| | | | | Guten Morgen, | | |
über den inneren Bereichen der Stadt breitete sich gestern gespenstische Stille aus: Das Knattern der Hubschrauber, es war zeitweise verstummt. G20 ist vorbei – aber wird noch lange Thema sein. Es kam nicht zum Äußersten: Es gab keinen Terroranschlag, nach jetzigem Stand auch keine Toten, aber nach den heftigen Ausschreitungen rund um das Gipfeltreffen der Mächtigsten ist eine Diskussion über Schuld und Sühne, Verantwortung und Konsequenzen ausgebrochen. Und auch sonst stellen sich Fragen, über die in den nächsten Tagen und Wochen noch viel zu reden sein wird: War es eine gute Idee, den Gipfel in Hamburg abzuhalten? Natürlich sagen sehr viele nun: Nein, das war es nicht! Auch vorher gab es schon Bedenken: Der Veranstaltungsort Messehallen liegt nur 1,4 Kilometer entfernt vom Autonomen Zentrum, der Roten Flora in der Schanze. Dazu kommt die Lage mitten in der Stadt, die erheblichen Einschränkungen für den Verkehr und für die Anwohner! Andererseits: Nur in einer großen Stadt kommen auch Proteste gegen Inhalte des Gipfels richtig zur Geltung. Und, sagen Logistiker: Woher soll man zum Beispiel in Offenbach oder auf Helgoland mehrere Tausend Hotelbetten nehmen? Und ob es in Berlin oder München anders ausgegangen wäre, ist reine Spekulation. Hat Olaf Scholz sein Sicherheitsversprechen gehalten? Vor dem Gipfel hatte Olaf Scholz gegenüber der dpa vollmundig verkündet: »Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.« Allerdings hieß es da, der Erste Bürgermeister habe eher die logistische Komponente gemeint. Eindeutiger und nicht weniger vollmundig waren allerdings Scholz’ Worte zum »Tagesspiegel am Sonntag«: »Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren.« Wie sehr dieses geradezu überhebliche Versprechen danebenging, weiß man nun – rund um den Globus. Stimmt es, dass die Gewalttätigkeiten und die Zerstörungswut überraschend kamen? Die Äußerungen von Innensenator Andy Grote legen das nahe. »Dieses Ausmaß an entfesselter, hemmungsloser, brutalster Gewalt«, sagte er bei der Pressekonferenz gestern, »das ist etwas, was wir in dieser Konkretheit und in dieser kriminellen Qualität nicht erwartet hatten.« Sehr glaubwürdig ist das nicht. Die Hamburger Polizei ist krawallerprobt, hat in der Stadt zu verschiedenen Anlässen bereits Ausschreitungen erlebt. Sie wusste auch, dass Feuer und Vandalismus zur Grundausstattung gewaltbereiter Demonstranten gehören – zudem hatten sich radikale G20-Gegner lange im Gipfelvorfeld lautstark angekündigt, und zwar aus ganz Europa. Kurz: Weder Gewalttätigkeiten noch Zerstörungswut konnten eine Überraschung gewesen sein. Viel mehr wäre es eine Überraschung gewesen, hätten Radikale zu gewaltfreien Mitteln gegriffen. Bereits Tage vor Beginn des Gipfels und somit vor den Ausschreitungen hatte die Polizei beschlagnahmte Ausrüstung von Linksautonomen öffentlich gezeigt – darunter Molotowcocktails und Zwillen. Nicht zuletzt: Gerade bei internationalen Konferenzen gab es schon häufiger Gewaltexzesse. Hat die Polizei Fehler gemacht? Nachdem die Polizei sich anfangs dem Vorwurf ausgesetzt sah, zu hart vorzugehen, steht nun der Vorwurf im Raum, die Sicherheitskräfte seien nicht konsequent gegen Gewalttäter und Brandstifter vorgegangen und hätten Fehler gemacht. Besonders über zwei Schlüsselsituationen der vergangenen Tage wird immer weder diskutiert: Wie lässt sich erklären, dass auf der anfangs friedlichen »Welcome to hell«-Demonstration am Donnerstagabend die Gewalt zwischen Polizei und dem schwarzen Block, der sich teilweise nicht entmummen wollte, dann zuverlässig eskalierte? Und wie die Phase am Freitagabend, als in der Straße Schulterblatt ein gewalttätiger Mob mehrere Stunden lang ungehindert toben konnte? Kollege Karsten Polke-Majewski hat darüber hier für ZEIT ONLINE geschrieben. Wer waren die Randalierer?
