Freitext: Jakob Nolte: Sich am Blut labend

 
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06.07.2017
 
 
 
 
Freitext


Sich am Blut labend
 
 
Blutrünstige Männer: Können Film-Regisseure nicht schocken, ohne zum tausendsten Mal die Erzählhoheit über Weiblichkeit und weibliche Sexualität an sich zu reißen?
VON JAKOB NOLTE

 
© Courtesy Everett Collection / action press
 
Es gibt ein in einigen Filmen und Serien verwendetes Bild, das ich beklemmend, fürchterlich und etwas abgedroschen finde. Wenn ich es sehe, überkommt mich eine ungenaue Entrüstung. Das hat man ja manchmal. Ich mag zum Beispiel auch keine falschen Abgänge, also wenn eine Figur so tut, als würde sie zur Tür rausgehen und sich dann im letzten Moment nochmal umdreht was sagt (abgesehen vielleicht von Columbo). Irgendwie ist das unrealistisch und oft schlecht gespielt.
 
Das Bild, von dem dieser Text handelt, ist allerdings ein ganz anderes und viel heiklereres und betrifft bei Weitem nicht nur Fragen der Ästhetik. Es geht um das Zeigen von Blut an der Innenseite weiblicher Schenkel. Oft folgt eine solche Einstellung nach der Darstellung oder Nichtdarstellung einer Vergewaltigung. Man sieht die Beine und nach ein bis zwei Sekunden rinnt ein Tropfen Blut gefolgt von einer Blutspur gen Knie.
 
Wie kaum ein anderes Medium haben Filme meine Idee der Welt geprägt, und anhand von einigen Filmemachern aus dem weiß / männlich-dominierten Top Segment möchte der Frage nachgehen, warum mich diese spezielle Repräsentation so abstößt.
 
Am einprägsamsten wird besagte Szene für mich in Theo Angelopoulos‘ Landschaft im Nebel gezeigt. In diesem grandiosen Film aus dem Jahr 1988 geht es um ein Geschwisterpaar, das auf der Suche nach ihrem Vater durch Europa reist. Einmal werden sie von einem freundlich wirkendem Lastwagenfahrer mitgenommen. Doch dieser Mann zerrt die vielleicht 14-jährige Voula nach der langen Nachtfahrt mit sich in den Frachtraum und sie verschwinden hinter der Plane des Containers. Die Kamera hält ununterbrochen auf den Ort des Verbrechens, während die Zuschauenden nur dunkel ahnen können, welches Leid sich dort ereignet. Zwei Autos halten im Hintergrund, doch fahren dann wieder weg. Zunächst kommt der Lastwagenfahrer, im vagen Bewusstsein der menschgewordene Horror geworden zu sein, hervor und macht sich zurecht und streicht seine Haare nach hinten. Langsam sehen wir Voula hervorkriechen. Sie setzt sich auf den Rand des Frachtraums und ein Schwall Blut strömt unter ihrem Rock hervor. Es tropft an der Ladefläche herab. Sie fasst sich in den Schritt und betrachtet das Blut an ihren Fingern. Danach beschmiert sie den Wagen damit, bzw. wischt es sich ab. Als ich diese Szene zum ersten Mal sah, weiß ich noch, konnte ich nicht einmal weinen, so entsetzt war ich.

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