Antiakademismus | 3½ Fragen an Henrik Enderlein | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Sprengstoff | Die Charité im Fernsehen

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
nicht so häufig schafft es die Wissenschaft auf die große Bühne des Fernsehprogramms. Wenn doch, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Siehe unser c.t.! Außerdem im Programm: Berlin hat Spendierhosen an; Jan-Martin Wiarda reicht Ihnen Akkreditierungssprengstoff im Standpunkt dar. Und eine exklusive Personalie finden Sie im Fragebogen.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Berlin gibt 800.000 Euro fürs BIM
Anfang September des letzten Jahres forderte Naika Foroutan, stellvertretende Direktorin am Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt Uni, im CHANCEN Brief ein zentrales, vom Bund finanziertes Institut für Migrationsforschung. Ihr Plädoyer: Das Thema ist zentral, und kurzatmige Projektforschung bremst den Erkenntnisgewinn. Sandra Scheeres, damals noch Wissenschaftssenatorin, sagte uns damals: „Berlin ist der richtige Ort. Wir stehen für die Kofinanzierung bereit.“ Das sagte sich natürlich leicht, so kurz vor der Wahl. Jetzt legt das Land, inzwischen unter der Feder von Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller, immerhin mit einem monetären Bekenntnis zur Migrationsforschung nach, wie wir vorab erfahren haben: Mit insgesamt 3,8 Millionen Euro über die Laufzeit der neuen Hochschulverträge (= 600.000 in 2018, danach 800.000 jährlich) wird Berlin in die Finanzierung bis zu vier neuer Professuren am BIM einsteigen. In Kürze soll die Tinte unter die Verträge gesetzt werden.
  
 
 
Trumpistischer und universitärer Antiakademismus
Schon im Januar hatte Donald Trump angekündigt, was jetzt in seinem ersten Haushaltsentwurf schwarz auf weiß steht: das National Endowment for the Arts (NEA) und das National Endowment for the Humanities (NEH) – die beiden staatlichen Fördereinrichtungen für Kunst und Geisteswissenschaften – sollen eingestellt werden; es geht um 300 Millionen Dollar pro Jahr. (SciLogs; FAZ; hier der Budget Blueprint des Weißen Hauses als pdf). Diese Neuigkeiten lassen für die Scientific Community nichts Gutes verheißen. Oder vielleicht doch? Versieht dieser trumpistische Angriff nicht insbesondere die Geisteswissenschaften „mit dem Gütesiegel der Aktualität und bestenfalls sogar der Relevanz“? So schreibt Hanna Engelmeier bei uns diese Woche in den ZEIT CHANCEN, und argumentiert: Die Bedrohung durch antiakademische Ressentiments kommt in Wahrheit aus der Akademie selbst. Seite 63! 
  
 
 
Fake Science?
Schokolade und Cola gesund? Klar, wenn das ein süßwarenherstellerfinanzierter Lehrstuhl behauptet…. Über industriell verdrehte, pseudowissenschaftliche Studien spricht Ökonom Christian Kreiß von der Hochschule Aalen in der Welt. Außerdem lesenswert und zum Gruseln: die Industrie der Fake-Journale, über die Martin Spiewak für die ZEIT recherchiert hat. 
  
 
 
Back to the roots, back to the Copyshop
So lange ein neues Urheberrecht nicht eingetütet ist, herrscht Verwirrung allerorten – vor allem bei jenen, um die es doch eigentlich geht: den Wissenschaftlern und Studierenden. Der Tagesspiegel entwirrt das aktuelle Chaos zur Frage: Wem gehört ein Text? Und muss man wieder im Copyshop Schlange stehen, um ihn lesen zu dürfen? 
  
 
 
Neu an der Uni
Viele Hochschulen haben sich ins Zeug geworfen, um Geflüchteten den Einstieg ins akademische Bildungssystem zu ermöglichen, etwa durch Vorbereitungskurse. Die Kunsthochschule Leipzig hat sogar zehn reguläre Studienplätze zur Verfügung gestellt. Klappt das? Und welchen Blick haben die jungen Leute aus Irak und Syrien auf die deutsche Hochschullehre? Darüber schreibt die taz
  
   
 
 
   
   
   
 
 
