Es war richtig, die G20 nach Hamburg einzuladen. Lange, sehr lange habe ich darüber nachgedacht, ob man das jetzt noch so schreiben kann. Natürlich machen die
Ereignisse im Hamburger Schanzenviertel sprachlos: die nächtlichen Bilder der Vermummten, die Brandbomben, die kaputten Läden, die zerstörten Viertel. Erfährt man dann noch, dass die Gewalttäter diesen Häuserkampf
generalstabsmäßig vorbereitet haben sollen und den Tod von Menschen bereitwillig in Kauf genommen haben, um eine Stadt bis ins Mark zu treffen – dann schreit alles in einem: Lassen wir das! Es lohnt nicht! Sollen sich die Regierungschefs doch treffen,
wo der Pfeffer wächst!
Doch will man tatsächlich Gewalttätern die Entscheidung überlassen, wer wann und wo in Deutschland eingeladen werden darf?
Im Herbst findet in Bonn die
COP23 statt, ein Folgetreffen der Pariser Klimakonferenz. Dort werden Regierungsvertreter aus aller Welt über Maßnahmen zum Klimaschutz verhandeln. Sollte man das auch sein lassen? Oder sollte man das Treffen doch veranstalten – weil es für Linksradikale kein attraktives Attackenziel ist? Wer beginnt, in solchen Alternativen zu denken, der überlässt die Wahl der Straße. Wenn Gewalttäter nur genug Ärger machten, hätten sie das Sagen darüber, welche Treffen noch sein dürfen und welche nicht.
Die Gesellschaft braucht dringend konstruktiven Protest Ebenso wenig wie kein rechtsradikaler Mob darüber entscheiden sollte, wo in Deutschland Flüchtlinge untergebracht werden dürfen, sollte kein linksradikaler Mob darüber richten, welche Staatschefs uns besuchen, wo sie untergebracht werden und wie lange die Bundeskanzlerin mit ihnen redet. Solche Treffen nicht mehr organisieren, hieße, den Randalierern endgültig die Macht zu übergeben.
Das bedeutet nicht, dass bei der Organisation der Veranstaltung alles richtig funktioniert hat. Da lief Grundlegendes schief. Natürlich geht es nicht, dass es in einem Viertel für die Bürger stundenlang keinen Polizeischutz gibt. Oder dass es offensichtlich einen unkontrollierten,
europäischen Krawalltourismus gibt. Natürlich kann es nicht sein, dass der Schwarze Block friedliche Demonstrationen kapert und damit den konstruktiven Protest diskreditiert, den Gesellschaften so dringend brauchen.
Daraus müssen noch vielerlei Konsequenzen gezogen werden. Aber deswegen hierzulande keine internationalen Konferenzen mehr zu veranstalten, sie durch Telefonschalten oder Treffen auf Flugzeugträgern zu ersetzen, wäre grundfalsch.
Auch kleine Schritte sind Erfolge Regierungschefs müssen miteinander reden können – beispielsweise über den
Klimaschutz. Sie müssen außerdem, und auch dafür sind solche Konferenzen gut, in den Monaten vor ihrem Treffen spüren, welche Themen der internationalen Politik die Bürger interessieren. Darüber reden, streiten, schreiben sie. All das würde nicht passieren, gäbe es nicht solche Konferenzen. Ohne die G20 in Hamburg hätten nicht viele Tausende von Bürgern über Weltpolitik diskutiert, hätten Wissenschaftler keine Reformvorschläge für die globale Zusammenarbeit gemacht und Stiftungen nicht gemeinsame neue Projekte erfunden.
Bei der G20 in Hamburg hat all das dazu geführt, dass das Klima oben auf der Tagesordnung stand. Es wurde am Ende nichts Revolutionäres beschlossen, aber die G20 hat immerhin den Trump-Test bestanden und mit 19:1 aufgeschrieben, dass sie die Beschlüsse von Paris ernst nimmt und an weiteren gemeinsamen Strategien arbeiten will. Sicher rettet das das Klima noch nicht. Wünschen würde man sich viel mehr. Beispielsweise, dass der türkische Ministerpräsident Erdoğan nicht gleich hinterher moserte und mehr Geld wollte.
Aber die Welt besteht nicht überwiegend aus netten, umweltfreundlichen, demokratischen Regierungen, mit denen man gern über die Alster schippert. Deswegen sind auch
kleine Schritte in die richtige Richtung schon ein Erfolg. Die hat es auf dem G20-Gipfel gegeben, bei ein paar anderen Themen übrigens auch. Deswegen war es richtig, nach Hamburg einzuladen.