Viele stellen sich dieselbe Frage wie eine unserer Leserinnen: »Was sind das bloß für Menschen, die sinnlos (und völlig ohne politische Aussage) Sachen zerstören? Und sich dabei aber vermummen, damit die eigene Mami sie nicht im Fernsehen erkennt?« Vermutlich war es eine Mischung aus politisch motivierten Linksautonomen, Krawalltouristen aus ganz Europa, die eigens zu diesem Zweck nach Hamburg angereist sind, und Mitläufern, die die Gelegenheit nutzten, sich mächtig zu fühlen. Wie viele der Gewalttätigen aus Hamburg kamen, ist ebenfalls noch ungeklärt. Immerhin distanzierte sich sogar der Anmelder der Demonstration »Welcome to hell« von den Taten. Andreas Blechschmidt vom linksautonomen Kulturzentrum Rote Flora sagte dem NDR: »Wir haben den Eindruck gehabt, dass sich hier etwas verselbstständigt hat, dass hier eine Form von Militanz auf die Straße getragen wurde, die sich so ein bisschen an sich selbst berauscht hat – und das finden wir politisch und inhaltlich falsch.« War es ein Fehler, Camps in der Stadt zu erlauben?
Polizei, Innensenator und Bürgermeister sprechen unisono von den Protestcamps als Sammelpunkt radikaler G20-Gegner, Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte gar, dass dort »die strategische Vorbereitung zu den Gewalttaten entstanden« seien – doch die gerichtliche Erlaubnis für einzelne Camps nun quasi mitverantwortlich für die Ausschreitungen zu machen ist nicht nachvollziehbar. Denn wo wären radikale Gruppen besser im Blick der Polizei gewesen, wo hätte man ihr Ausrücken und Zurückkehren besser verfolgen, sich gar an ihre Fersen heften können, als in diesen Zeltlagern? Nicht im Blick haben konnte man hingegen all jene gewaltbereiten Gipfelgegner, die im gesamten Stadtbereich verteilt untergekommen waren. Gab es Bürgerwehren?
Nein, Zivilcourage aber schon. Inhaber von Läden und Gastronomie zeigten nachts Präsenz und wachten. Bei Demonstrationen wurden Vermummte von friedlichen Demonstranten aufgefordert, ihr Gesicht zu zeigen. Immer wieder schrien Hamburger mutig gegen Randalierer an, gaben ihnen zu verstehen, dass sie nicht erwünscht seien, löschten gelegte Brände, räumten Barrikaden beiseite. Kollegin Sarah Levy, die von den Ereignissen im Schanzenviertel auf Twitter berichtete, stellte fest, dass verbale Gegenwehr auf Englisch bei einigen am besten wirkte. Auch dass ihnen manchmal Flaschen entgegenflogen, hinderte viele Anwohner nicht daran, nach der ersten Krawallnacht auf die Straße zu gehen, um ihr Viertel zu schützen. Immer wieder stellten sich Hamburger auch zwischen Randalierer und Polizei, um weitere Eskalationen zu verhindern.
Warum brennt es immer wieder ausgerechnet im Schanzenviertel?
Barrikaden, Feuer auf der Straße, Vandalismus – all das ist für das Schanzenviertel nicht neu. Auch wenn es in den vergangenen Jahren zu immer weniger Ausschreitungen bei Veranstaltungen wie dem Schanzenfest kam. Einerseits, weil wegen der Gentrifizierung dort inzwischen weniger protestiert als konsumiert wird, andererseits weil auch die Autonomen, die sich um die Rote Flora tummeln, in den vergangenen Jahren vermehrt für gewaltfreien Protest einsetzten. Trotzdem: Die Rote Flora, das Schanzenviertel bleiben für viele Autonome, Anarchisten und Antiimperialisten – ob es sich dabei nun um radikale Hamburger, Angereiste oder eine Mixtur aus beidem handelt – traditioneller Anlaufpunkt, wenn es um gewaltvollen Widerstand geht; man erinnere sich an die Ausschreitungen während der Ersten-Mai-Demonstrationen. Überrascht hat es nicht, dass es nun ausgerechnet dort wieder brannte. Und wer an diesem Abend im Schanzenviertel war, hat mehr Schaulustige gesehen als tatsächlich vermummte Randalierer. Wozu die Plündereien?