 
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Neue Spitze der Hertie School of Governance
Heute Vormittag wird die Hertie School of Governance ihre neue Führungsspitze bekanntgeben, und man muss dem Aufsichtsrat der School um den früheren McKinsey-Chef Frank Mattern attestieren, ein wirkliches Dream-Team berufen zu haben: Neuer Präsident wird im September 2018, ein Jahr nach der Bundestagswahl, Henrik Enderlein. Enderlein, 42, ist bislang Vizepräsident der Hertie School und Direktor des Jacques-Delors-Institut; er gehört zu den sichtbarsten Politikberatern und Intellektuellen der jüngeren Generation – eine Idealbesetzung für die Nachfolge von Helmut Anheier. 
Schon übernächsten Samstag übernimmt Axel Baisch, Jahrgang 1965, die Geschäftsführung der School und folgt Marina Frost nach. Baisch war zuletzt Kanzler der Handelshochschule Leipzig, zuvor Geschäftsführender Direktor der Deutschen Oper Berlin und des Staatstheaters Nürnberg. Baisch ist zwar Jurist, aber durchaus ein Mann der kreativen Ideen. 
Andere – private wie öffentliche – Hochschulen können sich an dieser Kombination aus Vordenker und Vormacher nur ein Beispiel nehmen.

Langjähriger DAAD-Vize Max G. Huber verstorben
Im Alter von 79 Jahren ist der Physiker Max G. Huber gestorben. Er war von 1992 bis 1997 Rektor der Universität Bonn, von 1996 bis 2011 Vizepräsident des DAAD. "Durch seine bescheidene, immer freundliche und charmante, aber dennoch entschiedene Art und seine Begeisterungsfähigkeit, wird er uns ein Vorbild bleiben", so DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. Der Bonner Rektor Michael Hoch sagte: "Er wird uns als kreative und ungemein dynamische Persönlichkeit in Erinnerung bleiben."

Job: Viadrina
Schlägt Ihr Herz bilateral, können Sie gut rechnen und mögen Sie Heinrich von Kleist? Dann ab nach Frankfurt an der Oder. Die Viadrina sucht eine neue Kanzlerin (m/w)! Details stehen im neuen ZEIT-Stellenmarkt.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Henrik Enderlein

Professor für Politische Ökonomie und demnächst Präsident der Hertie School of Governance
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Banal, aber wichtig: Es gibt eine zweite Achse der Politik. Zu rechts versus links gesellt sich überall in der Welt die Achse weltoffen versus neo-national. Ohne diese zweite Achse verstehen Sie weder den Brexit noch Trump. Aber diese Logik gilt nicht nur für die Protektionisten und Grenzschließer. In Frankreich macht Macron mit Erfolg die pro-europäische Gegenoffensive auf – jenseits von rechts und links. (Bin übrigens ein großer Macron-Fan, das ist aber keine neue Erkenntnis).
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Gegenfrage: Kann Geld wissenschaftspolitische Probleme lösen? Und: was heißt eigentlich „wissenschaftspolitisch“? Mir fällt noch nicht mal ein englisches Pendant dazu ein. Und dafür gibt es sicher Gründe. Gute Forschung und Lehre brauchen den richtigen Kontext – der kann aber auch ohne direkte Einflussnahme der Politik entstehen. Siehe das Beispiel Hertie School of Governance… PS: Direkte Antwort auf die eigentlich gestellte Frage: Interdisziplinarität!
 
Lektüre muss sein. Welche?
In diesen stürmischen Zeiten natürlich Karl Polanyis „Große Transformation“ und Stefan Zweigs „Welt von Gestern“. Und immer Wolfgang Herrndorf, den meine Frau ins Französische übersetzt hat. Nicht zu vergessen der 11-Freunde Live-Ticker an einem spannenden Champions-League-Abend. Das ist große Literatur.
 
