Freitext: Viktor Martinowitsch: Mitnichten, Genosse Ermittler, mitnichten!

 
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25.03.2017
 
 
 
 
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Mitnichten, Genosse Ermittler, mitnichten!
 
 
Um Proteste zu verhindern, sind in Belarus Verleger, Journalisten und Aktivisten „präventiv“ festgenommen worden. So schlimm war es seit den dreißiger Jahren nicht mehr.
VON VIKTOR MARTINOWITSCH

 
Polizisten vor der Demonstration in Minsk am 24. März (© Vasily Fedosenko/Reuters)
 
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Die in Belarus per Präsidialdekret Nr. 3 eingeführte Arbeitslosensteuer hat seit Mitte Februar in Minsk und anderen Großstädten in Belarus viele Menschen auf die Straße getrieben. Zunächst forderten sie die Rücknahme der Strafen für „Parasiten“ (als „Parasit“ gilt, wer nicht bereit ist, für den Monatslohn von 100 Dollar zu arbeiten, der vom Arbeitsamt für freie Stellen in Aussicht gestellt wird). Nikalai Statkewitsch, Ex-Präsidentschaftskandidat, hat die Regierung aufgefordert, das Dekret bis zum 25. März zurückzunehmen. Für den 25. März, den Unabhängigkeitstag, wurde eine Großdemonstration angekündigt.

Nur konnte Alexander Lukaschenko, wie wir ihn kennen, die Steuer nicht mehr zurücknehmen. Damit hätte er eingestanden, dass seine Entscheidungen revidierbar sind, dass er Rücksicht auf den Willen anderer nimmt. Aber Lukaschenko ist unfähig, Schwäche zu zeigen, seien die Umstände dafür noch so günstig. Deshalb wurde die Regelung nicht zurückgezogen, sondern lediglich die Erhebung der Steuer für ein Jahr ausgesetzt. Die Antwort von der Straße lautete: „Nein zum Dekret Nr. 3 – Lukaschenko pack ein!“

Das Regime begann mit Verhaftungen.

Als die Jagd auf Netz- und andere Aktivisten begann, als auch Leute, die sich bei Demonstrationen an ihrem Megafon festgehalten oder über ihre schwierigen Lebensumstände gesprochen hatten für 24 Stunden festgehalten wurden, war niemand ernsthaft erstaunt. Das kannten wir schon aus den Jahren 2001 und 2006 als „Präventivhaft“. Die Absicht dahinter: potenzielle Rädelsführer isolieren, damit die Menge der Demonstranten nicht weiter weiß. So waren am Ende praktisch alle bekannten Oppositionsspitzen inhaftiert: Anatol Ljabedska, Wital Rymascheŭski und Pawel Sewjarynez.

Doch am Samstag den 18. März spitzte sich die Operation zur Neutralisierung möglicher Risiken zu. Was sich da ereignete, ist, so weit ich mich erinnern kann, beispiellos. Es begann damit, dass das Facebookkonto meines Verlegers Miraslaŭ Lasoŭski vom Verlag Knihazbor gehackt wurde.

An dieser Stelle wechsle ich in den Verhörprotokoll-Modus, um den belarussischen Ermittlern, die diesen Text sicherlich aufmerksam lesen werden, die Arbeit zu erleichtern. Ich lernte Miraslaŭ Lasoŭski irgendwann 2013 kennen, als ich mit meinem dritten Roman Sphagnum bei ihm anklopfte. Was ich über Miraslaŭ sagen kann? Er war früher Survival-Coach, ist körperlich topfit und gut beschlagen in Militär- und Waffengeschichte. Er trieb Sport und interessierte sich für Reenactment-Darstellungen. Und er arbeitete mit belarussischsprachiger Literatur.

Eine wichtige Detailfrage für alle, die schon die Version kennen, die das staatliche Fernsehen in Belarus verbreitet: War Miraslaŭ rechtsextrem? Mitnichten, Genosse Ermittler, mitnichten!


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