| Guten Morgen, | | | | Sigrid Neudecker / Foto: Gretje Treiber | |
in unserem heutigen Letter geht es viel um Gewinner und Verlierer – auch wenn es gerade am gestrigen Abend wohl Ansichtssache war, wer sich als was bezeichnen durfte. Gewinner waren auf jeden Fall all jene, die den Tag im Freien verbringen konnten. Die Deutsche Presseagentur, eigentlich den Fakten verpflichtet, jubelte »Endlich Sommer!«. Aber darunter versteht man in Hamburg ja alles über 20 Grad. Immerhin geht der Sommer heute noch weiter und schwächt sich erst in den kommenden Tagen ab. Gestern wurde bei unseren südlichen Nachbarn gewählt, und zwar nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Österreich. Die Resultate könnten unterschiedlicher nicht sein. Bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Niedersachsen hat die SPD unter Ministerpräsident Stephan Weil völlig überraschend und gegen den Bundestrend um 4,4 Prozent zugelegt und wird mit 37 Prozent erstmals seit 1998 stärkste Fraktion. Sie könnte allerdings ihren bisherigen Koalitionspartner verlieren, denn die Grünen mussten 4,9 Prozent abgeben. Die AfD hat 6,1 Prozent erreicht – und nach den Bundestagswahlen ist man beinahe versucht, »nur« zu schreiben. Die CDU verlor im Gegensatz zur Bundestagswahl nicht so stark und landete – laut ARD-Hochrechnung – mit einem Minus von 2,2 Prozentpunkten bei 33,8 Prozent. Völlig anders sieht das Bild in Österreich aus. Bei den dortigen Nationalratswahlen gab es einen solchen Rechtsruck, dass man schon bald nicht mehr vom »südlichen Nachbarn« sprechen kann. Die konservative ÖVP gewann 7,6 Prozent der Stimmen dazu und hält nun bei 31,6 Prozent. Die rechtspopulistische FPÖ legte um 5,5 Prozentpunkte auf 26 Prozent zu. Immerhin schob sich im Laufe des Wahlabends die SPÖ mit 26,9 Prozent gerade noch an den Blauen vorbei auf den zweiten Platz. Den Regierungsauftrag erhält nun also Sebastian Kurz, 31, der seiner Partei zwar eine schicke neue Farbe (Türkis statt Schwarz) verpasst hat, aber bis zuletzt nicht viel zu seinem Programm sagen konnte. (Der ORF-Anchor Tarek Leitner hat sich hier ebenso redlich wie vergeblich bemüht). Kurz hat es geschafft, den Wahlkampf so auf seine Person zuzuspitzen, dass viele Wähler offenbar völlig vergessen haben, wer seit 1986 durchgehend in der Regierung ist: die ÖVP. Welche Farbkombi die neue österreichische Regierung haben wird, ist noch nicht bekannt. Ob es bei Rot-Schwarz, pardon, Türkis-Rot bleibt oder ob es eine Bündelung der rechten, pardon, konservativen Kräfte geben wird, werden die kommenden Tage zeigen. Rein zufällig soll an dieser Stelle noch der britische Bestsellerautor John le Carré erwähnt werden, der gestern in der Elbphilharmonie im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals mit unserem Kollegen Yassin Musharbash plauderte. Le Carré hält es für die »größte politische Herausforderung der Gegenwart, dass anständige Menschen sich finden müssen.« Und weiter: »Wir haben alle unsere Trümpchen – aber sie sind nur von Bedeutung, wenn wir es ihnen erlauben.« Tja. Bettina Kupsa, die Besitzerin des Chug Club, über den Sie weiter unten lesen, ist übrigens auch Österreicherin. Was sie vom Wahlergebnis hält, ist leider nicht bekannt. Aber viele der knapp 8000 in Hamburg lebenden Österreicher könnten jetzt einen ihrer Tequila-Cocktails vertragen. Glauben Sie mir.
Wenn letzte Wünsche wahr werden Im Kino genießen sterbenskranke Menschen kurz vor ihrem Tod noch einmal das Leben im Überschwang. In der Realität bleiben jedoch viele letzte Wünsche unerfüllt. Das soll nicht sein, dachte sich der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und startete »Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen«. Am Freitag ging das spendenfinanzierte Projekt, das im September 2014 in Essen nach holländischem Vorbild ins Leben gerufen worden war, nun auch in Hamburg offiziell ans Werk. »Wir wollen Menschen, die nur noch eine sehr kurze Lebenserwartung haben, kostenfrei persönliche Wünsche erfüllen – und das kurzfristig«, sagt uns Petra Witt vom Hamburger ASB. Denn bei den Kranken zähle manchmal jede Stunde. Der Wünschewagen ist ein Krankentransporter, dessen medizinische Ausrüstung möglichst dezent versteckt wurde. Die Fahrten werden von qualifizierten Ehrenamtlichen aus dem Pflege- und Rettungsdienstbereich begleitet und sollen idealerweise an einem Tag zu schaffen sein. Welche Touren der Gesundheitszustand des Fahrgastes zulässt, wird in einem Vorgespräch geklärt. Vier Wunschfahrten haben bereits vor dem Startschuss stattgefunden. Eine 57-Jährige wurde in ihr Geburtshaus nach Sankt Peter-Ording überführt, wo sie ihre letzten Lebenswochen bei ihrer Mutter verbringen konnte. »Finanziell hätte die Familie das nicht stemmen können«, erklärt Witt. Und einer 17-Jährigen, die selbst einst leidenschaftliche Tänzerin war, wurde ein Abend auf Kampnagel ermöglicht. Gemeinsame Fotos mit dem Ensemble inklusive. |
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