Im Zuge der Krawalle wurden Läden auf dem Schulterblatt wie Filialen von Rewe und Budnikowsky komplett geplündert – gerade Budnikowsky, für soziales Engagement bekannt, ein Unternehmen, das sich gar an der Aktion »Tweetwave« beteiligte, welche die Politiker der G20 an die Ziele der Vereinten Nationen erinnern sollte. Für die Randalierer kein Hindernis, den Laden in Trümmer zu legen und dazu auch noch, wie Kollegin Özlem Topcu beobachtete, »Hoch die internationale Solidarität« zu skandieren. Was war da los? Während einige Randalierer ihr Raubgut ins Feuer warfen, um damit ihrem Unmut gegenüber dem Kapitalismus Ausdruck zu verleihen, stritten sich andere, berichteten Augenzeugen, um die Ware. Auf im Netz kursierenden Videos wirkte es, als hätten Umstehende die Gunst der Stunde genutzt, sie schleppten Essen aus dem Supermarkt, wie wenn sie den Wochenendeinkauf vergessen hätten. Es bleibt die Frage: Wenn es autonome Hamburger waren, die hier randalierten, warum legten sie ausgerechnet ihr eigenes Viertel in Trümmer? Brachten die Krawallnächte eine neue Form der »Party-Aggression« hervor?
Immer wieder forderte die Polizei Unbeteiligte und Schaulustige während der Ausschreitungen dazu auf, den Ort zu verlassen und ihnen den Einsatz nicht unnötig zu erschweren. Dennoch blieben viele stehen, buhten die anrückenden Hundertschaften aus und bejohlten das lodernde Feuer. Die einen konnten und wollten nicht wegsehen, Unfallvoyeuristen ähnlich, andere rechtfertigten ihr Ausharren als Form des zivilen Ungehorsams. Bier trinkend standen sie am Rand, als handele es sich um eine Runde ums Lagerfeuer, Jugendliche tauschten sich mit glänzenden Augen über die Plünderungen aus, manche machten Selfies vor den brennenden Barrikaden. Aber ist dieses passive Unterstützertum mit Eventcharakter neu? Das hieß es zumindest auf der gestrigen Pressekonferenz zum Polizeieinsatz. Aber erlebnisorientierte Partygänger bei Krawallen sind schon länger bekannt. Einen solchen Trend vermeldete der Hamburger Verfassungsschutz in seinem Bericht bereits 2009, als es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Randalierern und der Polizei nach dem Schanzenfest gekommen war. Sind Vergleiche zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen angemessen?
Wer solche Parallelen zieht, gar von Zuständen »wie in Aleppo« spricht, hat keine Ahnung, verharmlost den Krieg oder beides. Auch wenn das SEK mit Maschinenpistolen ins Schanzenviertel einrückte, um Randalierer, die Molotowcocktails warfen, von einem Hausdach und einem Baugerüst zu holen: Es gab zum Glück keinen Toten, es wurde nicht mit Pistolen geschossen (bis auf einen Warnschuss der Polizei), es gab keinen Militäreinsatz, und der überwiegende Teil der Stadt und der Hamburger waren von den Ausschreitungen – zumindest direkt – nicht betroffen. Gezielte Gewalt richtete sich gegen die Polizisten. Sie wurden mit Flaschen, Steinen und Stangen beworfen, sogar mit Stahlkugeln beschossen. Dennoch: Tagelang Hubschrauber, die über der Stadt kreisten, ständig Martinshörner, überall Polizeibeamte, Ladeninhaber, die ihre Schaufenster verrammelten, Straßenschlachten, Anwohner, die sich aufs Hausdach retteten, brennende Autos, eingeworfene Fensterscheiben, Plünderungen, Hunderte Verletzte – das ist für alle weitaus mehr gewesen, als die Stadt in den letzten Jahrzehnten hatte erleben müssen. Die nüchterne Bilanz in Zahlen: 476 Polizisten wurden verletzt, ein Hubschrauberpilot wurde mit einem Laserpointer geblendet. Seit Beginn des Einsatzes am 22. Juni wurden 186 Personen festgenommen, 225 in Gewahrsam genommen, 37 Haftbefehle wurden ausgestellt. Unter den Verhafteten sind 132 Deutsche, acht Franzosen und sieben Italiener. Was machen die Ausschreitungen mit den Hamburgern?
