| Kopftuch? Eigentlich ja, aber … Wer an etwas glaubt, hat es nicht immer leicht. Da würde man seine Ansichten noch so gern gern öffentlich zur Schau stellen, das Konterfei von SPD-Hoffnung Martin Schulz stolz auf der soziroten T-Shirt-Brust tragen oder gottgläubig den Rosenkranz um den Hals – aber zumindest am Arbeitsplatz könnte es damit künftig schwierig werden: Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zu Neutralität verpflichten, indem sie ein generelles Verbot solcher weltanschaulichen Merkmale aussprechen. So soll der Diskriminierung Einzelner vorgebeugt werden. Wir fragten Fabian Wittreck, Rechtswissenschaftler an der Uni Münster, was das Urteil in der Praxis bedeutet. Elbvertiefung: Das EuGH-Urteil klingt ein wenig wie: »Kopftücher am Arbeitsplatz sind im Prinzip erlaubt, aber …«, denn mit Einschränkungen können Arbeitgeber diese dennoch verbieten. Ist mit dem Urteil nicht trotzdem alles beim Alten geblieben? Fabian Wittreck: Nein. Neu ist aus meiner Sicht, dass der Arbeitgeber nun sagen kann, dass er nach außen weltanschaulich neutral auftreten will. Dann muss er festlegen, dass solche Merkmale – also Kopftuch, umgekehrtes Pentagramm oder ein Fan-Shirt von Martin Schulz – im Betrieb grundsätzlich verboten sind, und das auch konsequent durchsetzen. Heißt: Muss die Muslima ihr Kopftuch ablegen, gilt das ebenso für den Katholiken und sein Kreuz. Elbvertiefung: Auch wenn durch das Urteil die Diskriminierung von Einzelnen eingedämmt werden soll, werden auf diese Weise doch sehr religiöse Menschen in ihrem Arbeitsalltag eingeschränkt, oder? Wittreck: Der Europäische Gerichtshof legt großen Wert darauf, von politischen, philosophischen und religiösen Merkmalen zu sprechen. Allerdings ist es so, dass typischerweise nur Menschen zu solchen Symbolen greifen, die sich positiv einer Religion oder Weltanschauung verschrieben haben. Atheismus wird man schwer an der Kleidung erkennen. Elbvertiefung: Öffnet das Urteil Arbeitgebern auch ein Hintertürchen, durch das diese den lästigen Mitarbeiter samt religiöser Tracht auf die Straße setzen können? Wittreck: Ein Kopftuch ist weiterhin kein Kündigungsgrund. In Deutschland geht bislang die individuelle Religionsfreiheit vor. Außerdem: Wenn in einem Betrieb nur zwölf Mitarbeiter und davon eine mit Kopftuch arbeiten, plötzlich aber Neutralität gefordert wird, dann müsste man hinterfragen, ob das Recht nicht missbraucht wird, um konkret diese eine Kollegin loszuwerden. Elbvertiefung: Dennoch: Wenn der Chef nicht will, dass der Mitarbeiter weiterhin die Kunden mit Kippa bedient, muss er nur ein entsprechendes Dokument aufsetzen, in dem er Neutralität einfordert, und der Mann leistet künftig seine Arbeitsstunden als Lagerist ab … Wittreck: Ganz so einfach ist es nicht. Ja, das Urteil des EuGH gibt den Arbeitgebern theoretisch die Freiheit, von heute auf morgen ein neutrales Auftreten von ihren Mitarbeitern einzufordern beziehungsweise die Betroffenen vom Außendienst in den Innendienst zu versetzen. Bei international tätigen Konzernen könnte das nötig sein, wenn in gewissen Ländern ein nicht neutrales Auftreten zu Konflikten führen könnte. Ob der deutsche Arbeitgeber damit aber durchkommt und welche tatsächlichen Auswirkungen das Urteil auf den deutschen Arbeitsmarkt hat, kann derzeit noch niemand sagen. Im Zweifel müsste das erst von den deutschen Gerichten geprüft werden.
Hamburg verzichtet auf Gratis-Obst für seine Schüler
Bis zu 50 Grundschulen und Förderzentren in Schleswig-Holstein können vom Sommer an ein Jahr lang im Rahmen eines EU-Programms kostenlos Obst, Gemüse und Milch für ihre Schüler bekommen. Die EU stellt dem Bundesland dafür 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Hamburg dagegen hat beschlossen, an diesem Programm nicht teilzunehmen. Weil der Schulbehörde egal ist, ob die Kleinen auch gesund essen? Nein. »Im Falle der Umsetzung des EU-Schulobstprogramms entstünde erheblicher, mit der vorhandenen personellen Ausstattung nicht zu bewältigender Verwaltungsaufwand«, erklärt uns Peter Albrecht von der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung. Vor allem die erforderlichen »Kontroll- und Monitoringaufgaben« würden eine eigene Zahlstelle erfordern, die gerade erst erfolgreich aufgelöst wurde. Um das Thema Schulverpflegung kümmere sich laut Albrecht ein eigenes Qualitätsmanagement, das derzeit sukzessive an jeder Schule eingerichtet werde. »Hier wird fortlaufend die Qualität des Essens thematisiert.« Während das Mittagessen nur für Familien mit Sozialleistungsanspruch kostenlos ist, gibt es Snacks, Obst und Getränke während der Betreuungszeit am Nachmittag ohnehin für alle Schüler gratis. In Schleswig-Holstein hingegen ist die Obstverteilung auf zwei Tage pro Woche und Schule begrenzt. Kurz: Nette Geste, aber reicht nicht. Und: Was ist nach einem Jahr? |
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