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aus gegebenem Anlass noch ein Wort zum Stau. Dessen Vorhandensein (»Immer dann, wenn ich zu meiner Oma will«), Entstehen (»Wir alle sind der Stau!«) und Bedeutung (»Ein Zeichen, dass unsere Welt aus den Fugen gerät«) hat viele von Ihnen beschäftigt. Einige, die uns mailten, waren auch bereit, sich mit dem Phänomen Stau anzufreunden, statt es zu bekämpfen. »Wie wäre es«, schrieb Leser Heiner Brock, »den ›Deutschen Autobahnstau‹ zum Weltkulturerbe anzumelden? Denn hier handelt es sich um ein einzigartiges deutsches Phänomen, das jeder Urlauber bestätigen kann, der in den europäischen Ländern unterwegs ist: Ob Frankreich, Spanien, Niederlande, Polen – überall rollt der Verkehr. Doch kaum erreicht man eine deutsche Grenze, ist es damit vorbei ...« Was seien schon Welterbestätten, fragt Brock, wie das Kloster Maulbronn oder prähistorische Pfahlbauten in den Alpen gegen die urdeutsche Errungenschaft Stau? »Den Deutschen Autobahnstau kennt jeder: Er ist eine Institution. Und die Anerkennung gäbe jedem Autofahrer (und den Mitfahrern) das gute Gefühl, Teil eines Weltkulturerbes zu sein...« Irene Sonntag aus Pinneberg machte sich dagegen Gedanken, wieso Hamburg derzeit verkehrstechnisch alles tut, um sich von seinem Umland abzukoppeln: »Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, es mache sich eine neue Form von Isolationismus breit?« Die Staus auf den Autobahnen, die Baumaßnahmen bei der Bahn samt deren alternativen Routenvorschlägen, der Wasserrohrbruch in der Amsinckstraße, all das halte die Bewohner anderer Bundesländer davon ab, nach Hamburg zu fahren. »Das sind ziemlich effektive Maßnahmen zur Abwehr unerwünschter Schleswig-Holsteiner«, schreibt Leserin Sonntag. »Meinen Sie, Herr Trump könnte und sollte sich daran ein Beispiel nehmen?«
Bevor sich die Schleswig-Holsteiner nun revanchieren, werde ich schnell noch ein bisschen Weltkulturerbe besichtigen. Am Montag begrüßt Sie hier meine Kollegin Kathrin Fromm.
G20: Offene Rechnungen und schleppende Aufklärung
Die Aufarbeitung des Polizeieinsatzes zu G20 läuft – nach Ansicht der Opposition jedoch nicht schnell genug. Nun droht auch die FDP mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss: »Wir erwarten von Senat und Regierungsfraktionen jetzt endlich echten Aufklärungswillen«, schreibt die Fraktionsvorsitzende Katja Suding mehr als eine Woche nach der ersten Sondersitzung »Ist diese Bereitschaft nicht erkennbar, werden wir uns vorbehalten, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu fordern.« Die Zahl der Ermittlungen gegen Polizeibeamte ist derweil auf 49 gestiegen. In 41 Fällen geht es dabei um den Verdacht der Körperverletzung im Amt, doch auch Vorwürfen von Nötigung, sexueller Belästigung, Beleidigung und der Verletzung des Dienstgeheimnisses geht die Staatsanwaltschaft nach. In Untersuchungshaft befinden sich aktuell noch 35 Menschen – 15 wurden bereits wieder entlassen. Mit der Strafverfolgung ist es aber nicht getan. Unlängst machte sich die Handelskammer für eine umfängliche Entschädigung betroffener Ladenbesitzer stark, nun möchte auch das Lustspielhaus Alma Hoppe Kompensation. Die Kabarettisten präsentieren dem Senat eine saftige Rechnung: 8500 Euro seien ihnen entgangen, weil Gäste wegen G20 ihre Reservierungen stornierten. (Sollten auch Sie finanziell gelitten haben, etwa durch den vermehrten Kraftstoffverbrauch Ihres Autos im durch Sperrungen verursachten Stau, oder lieferte DHL das Paket von Tchibo mit den ersehnten neuen Handtüchern einfach nicht aus, das Paket ging ohne Benachrichtigung zurück und die Handtücher sind nun vergriffen – haben auch Sie auch schon mal an Erstattungsforderungen gedacht, egal, an wen?) Offen sind auch nach wie vor die Aufarbeitung der Krawalle und die Suche nach Tätern. Ob das tatsächlich alles Autonome waren, unpolitische Gelegenheitszündler oder gar Neonazis, wie vermehrt behauptet wird – dazu macht die Staatsanwaltschaft noch keine Aussagen. Für etliche Politiker steht dennoch fest, dass die Übeltäter in der Roten Flora zu finden seien. Warum es trotzdem schlecht wäre, das Haus zu schließen, erläutert Ulrich Greiner in der aktuellen ZEIT:Hamburg oder hier. Die Floristen selbst arbeiteten derweil das angeknackste Verhältnis zur Nachbarschaft auf, wie etwa die Mopo berichtete: Als Zeichen des Friedens pflanzten ein paar von ihnen gestern Olivenbäume aufs Dach und ließen weiße Tauben gen Himmel aufsteigen. Für leichte Irritation sorgte, dass dabei auch ein Werbebanner eines Pflanzenversandes aufgehängt wurde. War etwa alles, ALLES nur ein aus dem Ruder gelaufener Werbegag? – nein, undenkbar!… |
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