Es scheint, als sei die ganze Stadt bestürzt über die Gewalttätigkeiten, Zerstörungen und Plünderungen, und das hat viele mobilisiert. Sie gingen trotzdem und vielleicht gerade deshalb auf die Straße, um sich bei friedlichen Protesten für eine gerechtere Welt einzusetzen – und gegen Gewalt. Viele Zehntausend Menschen kamen bei Demonstrationen wie »Lieber Tanz ich als G20«, »Hamburg zeigt Haltung« oder »Grenzenlose Solidarität statt G20« zusammen. Protestaktionen, bei denen Symbolbilder von Demonstranten und Polizisten entstanden, auf denen keine Flaschen oder Böller geworfen wurden, sondern Dankbarkeitsumarmungen zu sehen sind und Kinder, die den Einsatzkräften Blumen schenken. Und auch am Tag nach dem Gipfel setzten die Hamburger bei der Facebook-Aktion »Hamburg räumt auf« ein starkes Zeichen. 10.000 Menschen fassten sich gestern nicht nur ein Herz, sondern nahmen Müllsack und Besen und fegten die Relikte der Ausschreitungen von den Straßen. Impressionen hier. Hamburger besuchten verletzte Polizisten im Krankenhaus und überreichten ihnen Blumen. Und, kleine nette Geste: Der HVV stellt allen, deren Fahrzeug beschädigt oder verbrannt wurde, kostenlos Monatskarten zur Verfügung. Wer kommt für die ausgebrannten Autos auf und für die Schäden an Häusern, Geschäften und Restaurants? Ausgebrannte Fahrzeuge regulieren die Teil- oder Vollkaskoversicherungen. Auch sonst, hieß es, solle niemand auf den Sachschäden sitzen bleiben. Kanzlerin Angela Merkel versprach den Opfern schnellstmögliche Hilfe und Entschädigung. Laut Olaf Scholz sollen darüber zwischen Bund und Land »in ganz kurzer Zeit« Vereinbarungen getroffen werden. Wie war der Gipfel eigentlich politisch? Die Krawalle haben die Inhalte des Gipfels in der öffentlichen Wahrnehmung zeitweise fast verschwinden lassen – und auch die Kritik daran, dass es in den zentralen Fragen wenig Fortschritt gab. Angela Merkel gelang es nicht, die anderen großen Wirtschaftsmächte beim Klimaschutz gegen US-Präsident Donald Trump zu vereinen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan schlug sich auf Trumps Seite, indem auch er das Pariser Klimaabkommen infrage stellte. Ihm geht es allerdings nicht um Freunde in der Industrie, sondern darum, dass die Türkei nicht zu den Industriestaaten gezählt wird. Denn sonst müsste sie in einen künftigen Umweltfonds einzahlen, statt Geld zu erhalten. Auch der Streit mit den USA um den Freihandel konnte nicht entschärft werden. Angesichts bescheidener Ergebnisse und heftiger Krawalle forderte Sahra Wagenknecht von der Linken eine Abschaffung der G20-Gipfel. Welche Bilder hinterlässt der Gipfel von Hamburg?
