| | © Andreas Rentz/Getty Images | Die Populisten, ach – wir haben uns doch inzwischen schon fast an sie gewöhnt. Ihre Peinlichkeiten, Entgleisungen, irren Ansichten sind Alltag. Sie beginnen uns zu langweilen. Zumindest sind wir uns einig, wie am besten mit ihnen umzugehen ist: Wir machen uns über sie lustig. Einerseits erregen wir uns zwar weiterhin und vollkommen zu Recht über ihre Forderungen, ihre Vorhaben und – wo sie an der Macht sind – ihre Entscheidungen. Andererseits – was für Idioten! Donald Trump ist natürlich ihr Obertrottel. Längst gibt es ganze Witze-Seiten über ihn im Netz.Doch ist nicht überhaupt in unserer Stimmungsdemokratie ein gewisser Überdruss zu beobachten? An der politischen Analyse zum Beispiel. Anstatt vermehrt darüber nachzudenken, wie es soweit kommen konnte, dass weltweit derart viele Menschen wieder empfänglich geworden sind für nationalistische, rassistische, antidemokratische Ressentiments rechtsreaktionärer Demagogen, erklären wir sie schlicht für Dummköpfe, zu denen wir aufgeklärten Durchblicker jedenfalls ganz bestimmt nicht gehören. So wissen wir wenigstens, auf welcher Seite wir stehen – und immerhin das ist ein gutes Gefühl in diesen unguten Zeiten. Menschenverachtende Ressentiments sind und bleiben aber objektiv und auf ewig unerträglich. Deshalb hatte ich spätestens nach Trumps Wahlsieg etwas anderes erwartet (oder sollte ich besser sagen: erhofft?) als ein bisschen allgemeine Empörung, jede Menge Witze und die wohlfeile Wiederholung der immer gleichen Formel von den primitiven Antworten der Populisten auf komplexe Fragen. Nämlich das Einsetzen schon lange überfälliger Selbstkritik. Denn salonfähig wurde der Populismus nicht erst durch rechte Verführer, sondern durch die Rhetorik etablierter Parteien. Seit Jahrzehnten richten sie zunehmend ihr strategisches Augenmerk auf die Emotionalisierung politischer Inhalte. Und um Wählerstimmen zu gewinnen, ist es Usus geworden, die öffentliche Meinung durch Stimmungsmache zu beeinflussen. Man drückt sich vor unpopulären Stellungnahmen. Lieber trauert und feiert man mit dem „Volk“, ist gemeinsam mit ihm betroffen, fassungslos, erzürnt und fröhlich. Aber die Parolen, die man ausgibt, sind nicht weniger schlicht, werden den komplexen Fragen nicht besser gerecht. Politische Rhetorik ist so alt wie die Demokratie. Doch heute scheint sie die Meinungsbildung zu dominieren, die Auseinandersetzung um Argumente zu ersetzen. Liberalen Populismus nennt Bernd Stegemann in seinem Buch Das Gespenst des Populismus. Ein Essay zur politischen Dramaturgie (Theater der Zeit, 2017) diese politische Praxis. Und er geht darin ihren Wechselwirkungen mit dem Rechtspopulismus nach. Denn in der Postdemokratie arbeiten auch die vermeintlichen Verfechter der offenen Gesellschaft ständig mit unterschwelligen, persuasiven Wertungen, um ihre Absichten unter einer Oberfläche sachlicher Information zu verstecken. Sie sprechen zum Beispiel von Freiheit, wenn sie die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen meinen, es also vor allem um die Freiheit der Unternehmen gegenüber den Ansprüchen ihrer Beschäftigten geht. Oder sie fordern individuelle Freiheiten ein, geben sie als Abbau staatlicher Kontrolle oder verbraucherfreundliche Wahlfreiheit aus, um gleichfalls in erster Linie die Macht der Konzerne zu stärken. Die positive Aufladung des Begriffs wird beibehalten, seine Bedeutung verdreht. Gleichzeitig wird die rhetorische Umwertung demokratischer Werte flankiert von einer Rhetorik der Alternativlosigkeit, nach der die ökonomische Globalisierung und die Logik des Marktes als gleichsam naturgegeben hinzunehmen sind. Rechtspopulisten legen den Finger in unsere Wunden Auf diese Weise ist aus einem von demokratischen Grundprinzipien abgeleiteten moralischen Anspruch der Dünkel jener geworden, die die Deutungs- und Diskurshoheit für sich beanspruchen und glauben, auf politische Transparenz zugunsten populistischer Statements verzichten zu können. Alle anderen, die diesen zum Dünkel erstarrten Anspruch nicht teilen, sind nicht weiter ernst zu nehmen, also lässt man ihre Empörung „in der allgemeinen Erregbarkeit der öffentlichen Meinung untergehen“. Exakt hier setzen laut Stegemann die Strategien des Rechtspopulismus an, die wiederum auf den liberalen Populismus scheinbar sachlicher Überredung und die Tabuisierung angeblich nicht zu hinterfragender Gegebenheiten mit verstärkter Lust an der Formulierung radikaler Positionen reagieren. Insofern legen Rechtspopulisten durchaus den Finger in die Wunde postdemokratischer Debattenkultur, wenn sie erklären, dass „auch diese Technik nur eine raffinierte Spielart des politischen Sprechens“ ist. Trumps befremdlicher Ausspruch „You are fake news“ meinte vermutlich genau dies.
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