#WÖM | Fhs: Mehr Studierende, weniger Drittmittel | 3½ Fragen an Sandy Schumann | Gastkommentar Oliver Günther: Plädoyer für den Tenure Track

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
bei uns in Hamburg geht's diese Woche zur Sache, mit G20. Wir atmen durch, beobachten aus dem Pressehaus die Lage und vertiefen uns bei Hubschrauberlärm in die Wissenschaftspolitik... – mit Oliver Günther, dem Präsidenten der Uni Potsdam, der im Gastkommentar vor Taschenspielertricks beim Tenure-Track warnt. Und mit Sandy Schumann vom UCL, die im Fragebogen zu Gloria Steinem rät.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Alles #WÖM, oder was?
Wissenschaftskommunikation – inzwischen ein echter Umbrella Term, der alles versammelt, was irgendwie mit Pressearbeit an Hochschulen, Wissenschaftsjournalismus in den Medien, mit twitternden Professoren und Filterblasen bei Facebook zu tun hat. Die Wissenschaftsakademien haben jetzt ein Papier veröffentlicht, das einen Weg weisen soll: „Social Media und digitale Wissenschaftskommunikation“ (hier als PDF). Die Empfehlungen werden von den Keyplayern in den Sozialen Medien flammend diskutiert; wir empfehlen das Portal wissenschaftskommunikation.de: hier gibt es einen Tweet-Überblick; Kommentare und Einordnungen von Markus Weißkopf (Wissenschaft im Dialog), Lars Fischer (Spektrum); Annette Leßmöllmann (KIT); Henning Krause bloggt für Helmholtz; bei Scienceblogs gibt es eine Linkliste. Zugehörige Hashtags: #WÖM und #Wisskomm.
  
 
 
FH: Mehr Studierende, weniger Drittmittel
Hinter dem Kürzel AKL verbirgt sich: der „Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich“. Die Formel also, wer, was und zu welchen Bedingungen forscht und lehrt. Das DZHW untersucht diese Kennzahlen an Fachhochschulen regelmäßig, jetzt liegen neue Zahlen vor. Demnach ist die Zahl der FH-Absolventen in sechs untersuchten Bundesländern zwischen 2013 und 2015 gewachsen, wurde mehr Personal beschäftigt und sind die Drittmittelausgaben rückläufig: In den Geistes-, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften betrug diese Quote 16.500 Euro im Jahr 2015 (= minus 14 Prozent); in naturwissenschaftlich-technischen Fächern ging die Quote auf 30.500 Euro je Prof. zurück (= minus 11 Prozent). Ausführlich: hier als PDF. – Ach ja, und apropos FHs: Morgen werden um 10 Uhr die Auswahlentscheidungen im Wettbewerb Innovative Hochschule bekanntgegeben!
  
 
 
Personalia: BIG und NRW
Zwei kurz vermeldete Personalia: 1. Damit hatten viele schon gerechnet: Erwin Böttinger, Vorstandsvorsitzener des BIG, hat fristgerecht zum 30. Juni (mit Wirkung zum 31. Dezember) seine Kündigung eingereicht, hieß es gestern Abend aus dem Aufsichtsrat. (Hier unser Hintergrundstück zur Causa BIG/Böttinger aus der ZEIT 24/2017.) 2. Wow: Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) wird neue Ministerin für Wissenschaft und Kultur in Nordrhein-Westfalen; die Juristin war in der Vergangenheit Kanzlerin an der Hochschule für Musik Köln und Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages; seit 2004 war sie Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. (Kölner Stadt-Anzeiger; NOZ; SpOn)
  
 
 
Die oberen 20 Prozent
Was machen die Besserverdiener in der Wissenschaft richtig? Und was können arme Schlucker – zum Beispiel: Postdocs über 40 – von ihnen lernen? Nature berichtet über eine Studie, die Antworten für Europa verspricht. So suchte der polnische Wissenschaftler Marek Kwiek nach Gemeinsamkeiten bei den Wissenschaftlern, die zu den oberen 20 Prozent der Verdiener gehören. Das Ergebnis: „A high-earning European academic is older, does not put in the longest hours at the bench, is a frequent co-author and spends more time than others on administrative duties.“ Endlich, Schluss mit der Angst vor dem Alter!
  
 
 
Plakatwettbewerb: „LebensWELT Hochschule“
Wie sieht eure Uni aus? Das fragte das Studentenwerk im alljährlichen Plakatwettbewerb. Die Gewinnerplakate sind subtil, laut, kreativ. Bei der SZ gibt’s eine Klickstrecke; eine Exegese der Plakate findet man bei der duz
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
481

Anzahl weiblicher Habilitierter im Jahr 2016.
Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr; inzwischen wird jede dritte Habilitation von eienr Frau abgeschlossen.
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Sandy Schumann

Postdoctoral research associate am Department of Security and Crime Science' des University College London
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Hin und wieder sollte man die (Fach)Perspektive wechseln!
Viele meiner Kollegen verfolgen, erfolgreich, einen ganz bestimmten theoretischen oder methodischen Ansatz. Allerdings lohnt es sich, eingetretene Pfade ab und an zu verlassen. Letztes Jahr habe ich festgestellt, dass ich mein Forschungsinteresse, Radikalisierungsprozesse, in der Sozialpsychologie nicht tiefgründig genug untersuchen kann. Ich habe mich auf eine Stelle in der Kriminologie beworben und fange gerade an, mich nochmal von einer ganz anderen Blickrichtung in das Thema einzuarbeiten. Denn genau an den Schnittstellen zwischen Disziplinen ergeben sich die spannendsten Fragen und Antworten!

