Gastkommentar Martina Brockmeier: Positionspapier zum Begutachtungswesen | 3½ Fragen an Maria Wersig | Leidige KapVO | Science Hell

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
ein Liedvers intoniert die neue Woche, siehe unten. Außerdem wichtig: Der Wissenschaftsrat stellt heute Vormittag ein neues Positionspapier vor, in dem es um die Begutachtungen im Wissenschaftssystem – sprich: Gutachteritis – geht. Martina Brockmeier, die WR-Vorsitzende, lesen Sie dazu im heutigen Gastkommentar. Und 3½ Antworten kommen heute von Maria Wersig, der Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
The Harmonies of Liberty
In der vergangenen Ausgabe haben wir über den geplanten Auftritt des Rechtsnationalisten Richard Spencer auf dem Campus der University of Florida berichtet. Was seitdem geschah? Nun, Spencer kam, sprach – und wurde übertönt. Und zwar vom Glockenturm der Universität, auf der die Musikprofessorin Laura Ellis das Lied „Lift Every Voice and Sing“ spielte, das oft als Nationalhymne der Schwarzen bezeichnet wird. (CNN) Die erste Strophe geht so: "Lift every voice and sing / Till earth and heaven ring, / Ring with the harmonies of Liberty; / Let our rejoicing rise / High as the listening skies, / Let it resound loud as the rolling sea. / Sing a song full of the faith that the dark past has taught us, / Sing a song full of the hope that the present has brought us, / Facing the rising sun of our new day begun / Let us march on till victory is won." (Youtube)
  
 
 
Verhaltenskodex Religionsausübung
Einige Hochschulen in Deutschland haben auf dem Campus einen Raum eingerichtet, in dem Studierende und Lehrende beten können (siehe ZEIT 13/2016); auch die Universität Hamburg. Diese hat nun nachgelegt – mit einem „Verhaltenskodex Religionsausübung“, in dem es etwa um das Tragen religiöser Symbole geht. (SpOn)
  
 
 
Leidige KapVO
Aus der Reihe „Intrikate Lieblingsthemen von Bildungsjournalistinnen“: die Kapazitätsverordnung, kurz KapVO, die das Zahlenverhältnis von Studierenden und Lehrenden reguliert. Kaum eine hochschulpolitische Debatte vergeht ohne sie, kaum eine Debatte endet ohne ermüdetes Abwinken: so notwendig eine Reform des Kapazitätsrechts, so unglamourös gestaltet sich auch die Arbeit an einer solchen. Entsprechend wenige Leute nehmen sich dem Vorhaben an. Bis jetzt? Oliver Günther, Präsident der Uni Potsdam, hat im Blog von Jan-Martin Wiarda vorgerechnet, wie man die Studierendenströme an Unis und FHs neu leiten könnte. Bühne frei!
  
 
 
Die digitalisierte Universität
Für Schulen wie Hochschulen gilt: Ein Whiteborard und eine Online-Lernplattform machen noch keine Digitalisierung. Inzwischen beginnen aber jene Studierenden eine akademische Ausbildung, die nie ohne digitale Technik gelebt haben. Und verlangt die Wirtschaft wiederum nach entsprechend ausgebildeten Akademikern. Aktuelles Beispiel: Die von zwei deutschen Jugendlichen entwickelte Mathe-App „Math42“ wurde gerade für 12,5 Millionen Dollar an einen US-Schulbuchkonzern verkauft. (SpOn) Jetzt die Masterfrage: Sind die Hochschulen vorbereitet auf Studierende, die mit Math42 rechnen gelernt haben, und was bedeutet das für die akademischen Curricula? Dem Thema widmet sich ausführlich die SZ
  
 
 
Bürde des Rhodes Scholarship?
Lesenswert: Ein Gespräch mit dem neuseeländischen Studenten Max Harris, der an der Uni Oxford gleich zwei begehrte Stipendien eingesackt hat: das Rhodes Scholarship und All Souls Fellowship. Das FAZ-Blogseminar hat nachgefragt, wie es sich mit soviel ökonomischem und symbolischen Kapital im Rücken studiert – und wie man mit dem kolonialen Erbe umgehen sollte. 
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
7,2 Millionen

Studierende gibt es derzeit in der Türkei.
2008 waren es noch 3,5 Millionen – das ist ein Aufwuchs um 91 Prozent.
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Maria Wersig 

Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. und Professorin für rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Dortmund
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Nicht kürzlich, aber immer wieder: Die tatsächliche Umsetzung der Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer. Das gilt für alle Bereiche, von der Politik, über die Wissenschaft, bis in die Sozialsysteme. Eine Zahl, die mich kürzlich beeindruckt hat: Wenn wir die Entwicklung so fortschreiben, wie bisher, haben wir „Equal Pay“ in 128 Jahren erreicht. Es braucht wirksame gesetzliche Maßnahmen, sonst ändert sich nichts. Wer gegen Instrumente wie Quoten ist, soll ein gleichwirksames Instrument vorschlagen, mit dem wir Gender Bias strukturell seine Wirkung nehmen können.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Gute Lehre zu schaffen, die Studierende in ihrer Vielfalt erreicht und ernst nimmt. In der juristischen Ausbildung brauchen wir eine Debatte über Sexismus und Geschlechterstereotype. Eine Studie
von Dana-Sophia Valentiner zu juristischen Klausuren im Hamburg zeigt: Männer kommen in den Fällen mit 80 % deutlich häufiger vor, Geschlechterstereotype werden bedient, Frauen häufig definiert in Abhängigkeit von Männern. Es ist 2017 – die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist überfällig, denn Sprache prägt Wirklichkeit und die Schubladen in den Köpfen sollten endlich überwunden werden.

Lektüre muss sein. Welche?
Aktuell gerade wieder „Der Bericht der Magd“ von Margaret Atwood. Sie beschreibt eine dystopische Welt, in der Frauen die Selbstbestimmung über ihr Leben und ihren Körper genommen wurde. Hochaktuell, denn rechtspopulistische Bewegungen haben Einschränkungen von Frauenrechten auf ihrer Agenda. Was mühsam erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen. Und als Hörbuch: Sherlock Holmes, gelesen vom wunderbaren Stephen Fry.

Und sonst so?
Um es mit Erich Kästner zu sagen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
   
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
   
von Martina Brockmeier
   
   
   
Mut zu neuen Ideen
Ein funktionierendes Begutachtungswesen ist von größtem Wert für das Wissenschaftssystem und die Gesellschaft. Damit wir auch in Zukunft davon profitieren können, gibt es einiges zu tun. Der Wissenschaftsrat hat deshalb ein Positionspapier „Begutachtungen im Wissenschaftssystem“ erarbeitet.
Wir wollen dazu ermutigen, Erfahrungen mit neuen Ideen in der Begutachtung zu sammeln, auch wenn Aufwand und Erfolg sich an manchen Stellen noch nicht sicher abschätzen lassen: So sollte mit innovativen Auswahlverfahren der Gefahr des sogenannten Mainstreamings in der Forschungsförderung begegnet werden – etwa mit Zufallsauswahl oder mit Hilfe eines Sondervotums (sogenannte Wild Card). Auch sollten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler im Rahmen eines strukturierten Mentorings von der Expertise erfahrener Gutachtender lernen und profitieren können.
Viele unserer Empfehlungen sind direkt umsetzbar von großen Fördereinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen, die Aufwand begrenzen, Prozesse besser vor- aber auch nachbereiten und den Gutachtenden mehr Anerkennung entgegenbringen können. Damit Entscheidungsprozesse im und für das Wissenschaftssystem auf hochwertigen Gutachten aufbauen können, müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorab wissen, was von ihnen erwartet wird, und anschließend, ob sie diese Erwartungen erfüllt haben. Damit nicht immer dieselben angefragt werden, muss der Pool von Gutachtenden vergrößert werden, wozu wir Hinweise geben.
Die Klagen zum Zustand des Begutachtungswesens sind nicht zu überhören. Auch wenn manche von ihnen überzogen scheinen, liegen wesentliche Herausforderungen für das sogenannte Peer Review doch auf der Hand: Erwartungen an Gutachterinnen und Gutachter sind in vielfacher Hinsicht gestiegen, auch mit Blick auf interdisziplinäre Fragestellungen. Deutlich zugenommen hat die Nachfrage nach Begutachtungen aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig. Doch Begutachtungsaufgaben sind im deutschen Wissenschaftssystem sehr ungleich verteilt und das Begutachten wird kaum gelehrt. Diese Herausforderungen haben wir im Positionspapier aufgegriffen. Mit einer Mischung aus behutsamen Veränderungen und mutigen Experimenten sollte es uns gelingen, das Begutachtungswesen krisenfest für die Zukunft zu machen.

Prof. Dr. Martina Brockmeier ist Vorsitzende des Wissenschaftsrates
   
   
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c.t.
 
 
   
 
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Quelle: https://imgur.com/bTddxOG
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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