EU-Haushalt | WiKo-Rektorin | 3½ Fragen an Claus Leggewie | Standpunkt Jan-Martin Wiada: Neue Machtelite?

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
 
   
 
 
 
 
 
 
 
 
   
   
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist Sommer, hurra! Wir entschleunigen daher – wie Sie hoffentlich auch – während der vorlesungsfreien Zeit (aka Sauergurkenwochen) und erscheinen nur einmal wöchentlich am Donnerstag. Urlaubspostkarten von entspannten Professoren, Rektorinnen, Pressesprechern und Doktorand*innen nehmen wir natürlich jederzeit gerne entgegen!

Heute im Programm: Claus Leggewie, der sich zum Monatsende von seinem Job als Leiter des KWI in Essen verabschiedet, beantwortet 3½ Fragen. Und Jan-Martin Wiarda berichtet Neues über die sagenumwobene Professorenmehrheit
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
EU-Haushalt: Weniger Geld für Forschung und Innovation?
Vergangene Woche berieten die EU-Finanzminister über den Haushalt 2018 – und forderten darin eine Kürzung der Ausgaben für Forschung und Innovation um 491,47 Millionen Euro. Die HRK reagiert prompt mit Protest: „Es ist ein trauriger Treppenwitz“, kommentiert HRK-Chef Horst Hippler, dass die Finanzminister die europäischen Zukunftsinvestitionen in Forschung um rund eine halbe Milliarde Euro kürzen wollen, während die EU-Kommission gleichzeitig einen Bericht veröffentlicht, der die Bedeutung von Forschung für den Wohlstand in Europa belegt und stärkere Investitionen anmahnt“. In besagtem Bericht habe eine beauftragte unabhängige Expertengruppe festgestellt, dass zwei Drittel des Wachstums der vergangenen zwanzig Jahre in den Industrieländern auf Forschung und Entwicklung zurückzuführen seien. Auf die Kritik an Brüssel folgt ein Appell gen wahlkämpfendes Berlin, wo CDU und SPD von Bildungsinvestitionen reden. Hippler: „Ich hoffe sehr, dass die Bundesregierung ihre Position nach der Sommerpause im Fortgang der EU-Haushaltsverhandlungen noch einmal überdenkt.“
  
 
 
Columbia University: Keine Vergewaltigung auf der Matratze
Diese Campus-Geschichte ging 2015 um die Welt: Paul Nungeßer, damals Student an der Columbia University in New York, wurde von seiner Kommilitonin Emma Sulkowicz der Vergewaltigung beschuldigt. Bekannt wurde der Fall, weil Sulkowicz monatelang die Matratze, auf der die Vergewaltigung stattgefunden habe, aus Protest über den Campus schleppte – wobei sich ihre Kritik nicht zuletzt gegen die Universität selbst richtete, die ihre Anschuldigung nicht ernst genommen habe. (Wir berichteten damals ausführlich, in der ZEIT 21/2015). Die Columbia und die Polizei hielten damals zwar die Vorwürfe nicht für stichhaltig, entschuldigten sich jedoch nicht bei Nungeßer, der öffentlich geschmäht wurde. Jetzt findet der Fall seinen Abschluss – die Columbia hat sich offiziell entschuldigt. Beide Parteien haben sich auf einen Vergleich geeinigt. – Siehe auch unsere aktuelle Ausgabe, S. 61.
  
 
 
„Kill this job before it can multiply“
Aus der Reihe: „Stellenausschreibungen from hell“: Die University of Illinois, Chicago sucht eine/n „Visiting Lecturer-German Basic Language Program Director“. Klingt toll! Die Aufgaben: „The Director will coordinate 14 sections in the blended basic German language sequence (first through fourth semester), supervise and train about 10 teaching assistants, teach three advanced language and culture courses, and participate in departmental events, such as the High School Day.“ Und dann: „Currently this is a 67% position for $28.000 and benefits are prorated.“ Eine furiose, absolut lesenswerte Skandalisierung dieser Art von „Job“ schreibt die Kolumnistin Rebecca Schuman auf ihrem Blog „Pan kisses Kafka“. Zentraler Absatz: „Now, what to do? Simple. Nobody apply for this job. Do not apply for this job. Do not. Do not do it. Do not give this job the dignity of existing. Do not give people who think it’s acceptable to advertise a job like this, that pays so little and asks so much, even the slightest hint of legitimacy. Kill this job before it can multiply.“
  
