Um es in die Liste berühmter Paare zu schaffen, muss die richtige Dosis von Talent auf Temperament treffen. Das war bei Asterix und Obelix so, bei Delling und Netzer und bei Aronal und Elmex. Die Erfahrung zeigt, dass eine Spur Wahnsinn hilfreich dabei ist, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit in Atem zu halten. Elizabeth Taylor und Richard Burton haben sich geküsst und gehasst, geliebt und im nächsten Moment Schnapsflaschen am Schädel des anderen zertrümmert. Generationen von Vorschulkindern in aller Welt lernten an Ernie und Bert, dass der Zunder in der Zweierbeziehung dadurch zwirbelt, dass man nach der Devise agiert: Necken bis die Stimmung kippt. Beliebte Paare zeichnen sich dadurch aus, dass sie als Einheit handeln und trotzdem zwei Solisten bleiben. Seit ihrer Parteigründung entsenden die Grünen ein Paar in den Wahlkampf. Erwähnenswert an dem Zweierprinzip ist, dass es sich dabei um die erste Nachkriegspartei handelt, die das Thema Geschlechtergerechtigkeit nicht nur als Programmatik vor sich her trug, sondern das Prinzip vorlebte, indem sie jedes Amt mit Politikern beider Geschlechter besetzte. Nun ließe sich lang und breit diskutieren, ob die Benachteiligung der Frauen dadurch aufgehoben worden ist, indem man jeder Frau einen Mann zur Seite stellt – oder umgekehrt – und ob es nicht mutiger gewesen wäre, im Wechsel eine Frau und einen Mann aufzustellen. Man kann aber auch einfach davon ausgehen, dass dieser Aspekt bei der Parteigründung ausgiebig erörtert wurde. Die meisten Wahlforscher sind sich einig darüber, dass Wähler nicht nach Parteiprogrammen sondern nach Personen und aktueller Stimmung wählen. Also kann man auch bei einem grünen Spitzenduo getrost die Frage stellen, wie wählbar wirken sie denn so? Also als Paar? Dieses Mal besteht das Team, das den Bundestagswahlkampf anführt aus Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir. Davon waren es Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt. Davor waren es Renate Künast und Jürgen Trittin. Und da steht man schon vor dem ersten Problem bei den Grünen. Es handelt sich um derart viele Paarungen, dass man sich nie ganz sicher ist, wer welches Amt ausführt. War Claudia Roth damals nur Vorsitzende oder auch Spitzenkandidatin? Und bei Fischer und Dingsbumms war wer noch einmal was? Im Originalsprech der Grünen hieße es übrigens "Derjürgen", "Dierenate", und so fort. Göring-Eckardt und Özdemir. Was soll man sagen? Leider hat Özdemir keinen doppelten Nachnamen, dann würde es lustiger klingen. Göring-Eckardt und Özdemir-Karamustafasüleymanoğlu. So kommt das alles natürlich niemals an Kramp-Karrenbauer heran. "Diekatrin" und "Dercem" Bei parteipolitischen Paaren, die sich auf der Grundlage von gesellschaftspolitischen Anliegen zusammengefunden haben, gibt es einfach keinerlei Aufsehen erregendes Moment. Es ist wie bei einer arrangierten Ehe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie geschlossen wurde. Sie soll funktionieren. Diese Kolumne ist damit an ihrer selbstgestellten Aufgabe, nämlich Wirkung und Wesen der Wahlkämpfer als Paar zu rezensieren, bereits gescheitert. Denn um Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt als Ensemble zu betrachten, müssten sie auch als Paar auftreten. Sie sind aber nie "Diekatrinunddercem" sondern immer nur "Diekatrin" und "Dercem". Und in den Talkshows sitzt stets Simone Peter, die mit Cem Özdemir das Amt der Parteivorsitzenden ausübt. Auf einer theoretischen Grundlage sind die beiden stimmig, weshalb es nicht schwierig ist, gute Argumente für ihren gemeinsamen Antritt zu finden. Allen voran die Tatsache, dass sie ziemlich genau das verkörpern, was die Partei ist. Nämlich der Zusammenschluss der einstigen Friedens- und Umweltbewegung aus dem Süden des Landes und der ehemaligen DDR-Bürgerrechtsbewegung. Özdemir ist gebürtiger Schwabe und Göring-Eckardt stammt aus Thüringen. Sie