Sage mir, was du fährst und ich sage dir wer du bist: Lange hat die deutsche Autoindustrie Milliarden damit verdient, dass viele Kunden an diesen Slogan glaubten und ihren BMW, Daimler, Porsche oder VW eben nicht nur als Fortbewegungsmittel begriffen, sondern als Ausdruck ihr selbst. Viele Autos waren Statussymbole, Marken, auf die ihre Besitzer stolz sein konnten. Denn da schien nicht nur das Design zu stimmen, sondern auch die Technik unter der Motorhaube. Und umweltfreundlicher als andere schienen sie schließlich auch noch, jedenfalls die Diesel. Ein Auto made in Germany hatte einen guten Ruf, weltweit.
Der Verdacht, dass die deutschen Autoindustrie ein Kartell gebildet haben könnte, erschüttert all dies zutiefst. Denn wenn er stimmt, hätten Vorzeigeunternehmen nicht nur wie bereits bekannt bei den Abgaswerten ihrer Wagen betrogen. Dann hätten sie auch gemeinschaftlich Preise und Technik abgesprochen und die Abgasreinigung wissentlich schlechter gemacht als möglich. Und das nur zu dem einen Zweck: Um möglichst lange mit dreckigen Dieseln viel Geld zu verdienen.
Es wird noch dauern, bis dies alles belegt oder verworfen werden kann. Doch schon der Verdacht ist fatal, und das gleich aus mehreren Gründen. Erstens passt er ins Bild von Autobossen, denen Luft, Klima und die Gesundheit der Menschen völlig egal sind. Zweitens erschüttert er das Image einer Industrie, die sich bisher ihrer Innovationskraft rühmte und legt nah, dass ihre Manager viel zu viel Energie ins Betrügen steckten und viel zu wenig in die Verbesserung der Produkte. Und drittens kann er schwere Folgen für das Autoland Deutschland und damit für die Jobs und den Wohlstand haben.
Der Dieselskandal ist das perfektes Argument für viele Regierungen, Autos mit Verbrennungsmotor im Allgemeinen und Diesel im besonderen künftig zu verbieten.
Frankreich und England haben gerade verkündet, dass sie ab 2040 keinen Verbrennungsmotor mehr wollen. Weitere Regierungen werden bald folgen, wahrscheinlich mit noch näher liegenden Daten. Das wiederum hilft der gerade weltweit entstehenden E-Auto-Industrie, die begierig darauf hin arbeitet, die Vormacht der deutschen Autoindustrie zu brechen. Den amerikanischen, japanischen und chinesischen E-Autobauern hätte also gar nichts Besseres passieren können als dieser Skandal. Denn jetzt ahnt alle Welt, dass die Überlegenheit von Daimler, VW und Co auf dem Automobilmarkt zumindest teilweise ein Bluff war. Dass der Diesel Vergangenheit ist und man morgen andere Fahrzeuge oder besser noch andere Mobilität braucht.
Zu spüren ist das schon jetzt: Der E-Autobauer Tesla ist bereits heute an der Börse mehr wert als BMW, zumindest Aktienkäufer erwarten also hippe Produkte eher von dem amerikanischen Unternehmer und nicht von den deutschen Autoherstellern. Sicher haben die immer noch gute Chancen, bei der E-Mobilität und bei den Hybriden mitzuspielen. Aber sie werden kämpfen müssen – und zwar nicht nur gegen den Imageverlust, niedrigen Erwartungen und die Enttäuschung vieler Kunden. Sondern auch dagegen, dass ausgerechnet in ihrem Heimatland eben kein politisches Klima herrscht, dass Innovationen anregt. Sondern dass hier im Gegenteil die viel zu große Nähe von Autoindustrie und Politik eher das Kungeln erleichtert. Dass ausgerechnet diese Bundesregierung zu sehr und zu lange über Betrügereien hinweggesehen hat.
Erklären kann man das. Getrieben hat alle die Angst vor dem Wandel. Der aber wird nun umso brutaler zuschlagen. Denn der Wettbewerb um die saubere Mobilität von morgen ist jetzt offen. Weltweit. Für Deutschlands Autofirmen ist das keine gute Nachricht. Eine sehr gute aber für all die Menschen, die endlich auch in den Städten eine saubere Luft atmen wollen.