 
 
Personalreförmchen
...über schlecht bezahlte, prekäre Stellenkategorien können auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland ein Lied singen. Gerade erst hat die Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen den Umgang der Hochschulen mit Lehrbeauftragten kritisiert (Deutschlandfunk). Und im Laborjournal bloggt Björn Brembs, Professor für Neurogenetik an der Uni Regensburg, über unzureichende „Reförmchen“ in Sachen Befristungen.
  
 
 
Maryam Mirzakhani
Sie war die erste Frau, die mit der begehrten Fields Medal ausgezeichnet wurde – und ein Role Model vor allem für viele junge Wissenschaftlerinnen. Jetzt ist die Mathematikerin Maryam Mirzakhani mit nur 40 Jahren an Krebs gestorben. Von den vielen Nachrufen empfehlen wir jenen aus dem New Yorker.
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Eine Rektorin für das WiKo
Toller Ausgang der eher langwierigen Berufungsverhandlungen am Berliner Wissenschaftskolleg: Barbara Stollberg-Rilinger (noch: Universität Münster), wird neue WiKo-Rektorin. Die vielfach gewürdigte Frühneuzeithistorikerin (u.a. Leibniz-Preis; Sigmund-Freud-Preis; Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse – siehe ZEIT 11/2017) folgt zum 1. September 2018 auf Luca Giuliani, der weiterhin Permanent Fellow am WiKo sein wird.

Mlynek wieder an der HU
Ehrenrunde für Jürgen Mlynek in vertrautem Habitat: Der ehemalige Präsident der Humboldt-Universität (2000 bis 2005) kehrt in der Rolle als Kuratoriumsmitglied zurück an die HU. Der Akademische Senat wählte ihn in nicht-öffentlicher Sitzung. Mlynek, der von 2005 bis 2015 auch Präsident der helholtz-Gemeinschaft war, folge auf Rolf Emmermann und übernimmt damit vermutlich den Vorsitz des Gremiums, berichtet der Tagesspiegel.

Neuer Rektor an der HTW Karlsruhe
Stoßseufzer aus Karlsruhe, von der dortigen Hochschule für Technik und Wirtschaft. Schon im März war Ex-Rektor Karl-Heinz Meisel in den Ruhestand getreten, darauf folgten zwei geplatzte Bewerbungsrunden. Jetzt ist ein Nachfolger gefunden: Frank Artinger (SWR) ist neuer Rektor; seit 2014 war der Informatiker Vorsitzender des Aufsichtsrats der cjt Systemsoftware AG in Karlsruhe.

Deutscher Studienpreis
Hurra-Stimmung bei den Youngsters – zumindest bei jenen, die mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung 2017 geehrt werden: der Materialforscher Volker Strauss (Universität Erlangen-Nürnberg), der Historiker Sebastian Schlund (Universität zu Kiel) und die Politologin Julia Strasheim (Universität Heidelberg / GIGA German Institute of Global and Area Studies). Glückwunsch!

Job: Humboldt-Stiftung
An alle, deren Herz bei den Stichworten Physik, Mathe, Ingenieurswissenschaften höherschlägt, die aber selbst nicht im Labor abtauchen wollen: Wir haben da was für Sie. Genauer: Die Humboldt-Stiftung. Die sucht nämlich zwei Referentinnen (m/w) in besagtem Referat, 1x Vollzeit, 1x Teilzeit. Mehr Details im ZEIT-Stellenmarkt!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Claus Leggewie

Bis Juli 2017 Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI), Essen, und des Centre for Global Cooperation Research in Duisburg. Künftig Inhaber der Ludwig Börne-Professur an der Universität Gießen 
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass politische Einstellungen, Haltungen, Präferenzen noch weit stärker von normativen und weltanschaulichen Positionen bestimmt sind, als wir ohnehin angenommen haben. Der Raum des Politischen ist voller Möglichkeiten.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Die Fokussierung auf entscheidende Fragen und der Abschied von der opportunistischen Bürokratensprache der Förderanträge. Wissenschaft ist kein Unternehmen.