vertreten mit ihren Biografien viele Randgruppen der Gesellschaft. Die gläubigen und organisierten Christen genauso wie die atheistischen Türken, die Geschiedenen und diejenigen, die binationale Ehen schlossen. Sie sind gemeinsam working class children und Bürgerkinder. Doch sie schlagen kein Kapital daraus. Das ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Özdemir achtet sehr genau darauf, nicht als Sprecher irgendeiner Ausländerklientel wahrgenommen zu werden, was nicht leicht ist, denn die Diversitätsquoten in der deutschen Parteienlandschaft sind verheerend niedrig, und es gilt allgemein die Kultur, dass ein Deutscher mit türkischen Eltern stets als Türke wahrgenommen wird, wohingegen ein Deutscher mit polnischen Eltern nie Rechenschaft über polnische Politik abgeben muss. Feind in den eigenen Reihen Es hat eineinhalb Jahrzehnte seines Berufslebens gebraucht, bis Özdemir nicht mehr Stellung zur Türkeipolitik nehmen musste. Er stolperte sich durch die Begrifflichkeiten – anatolischer Schwabe, schwäbischer Anatole, Bindestrich-Identität – und bot im Lauf der Jahre allerhand Etiketten für sich an. Trotzdem wird er, der mittlerweile selbst Familienvater ist, oft vorgestellt, als sei er ein Schulkind, das von seinen Eltern in die Talkshow begleitet wird: Özdemir, der Sohn zweier aus der Türkei stammender Blabla. Neuerdings schwäbelt er wieder. Das tat er früher nicht. Katrin Göring-Eckardt ist mit großer Leidenschaft Christin. Sie wollte ursprünglich Theologin werden. Als sie Vizepräsidentin des Bundestages war, war sie zeitgleich auch Präses der Synode der EKD, eine Art Kirchenparlament. Irgendwie ist das in Deutschland Alltag geworden. Dass man aktives Mitglied der Kirche ist und ein Mandat für ein Parlament hat. Die Auswirkungen konnte man wieder schön bei der jüngsten Debatte über die Ehe für alle sehen. Eine Reihe von Politikern belegten ihre Definition über Familie und Elternschaft mit Bibelzitaten. Das war lange Zeit bei den Grünen ein Riesentabu. Irgendwann fing Winfried Kretschmann an, für die Kanzlerin zu beten und auch Katrin Göring-Eckardt nahm die Bibel zur Hilfe und adressierte in Seehofers Richtung, dass Nächstenliebe im Christentum keine Obergrenzen kenne. Die Kanzlerin schaltet ab Damit wären wir bei der zweiten großen Besonderheit der Partei. Dass sie im Widerspruch mit sich selbst lebt. Der größte Feind der Grünen sitzt immer in den eigenen Reihen. Wer hätte jemals gedacht, dass es eines Tages unter einer grünen Landesregierung zur Selbstverständlichkeit werden würde, Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen? Oder dass man sich selbstverständlich im Kontext einer schwarz-gelben Landesregierung sieht. Die Grünen leben in erster Linie in Opposition mit sich selbst. Ihr Dilemma besteht darin, dass sie die guten, zukunftweisenden Ideen haben, aber wenn sie von anderen Parteien durchgesetzt werden, erinnert sich niemand mehr daran, dass es die Grünen waren, die den Kampf anführten. Besonders tragisch war dabei die vergangene Woche. Man beschloss auf dem Grünenparteitag die Ehe für alle als Koalitionsvereinbarung. "Todessehnsucht" titelten die Zeitungen, was eine Albernheit sondergleichen ist. Denn wenn man als Menschenrechtspartei gewinnen will, muss man ja auch einmal im Leben etwas für eine Minderheit fordern, statt einer Mehrheit etwas zu verbieten. Leider konnten die Grünen genau zwei Minuten lang heldenhafte Avantgarde sein. Keine paar Tage später wurde die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare en passant verabschiedet. So war es also wieder einmal die Kanzlerin, die wie zuvor beim Holterdiepolterausstieg aus der Kernkraft den Grünen die lebensverlängernden Maßnahmen abschaltete. Nächste Woche wieder Doppelnachdenken. Dann über Sahra W. und den – verflixt, wie hieß er noch gleich, der andere von der Partei Die Linke?
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