Gemischte und extrem unterschiedliche. Gefühlt dominieren im Moment die martialischen Bilder von brennenden Barrikaden, vermummten, Flaschen werfenden Autonomen und Hundertschaften, die mit Wasserwerfern übers Schulterblatt fahren. Umso wichtiger ist es, auch die vielen friedlichen, kreativen Bilder ins Gedächtnis zu rufen: Tausende bunt gekleidete Menschen, die mit Schildern, Bannern und Verkleidungen auf der Straße, auf dem Wasser und in den sozialen Medien demonstrierten. Aktivisten und G20-Gegner, die die angereisten Staatschefs zu verantwortungsvollem Handeln aufriefen. Kreative Sprüche wie »G20 Bier holen« oder »Grote hat sich verduddelt« gehören ebenso dazu wie die Reaktionen auf die Ausschreitungen in der Schanze und in Altona: Ein kleines Mädchen, das im Batman-Kostüm vor einer zerstörten Drogeriefiliale steht, Anwohner, die aus herausgerissenen Pflastersteinen ein Peace-Zeichen bauen. Und auch das Treffen der Politiker hat Szenen geliefert, die in Erinnerung bleiben: Dazu zählt sicher das Augenrollen von Angela Merkel, mit dem sie auf das vermeintliche Mansplaining von Russlands Staatschef Wladimir Putin reagiert, ebenso wie das Bild von Donald Trump und Putin, die sich im Gespräch, deutlich sichtbar an der Körpersprache, aufeinander zubewegen. Und – abseits von politischen Verhandlungen – Kanadas Premier Justin Trudeau mit seiner Frau, die zusammen den kleinen Sohn die Flugzeugtreppe herunterhüpfen lassen. Und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der nach den Krawallen gewohnt charmant an der Alster entlangspaziert. Hat Peter Altmaier recht?
Der Kanzleramtschef schrieb bei Twitter: »Linksextremer Terror in Hamburg war widerwärtig und so schlimm wie Terror von Rechtsextremen und Islamisten.« Sicher: Es waren für Hamburg beispiellose Krawalle mit maßloser Aggression gegen Polizisten und maßloser Zerstörungswut. Aber das mit Terrorismus gleichzusetzen, mit Selbstmordattentaten gegen Zivilisten, das ist absurd. Oder, wie Holger Stark zurücktwitterte, bei der ZEIT Mitglied der Chefredaktion und für Investigatives zuständig: »Sorry, lieber Herr Altmaier, Humbug. Selbst im Wahlkampf«. Hat sich Herr Scholz entschuldigt? Bis Redaktionsschluss nicht. Er saß zwar gestern mit versteinerter Miene da, forderte harte Strafen für die Täter, lobte die Polizei für den »heldenhafte Einsatz« und sagte: »Das darf doch nicht sein, solche Dinge dürfen doch in unserem Hamburg nicht vorkommen.« In der ARD räumte er ein, sein Sicherheitsversprechen nicht eingehalten zu haben. »Das ist sehr bedrückend, dass uns das nicht gelungen ist.« Er dankte auch den Hamburgern, die »nicht weniges erdulden mussten«, aber er entschuldigte sich nicht. Weder bei den Menschen, deren Autos abgefackelt wurden, noch bei denjenigen, denen im Schanzenviertel Flaschen entgegengeworfen wurden und die sich in ihrer Wohnung verbarrikadierten, noch bei all den anderen Hamburgern, die zwar nicht direkt betroffen waren, die aber den Ausnahmezustand der Gipfelzeit ertragen und mitgetragen haben, und sei es, weil sie ihr Kind nicht in die Kita bringen konnten oder Stunden im Stau verbringen mussten. Es schien, als ob dem Ersten Bürgermeister gar nicht richtig klar gewesen ist, was seine Stadt hinter sich hat. Ach so, ja: Gestern durften alle umsonst ins Museum. Wird es politische Konsequenzen geben?
Ob und wenn ja, welche, das ist völlig unklar. Die politischen Nachwehen haben gerade erst eingesetzt. »Olaf Scholz hat Hamburg weltweit blamiert und in Verruf gebracht«, erklärte FDP-Chefin Katja Suding. Er müsse die Verantwortung übernehmen. CDU-Fraktionsvorsitzender André Trepoll forderte Scholz’ Rücktritt. Es rumort auch in der Polizei. »Während Polizisten aus Hamburg um ihr Leben gekämpft haben, sitzt dieser Bürgermeister in aller Ruhe in der Elbphilharmonie und hört Musik«, sagte Polizeigewerkschafter Rainer Wendt. Scholz habe bei vielen Polizisten »unfassbaren Zorn« ausgelöst. Auch am Tag nach der schwersten Krawallnacht von Freitag auf Sonnabend hatte Scholz andere dienstliche Termine. Vorgehalten wird ihm auch der Appell, mit dem er sich an die Gipfel-Gewalttäter wandte, und sie bat, aufzuhören. Sie taten es nicht. |
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