Lektüre muss sein. Welche?
Nicht nur für Biografieforscher, auch zur Schärfung des Möglichkeitssinns: Paul Auster 4321, New York 2017

Und sonst so?
Tätige Solidarität mit verfolgten und verdrängten WissenschaftlerInnen weltweit!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Neue Machtelite?
Baden-Württembergs grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat ein Problem. Der Verfassungsgerichtshof will, dass sie das Landeshochschulgesetz ändert. Die Professoren, fordern die Richter, müssen mehr Macht bekommen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, eine/n unliebsame/n Rektorin aus dem Amt zu entfernen.
Bislang müssen Hochschulsenat und Hochschulrat jeweils mit Zwei-Drittelmehrheit für die Demission votieren, das Ministerium obendrein zustimmen. Widerspricht der Wissenschaftsfreiheit, befanden die Stuttgarter Verfassungsrichter vergangenen Herbst, die Professoren seien die entscheidenden Akteure an den Hochschulen, und wenn sie sich einig sind, müssen sie allein die Kündigung aussprechen können.
Sind die paar gewählten Professorenvertreter (an der Uni Heidelberg zum Beispiel derzeit 8 von 39 Senatsmitgliedern) die neue Machtelite an den Hochschulen? Und was macht das mit dem Mut der Rektoren, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sich in zwei Mittagspausen eine Abwahl-Mehrheit organisieren ließe?
Sie wolle produktiv auf das Urteil reagieren, hatte die Ministerin gesagt. Jetzt zeichnet sich ab, was das für sie bedeutet. Bauer plant offenbar eine so genannte Ur-Abwahl: Alle Professoren einer Hochschule wären stimmberechtigt, nicht nur die Senatsmitglieder.
Eine solche Lösung würde nicht nur dem Urteil Genüge tun, sie würde zumindest ein Stückweit den Widerspruch auflösen zwischen dem berechtigten Anspruch, mehr Mitsprache an den Hochschulen zu ermöglichen, und Hochschulgremien, die sich allzu oft im Klein-Klein der Statusgruppen zu erschöpfen scheinen. Allerdings – wie gesagt – nur mehr Mitsprache für die Professoren. Man werde auch nach geeigneten Wegen suchen, um die Stimme der Doktoranden deutlicher in den Senat einspeisen zu können, verspricht Bauer, bleibt aber im Vagen.
Trotzdem ein Vorbild für andere Bundesländer? Auf jeden Fall eine gute Gelegenheit zum Diskutieren.
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
– oder twittern Sie unter #ChancenBrief
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Unser Lehrer, Doktor Blex Im Gymnasium unterrichtete er Mathe und Physik, jetzt wettert Christian Blex als AfD-Abgeordneter gegen Flüchtlinge und grüne Politik. Die Geschichte einer Radikalisierung, aufgeschrieben von seinem ehemaligen Schüler Christian Schweppe

Im Zweifel für den Selbstzweifel Das antiautoritäre Bildungsideal hat die Neue Rechte groß gemacht – so argumentierte vergangene Woche an dieser Stelle unser Autor Yascha Mounk. Diese These ist so bequem wie falsch, meint Maximilian Probst "Politik wird überschätzt" Die Mehrheit der Republikaner betrachtet die amerikanischen Universitäten als Gefahr. Der Soziologe Neil Gross erklärt, warum Die Musterschüler In der Türkei gelten die Gülen-Anhänger als Verräter. Nun machen sie Deutschland zu ihrem neuen Zentrum Keine Vergewaltigung auf der Matratze Wie sich eine US-Uni nach jahrelangem Streit bei einem deutschen Studenten entschuldigt

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Aus dem jährlichen Foto-Wettbewerb „Research as Art“ der University of Swansea

Quelle: University of Swansea / via The Conversation
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Bis nächsten Donnerstag!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: