Es war Politico, das Magazin der Nachrichtenjunkies in Washington, das Angela Merkel in der amerikanischen Hauptstadt mit der hübschen Schlagzeile begrüßte: "Die Führerin der freien Welt trifft Donald Trump." Das aufgeklärte Amerika macht sich über seinen Präsidenten lustig – wohl wissend, dass die wahre Macht noch lange im Weißen Haus liegen wird und bestimmt nicht im Berliner Kanzleramt.
Warum Trübsal blasen, wenn es auch ironisch geht? Donald Trump ist vielen Amerikanern entsetzlich peinlich, sie empfinden Hochachtung vor einer Frau, der jedes Trumpsche Gewese und Gedröhne fremd ist, die stattdessen auf rationale Argumente setzt. Mit Barack Obama hatte sie den idealen, intellektuell ebenbürtigen Partner gefunden, mit Trump kann sie erkennbar nichts anfangen.
Derek Chollet, ehemaliger Berater Obamas, der im vorigen Jahr ein kluges Buch über dessen Außenpolitik (The Long Game) veröffentlicht hat, sagt im Gespräch, Trump erinnere ihn an ein Mitglied der saudischen Königsfamilie: "Er verbringt seine Wochenenden in einem von Palmen gesäumten Palast, versammelt eine Schar von Höflingen um sich und regiert gern per Dekret."
Nach Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan ist Trump nun der dritte autoritäre Knochen, mit dem Merkel sich in der internationalen Politik herumschlagen muss – von einigen Bonsai-Autokraten wie Ungarns Viktor Orban einmal abgesehen. Sie hat sich dran gewöhnt und staunt doch immer wieder.
Schon die New York Times hatte nach dem Abschied Barack Obamas vom Weißen Haus geschrieben, nun bliebe vielleicht nur noch Merkel als "letzte Verteidigerin des liberalen Westens". Ihren Besuch in Washington nannte das Blatt nun eine Begegnung von "übergroßem Symbolismus: Der große Unruhestifter stößt auf die letzte Verteidigerin der liberalen Weltordnung."
Merkel wird die Wiederholung dieses Lobes nicht glücklicher machen. Als "absurd und grotesk" hat sie den Gedanken zurückgewiesen, die Führung des Westens könne vom amerikanischen Präsidenten auf den deutschen Regierungschef übergehen. Eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit, aber vielleicht wären andere für die Schmeichelei empfänglich gewesen.
In der Sache streitet sie schon mit dem nötigen Selbstbewusstsein. In Washington bekannte sie sich nachdrücklich zum freien Welthandel – während zur gleichen Zeit beim G-20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Baden-Baden die Amerikaner die übliche Absage an den Protektionismus aus der Abschlusserklärung strichen.
Eines hat die Bundeskanzlerin in Washington ganz klar gemacht: Weniger auf Deutschland, auf Europa kommt es an. Der deutsche Erfolg sei vom Erfolg der Europäischen Union nicht zu trennen, sagte sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus. Und das war vielleicht die wichtigste Botschaft an Trump, der einem Zerfall der EU ungerührt zusehen, ihn am liebsten sogar beschleunigen würde.
Gelernte Multilateralisten – seit sechzig Jahren
Gegen diesen Zerfall aber müssen die Europäer kämpfen, so wie es die Niederländer bei den Parlamentswahlen getan haben, als sie den Rechtspopulisten um Geert Wilders mit 13 Prozent eine Abfuhr erteilten. Vor ihnen haben die Österreicher bewiesen, dass Nationalisten und Populisten gestoppt werden können, wenn die Demokraten endlich in die Puschen kommen. Nun ist es an den Franzosen, es ihnen gleich zu tun.
Ein geeintes Europa – leider ohne die Briten – kann wirklich ein starker Verteidiger der liberalen Weltordnung sein. Nicht zuletzt, weil wir seit sechzig Jahren gelernte Multilateralisten sind, die wissen, dass die Probleme unserer Welt nur gemeinsam zu lösen sind. Und die begriffen haben, dass Sicherheit nicht allein mit militärischen Mitteln zu haben ist.
Wenn Donald Trump also im nächsten Haushalt 54 Milliarden Dollar mehr für die Verteidigung ausgeben will, aber die Gelder für die Diplomatie, die Entwicklungshilfe und den Umweltschutz zusammenstreicht, dann untergräbt er geradezu die Macht Amerikas, die ja nicht zuletzt auf seiner Soft Power beruht, auf seiner bis heute beispiellosen Fähigkeit, Menschen in aller Welt für sich zu gewinnen.
Es kann nicht darum gehen, dass irgendjemand von den Amerikanern die Führung der freien Welt übernimmt. Es kommt vielmehr darauf an, jene Kräfte in den Vereinigten Staaten zu unterstützen, die gemeinsam mit den Liberalen in Europa und überall sonst diese Ordnung gegen die "autoritäre Versuchung" (Ralf Dahrendorf) verteidigen.
Man kann die amerikanischen Kollegen verstehen, die aus tiefer Frustration heraus ihre Hoffnungen auf die deutsche Kanzlerin richten. Aber, um an dieser Stelle den Vorgänger Angela Merkels zu zitieren: "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen!" Das weiß übrigens auch Martin Schulz, der möglicherweise in einem halben Jahr die Führerin der freien Welt ablösen wird. Er weiß es hundertprozentig. |
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