Freitext: Michael Ebmeyer: Die Monster sind wach

 
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11.10.2017
 
 
 
 
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Die Monster sind wach
 
 
Spaniens Ministerpräsident Rajoy hat die katalanische Krise selbst ausgelöst. Vor mehr als sieben Jahren. Die aktuellen Vorgänge erinnern schmerzhaft an die Franco-Diktatur.
VON MICHAEL EBMEYER

 
Katalanische Separatisten gegen rechte Nationalisten in Valencia am 9. Oktober (© Jose Jordan/AFP/Getty Images)
 
Carles Puigdemont hat es nicht ganz lassen können. Als Präsident der Generalitat, der Regionalregierung in Barcelona, hat er am Dienstagabend die Unabhängigkeit Kataloniens verkündet – und sie zugleich ausgesetzt, um erst einmal einen „Prozess des Dialogs“ zu eröffnen. Er gab sich alle Mühe, besonnen und friedfertig zu klingen.
 
Doch vergebens: Für die Regierung in Madrid bedeutet Puigdemonts Erklärung, dass sie weiter ihrer Logik der Eskalation folgen kann. Sie hat sich ein Arsenal an Zwangsmaßnahmen gegen die abspenstigen Katalanen zurechtgelegt und droht nun damit, sich auf Artikel 155 der spanischen Verfassung zu berufen, der die katalanische Selbstverwaltung formell außer Kraft setzt – nachdem sie faktisch schon in den vergangenen Wochen großenteils entzogen wurde.
 
Der nächste Akt des Dramas spielt sich dann auf den Straßen ab. Und wenn Ministerpräsident Mariano Rajoy dabei weiter den harten Hund gibt, riskiert er nicht nur die Abspaltung Kataloniens. Auch im Rest Spaniens könnte es zu tiefen Verwerfungen kommen.
 
Am 1. Oktober gewann die katalanische Unabhängigkeitsbewegung die Schlacht der Bilder: Polizisten in Kampfmontur prügeln auf Wehrlose ein, weil diese bei einem verbotenen Referendum abstimmen wollen. Solche Szenen kommen in Europa schlecht an und rufen in Spanien Erinnerungen an die Franco-Diktatur wach. Sodass sich plötzlich nicht mehr die Independentistes zu verzocken schienen, sondern die spanische Regierung.
 
Rajoy sah keinen Grund einzulenken. Seinen Innenminister ließ er bekräftigen: „Es gibt niemanden in der Regierung, der das Handeln der Polizei nicht billigt.“ Und er selbst sang nur umso lauter sein Mantra von der Verfassung, die es gegen die Separatisten zu verteidigen gelte, und von der unantastbaren staatlichen Einheit Spaniens. Der König sekundierte ihm mit einer Ansprache, in der er die Polizeigewalt unerwähnt ließ und sich ausschließlich an diejenigen seiner Untertanen wandte, die den katalanischen Independentisme ablehnen.
 
Diese Inszenierung – der Ministerpräsident als weißbärtiger Staatsmann in stürmischer Zeit, unterstützt vom Monarchen – zeigte durchaus Wirkung. In der internationalen Berichterstattung war von den Knüppeln beim Referendum nun kaum noch die Rede. Dafür schienen die Zuschreibungen von Gut und Böse in der Katalonienkrise wieder klar zu sein: Die Übeltäterin ist die katalanische Regionalregierung auf ihrem Kamikaze-Ritt zur Unabhängigkeitserklärung.

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