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Wissenschaft und Politik agieren in ihren jeweiligen Elfenbeintürmen und es gibt noch zu wenig konstruktiven Austausch. Das hängt unter Anderem damit zusammen, dass Berufungskommissionen die Zusammenarbeit mit politischen Institutionen oder Entscheidungsträgern nicht immer ausreichend wertschätzen. Wissenschaftler sollten jedoch mehr Verantwortung in der Gesellschaft und Politik übernehmen. Und Universitäten und Forschungseinrichtungen müssen den entsprechenden Rahmen dafür bieten.

Lektüre muss sein. Welche?
Gloria Steinem, My Life on the Road. Gloria Steinem hat eine zentrale Rolle in der amerikanischen Frauen- und Feminismusbewegung gespielt. Ich habe ihre Autobiographie erst kürzlich ein zweites Mal gelesen. In Zeiten von Trump, Brexit, und AfD tut es gut, sich daran zu erinnern, wie passionierte Bürger – ohne social media und crowd funding – sozialen Wandel angestoßen und damit das Leben von Millionen Menschen nachhaltig verbessert haben.

Und sonst so?
Das wird. Gut.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Oliver Günther
   
   
   
Plädoyer für den Tenure Track
Die Kritik am Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hält an. Es sei eine Versorgungsmaßnahme und könne zur Konvertierung von Qualifikationsstellen in unbefristete Dünnbrettprofessuren führen. Der Tenure-Track solle damit als Regelfall der Stellenbesetzung positioniert werden. Schließlich ließen sich mit dem Programm keine flächendeckenden, langfristigen Bedarfe abdecken.
Die Kritik geht am eigentlichen, strategischen Potenzial freilich vorbei: Das liegt nämlich in der Angleichung der akademischen Nachwuchsrekrutierung an die international üblichen Standards und einer damit bewirkten Stärkung unserer Universitäten beim Wettbewerb um die besten Köpfe.
Kurz nach der Promotion ist der richtige Zeitpunkt, um langfristiges Forschungs- und Lehrpotenzial zu erkennen, gleichzeitig aber auch die jungen Kolleginnen und Kollegen, oft schon mit Familie, zu einem Umzug zu motivieren, der eine dauerhafte Perspektive verspricht. Denn das bedeutet Tenure-Track: Nach einer herausragenden Promotion geht es auf die Spur (Track) an eine Universität, die einem bei Bewährung die Lebenszeitprofessur (Tenure) verspricht.
So sind die neuen Tenure-Track-Juniorprofessuren trotz des bescheidenen Gehalts auch international ausgesprochen attraktiv. In Potsdam haben wir schon vor einigen Jahren überwiegend auf Tenure-Track umgestellt. Wir bekommen hochkarätige Bewerbungen aus dem In- und Ausland, die Qualifikation der berufenen Kollegen ist auch im internationalen Vergleich exzellent, und ganz nebenbei: die Frauenquote beträgt um die 50%.
Ein positiver Nebeneffekt des BMBF-Programms ist die Aufstockung des akademischen Lehrkörpers. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 24.000 Universitätsprofessuren, was bedeutet, dass die 1000 BMBF-Professuren immerhin zu gut 4% Aufwuchs führen könnten. Dass so manche Bundesländer versuchen, die Strukturerweiterungen durch Taschenspielertricks zu reduzieren oder die Finanzierung der Personalaufstockung den Universitäten aufzubürden, ist ein Skandal, dem der Bund unbedingt entgegenwirken muss.
Und wie geht es mit dem Tenure-Track weiter? Die Fakultäten wissen meist am besten, über welchen Weg sich die bestqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen lassen. Schließlich gibt es auch noch viele Habilitierte, die für eine Juniorprofessur überqualifiziert sind, andererseits für jede W2- oder W3-Professur eine Zierde wären. Der Anteil der über Tenure-Track besetzten Professuren wird von Fach zu Fach und von Hochschule zu Hochschule stark schwanken. Und diese Vielfalt ist auch zu begrüßen.

Prof. Oliver Günther, Ph.D. ist Präsident der Universität Potsdam
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Kommt eine neue Studentenrevolte? Proteste gegen das G20-Treffen, Widerstand gegen Professoren: An ersten Hochschulen machen Aktivisten mobil. Wie groß ist ihr Einfluss? Unsere Reporter Anant Agarwala und Stefan Schirmer haben sie besucht

Ein bundesweiter Test statt Abi-Noten! Die Hochschulen sollten Aufnahmeprüfungen haben, fordert Michael Göring Eltern gegen Lehrer Kampfplatz Schule: Viele Eltern drohen mit dem Anwalt, um die Noten ihrer Kinder zu verbessern Das Bodensee-Labor In Lindau treffen sich in dieser Woche die Nobelpreisträger. Die Forscherelite hadert mit sich und der Welt Die Angst der Erwachsenen Niemand braucht hysterische Proteste gegen die Sexualerziehung

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ZEIT Forum Wissenschaft: Verteidigt die Aufklärung!
Beim ZEIT-Forum Wissenschaft wurde über das „Postfaktische Zeitalter“ diskutiert, u.a. sagte sagte DFG-Präsident Peter Strohschneider: „Wir sollten nicht in die Rolle von Politikern geraten, die am Wahlabend ihre Verluste damit begründen, sie hätten ihr gutes Programm nur schlecht erklärt.“ Der Skepsis der Gesellschaft dürfe man nicht nur mit mehr Kommunikation begegnen – die Wissenschaft müsse auch ihr Programm kritisch prüfen. Die gesamte Diskussion können Sie hier nachhören
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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