Und sonst so?
Dieses Konzept kenne ich nur noch aus der Theorie: Eine internationale Hochschule, ein Think-Tank, vier Kinder – da ergibt „und sonst so“ keinen Sinn mehr…
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Sprengstoff
Das kommt dabei heraus, wenn Ministerpräsidenten selbst Hand an die Hochschulpolitik legen. Eigentlich hätte es eine Formsache sein sollen, als die Länderchefs vergangene Woche in ihrer Konferenz dem neuen Staatsvertrag zur Akkreditierung von Studiengängen zustimmten, den ihre Wissenschaftsminister über Monate ausgehandelt hatten. Doch sechs Ministerpräsidenten beließen es nicht bei dem Ja, sondern fügten eine Protokollnotiz hinzu. Mit der noch ausstehenden Erarbeitung der so genannten Musterverordnung, formulierten die sechs, „sei die Erwartung verbunden, doch noch eine für alle Länder tragfähige Lösung zur Anerkennung des Diploms zu erreichen.“
Hinter der konzilianten Technokratensprache verbirgt sich Sprengstoff. Durch die Hintertür wollen die Ministerpräsidenten den totgeglaubten Abschluss wiederbeleben. Und das geht so: Jeder Staatsvertrag ist nur so viel wert wie die Ausführungsverordnung, mit der jedes Bundesland für sich bestimmt, wie der Vertrag praktisch umgesetzt werden soll. Um einen föderalen Flickenteppich zu vermeiden, einigen sich alle 16 Länder normalerweise auf eine Musterverordnung, die sie dann gleichlautend in Landesrecht übernehmen.
Und obwohl der Staatsvertrag die Kombination der Wörter „Diplom“ und „Akkreditierung“ tunlichst vermeidet, wollen die sechs Ministerpräsidenten jetzt über diese Verordnung seinen Wirkungsbereich auf Abschlüsse mit dem alten Namen ausdehnen. Eine faktische Gleichstellung mit den neuen gestuften Abschlüssen Bachelor und Master, denen bislang die Akkreditierung vorbehalten war.
Es bröckelt etwas in der Hochschullandschaft, und es bröckelt von oben nach unten.
So, wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bereits die Rückabwicklung der Schulzeitverkürzung G8 zur „Chefsache“ erklärt hat, so wollen er und fünf Mitstreiter nun offenbar auch bei einem anderen Bildungsthema Populismuspunkte sammeln. Zwar war es ruhiger geworden um die Bologna-Studienreform, doch beliebt sind die Anfang des neuen Jahrtausends eingeführten europaweit gültigen Studienabschlüsse bei vielen Professoren bis heute nicht. Auch unter den Spitzenmanagern finden sich immer noch viele, die den „Diplom-Ingenieur“ als verloren gegangenes Aushängeschild deutscher Wertarbeit verklären.
Mit ihrer Diplom-Nostalgie zeigen die Ministerpräsidenten wenig Fachkenntnis. Doch auch wenn der Wunsch der Sechs dank des Einstimmigkeitsprinzips in der Kultusministerkonferenz in Sachen Akkreditierung folgenlos bleiben dürfte, ist er ein Signal. Zuallererst an die Bologna-Kritiker: Da geht noch was. Die Reform ist in der Politik nicht so fest verankert, wie die meisten Minister glaubhaft machen wollen. Das Signal geht aber auch an die Kultusminister: Wenn ihr jetzt nicht eure Chefs überzeugt, war die Protokollnotiz erst der Auftakt.
Die Hochschulen jedenfalls sollten sich in Acht nehmen. Der Riss, der da ganz offenbar durch die Politik geht, könnte sehr schnell auf dem Campus ankommen. Falls es noch einen Bologna-Fan gab, der dachte, es sei Zeit sich zurückzulehnen, sollte er jetzt dringend aufwachen.
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Hauptsache, dagegen Die Geisteswissenschaften fühlen sich bedroht von Ressentiments gegen das Akademische. Dabei kommt der Antiakademismus oft aus den Universitäten selbst

Dahin, wo es wehtut Was die Wissenschaft aus der ARD-Serie »Charité« über Kommunikation lernen kann »Ich wollte auf keinen Fall einen Vorteil haben« Die Bremer Senatorin Claudia Bogedan über ihre langwierige Suche nach einem Kita-Platz und Schreiben ihrer Behörde, die sie selbst nicht versteht Zu viele Einzelkämpfer Warum Lehrer aus Fortbildungen wenig mitnehmen Ohne Worte Universitäten wollen um jeden Preis internationaler werden. Leider sprechen die ausländischen Studenten kaum Deutsch. So geht es nicht weiter, sagen Marina Adams und Philipp Oswalt

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Seit dieser Woche in der ARD zu sehen: eine historische Krankenhausserie über die Berliner Charité im Jahr 1888. Fernsehkitsch oder eine schmissige Form von Wissenschaftskommunikation? Darüber schreibt Anna-Lena Scholz in der aktuellen ZEIT, S. 64.

Quelle: ARD
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Bleiben Sie gesund und munter!

Ihr CHANCEN-Team


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