wir beraten auch über die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes, dank dem die Frau die Wohnung zugewiesen bekommen kann. Alle Zelte abzubrechen ist nicht einfach, gerade wenn Kinder dabei sind. Viele denken: Wenn ich gehe, habe ich kein Geld. Ihnen ist gar nicht klar, dass sie Anspruch auf Unterhalt oder Unterstützung vom Jobcenter haben. EV: Welche Erfahrungen haben Sie im ersten Jahr gemacht? Damm: Durch die neue Anlaufstelle werden die Frauenhäuser stark entlastet. Weil wir eine Rund-um-die-Uhr-Aufnahme garantieren wollten, wurden früher die Frauen nachts und am Wochenende von den Bewohnerinnen selbst aufgenommen. Jetzt kümmern sich neun Sozialarbeiterinnen um die Frauen, im November kommt eine weitere Mitarbeiterin speziell für die Kinder dazu. EV: Es gibt immer noch Menschen, die Gewalt an Frauen für eine Randerscheinung halten ... Damm: Jede vierte Frau in Deutschland erfährt in ihrem Leben Gewalt, das belegt eine repräsentative Studie. Wir nehmen jährlich etwa 1000 Frauen und Kinder auf, bundesweit kommen 40.000 Frauen und Kinder pro Jahr in Frauenhäuser. Uns gibt es seit 40 Jahren, seither haben wir eine 95-Prozent-Auslastung. Gewalt ist ein strukturelles Problem, kein persönliches der betroffenen Frauen. Und Gewalt muss politisch und gesellschaftlich viel stärker geächtet werden. Wenn Frauen getötet werden, muss man das auch klar benennen – dann war es Mord oder Totschlag, aber sicher kein Familienkonflikt.
Vorhang auf für queere Filme
Gestern Abend feierten Filmfans bei einer Gala auf Kampnagel: Die lesbisch-schwulen Filmtage sind eröffnet. Bis Sonntagabend wird an sieben Spielstätten in mehr als 60 Filmen vom Kampf gegen Stigmatisierung, von mutigen Offenbarungen und Romantik jenseits des Mainstreams erzählt. Apropos Mainstream: Braucht es heutzutage überhaupt noch ein eigenes Filmfest zum Thema Homosexualität? »Für viele ist das überhaupt noch nicht normal«, sagt Programmleiter Joachim Post. Wer anders liebt als die Mehrheit, müsse sich vielerorts noch ein Herz fassen, um sich zu outen. Ein eigenes Festival könne Mut machen. »Viele Filmemacher könnten ihre Filme ohne solche Festivals gar nicht zeigen.« Bei den großen Festen seien entsprechende Stoffe selten und nur vereinzelt gefragt. Oft bekämen schwul-lesbische Geschichten dann nur jenen Platz, den Schwule und Lesben seit Jahrzehnten ablehnen: den des Außenseiters. Dabei habe Filmstoff aus der queeren Szene viel mehr zu bieten, findet Joachim Post. Sein persönlicher Geheimtipp: »Sueño En Otro Idioma« (»Ich träume in einer anderen Sprache«), der am Sonntag um 15 Uhr im Passage-Kino läuft. Da geht es nicht nur um komplizierte Liebe, sondern auch um das Aussterben einer Sprache im mexikanischen Regenwald. »Diese Kulisse entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.« Wer einzelne Filme ins Herz geschlossen hat und sie (nicht nur finanziell) unterstützen möchte, kann übrigens vom Adoptionsrecht Gebrauch machen – das gilt auch bei den lesbisch-schwulen Filmtagen für alle, selbstverständlich. | |
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