| Guten Morgen, | | | | Annika Lasarzik/Foto: Gretje Treiber | |
eine Frau wird an einer Bushaltestelle von zwei Männern bedrängt. Einer fasst sie am Arm, es kommt zum Gerangel – die umstehenden Menschen wenden den Blick ab. Unter dem Motto »Hinsehen statt wegschauen« hat das Miniatur Wunderland gestern eine Aktion gestartet, die wohl kaum besser terminiert sein könnte. In kleinen Szenen – die oben beschriebene ist eine davon – wird gezeigt, wie Frauen belästigt werden; ausgestellt sind die Mini-Szenen an touristisch belebten Orten in Hamburg. Passanten sollen das Gesehene fotografieren und ein Foto mit dem Hashtag #hinsehen im Netz teilen. Bis Sonntag läuft die Aktion, die eine Zusammenarbeit mit dem Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« ist. Man wolle sensibilisieren, denn gerade Stalking und sexuelle Belästigungen würden von vielen nicht ernst genommen, sagt Helga Roesgen vom Hilfetelefon. Die Aktion passt in die Zeit. Spätestens seit Trumps »locker room talk« ist eine neue Debatte über Sexismus entbrannt. Dann kommt raus, dass ein Typ wie der Hollywoodproduzent Harvey Weinstein jahrzehntelang Frauen belästigt hat. Die Empörung ist groß. Und ich denke mir: »Müssen wir echt noch mal ganz von vorn anfangen?« Offenbar schon. Gestern schrieb meine Kollegin Sigrid Neudecker hier über Alltagssexismus – und einige Reaktionen waren bezeichnend. Die von Weinstein belästigten Frauen hätten die damit verbundenen »Annehmlichkeiten« immerhin »gern in Kauf genommen«, schrieb ein Leser, zudem würden Männer »oft auch provoziert«, das liege in der Natur der Sache. Und: nicht jede sexuelle Attacke sei zu Beginn ungewollt (und später?). Ein anderer Leser schrieb, Anreize zu den Übergriffen hätten die Frauen gegeben. Heißt: selbst schuld. Diese Kommentare machen mich müde. Müde, weil es immer wieder die Opfer sind, die sich rechtfertigen müssen, denen wahlweise Frivolität, Naivität oder Geltungsdrang vorgeworfen wird. Weil es Männer sind, die Frauen erklären, wie sie sich zu fühlen haben, wann eine Grenze überschritten ist. Weil das Thema schnell als »Gedöns« abgetan, mit süffisanten Andeutungen belegt und im Keim erstickt wird. Weil es Tausende Tweets braucht, um zu zeigen: Hey, das ist kein Einzelfall. Das ist privilegiert: Zu denken, das etwas kein Problem ist, weil man selbst nicht betroffen ist. Es gibt viele sensible Menschen, natürlich auch Männer, die da ganz anders denken, das weiß ich. Dennoch wünsche mir, dass wir alle auf Augenhöhe über ein Thema sprechen können, dass zwar hin und wieder groß in den Medien aufploppt, im Alltag aber tabuisiert wird. Zuhören wäre doch ein guter Anfang.
Verhaltenskodex: Richtig beten an der Uni Ein Kreuz am Hals, Kippa oder Schleier auf dem Kopf sind erlaubt, Vorlesungen, die sich nach Gebetszeiten ausrichten, wird es aber auch in Zukunft nicht geben: Gestern hat die Universität Hamburg einen »Verhaltenskodex zur Religionsausübung« vorgestellt, der »das respektvolle und friedliche Miteinander« beim religiösen Leben auf dem Campus regeln soll – laut Uni-Präsident Dieter Lenzen ist es der bundesweit erste Kodex dieser Art. Zuvor hatte es vereinzelt Beschwerden gegeben: Im Raum der Stille, einem Ort, an dem Studierende aller Konfessionen ihren Glauben ausüben können, war plötzlich ein Teil mit einem Vorhang abgetrennt worden, hinter dem Muslima ihr Gebet verrichteten. Zudem hätten Studierende laut in Lesesälen gebetet und gefordert, dass Mensa-Speisepläne und Seminarzeiten nach religiösen Gepflogenheiten ausgerichtet werden. Zuspruch für die neuen Regeln gab es vom Asta: »Sich diesen Kodex zu geben, geht in die richtige Richtung. Wir betrachten ihn nicht als ein Regelwerk gegen Studierende«, sagte uns Vorstandsmitglied Franziska Hildebrandt. Seit Ende 2016 hat eine zehnköpfige Kommission aus Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen an dem Papier gearbeitet – und das nicht im Elfenbeinturm. So seien die Katholische Hochschulgemeinde, die Islamische Hochschulgemeinde und die Evangelische Studierendengemeinde über die Arbeit der Kommission informiert und dazu gehört worden, erklärte uns Merel Neuheuser, Pressereferentin des Präsidenten. Ob der Vorhang im Raum der Stille inzwischen abgehängt wurde und wie genau die Uni verfahren wird, falls gegen die Regeln verstoßen wird, sei aber noch offen. |
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