| »Flüchtlinge bekommen keinen Zugang zum Recht«
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet in den Ankunftszentren die Asylbescheide im Schnellverfahren ab. Während dort die Akten weniger werden, häufen sie sich beim Verwaltungsgericht in Hamburg. Obwohl inzwischen drei von zwanzig Kammern allein für den Bereich Asyl zuständig sind, eine davon ausschließlich für Menschen aus Afghanistan, kommen die Richter kaum hinterher. Rund 4500 neue Fälle zu Asylverfahren waren es im vergangenen Jahr, etwa 2000 davon sind weiterhin unbearbeitet. Die Refugee Law Clinic Hamburg der Universität Hamburg, an der sich etwa 50 Jurastudenten ehrenamtlich engagieren, berät Flüchtlinge juristisch. Wir haben mit Helene Heuser, der Koordinatorin des Projekts, über ihre Arbeit gesprochen und nachgefragt, warum so viele Asylfälle vor Gericht landen. Elbvertiefung: Mit welchen Problemen kommen die Geflüchteten zu Ihnen in die Refugee Law Clinic Hamburg? Helene Heuser: In vielen Fällen geht es um das Asylverfahren und welche Rechte die Geflüchteten haben. Oft ist zum Beispiel nicht klar, ob die Menschen in ein anderes EU-Land zurückmüssen. Dann versuchen wir, die Besonderheiten des Einzelfalls herauszufinden. Eine sehr zeitintensive Arbeit. Ein weiteres großes Thema sind Familienzusammenführungen. EV: Sind diese Menschen benachteiligt, weil sie sich im deutschen Recht zu wenig auskennen? Heuser: Ja, schon. Es gibt unglaublich viele Fälle, in denen eigentlich eine Klage eingereicht werden müsste, etwa bei einem fragwürdigen negativen Asylbescheid. Wir würden das gern auffangen, aber wenn es vor Gericht geht, ist es besser, es in die Hände eines Anwalts zu geben, deswegen kooperieren wir auch mit einigen. Aber die haben kaum Termine frei. Faktisch heißt das, dass die Flüchtlinge keinen Zugang zum Recht bekommen. Denn ohne qualifizierten Rechtsbeistand kann man sich ein Klageverfahren schenken. EV: Beim Verwaltungsgericht stapeln sich die Fälle. Warum sind die Gerichte überlastet? Heuser: Den Juristen wird da etwas aufgebürdet, was im Grunde die Behörden und die Politik verbockt haben. Dass Afghanen in ihr Land zurückkehren müssen, ist aus juristischer Sicht kaum haltbar, aber politisch so gewollt. Die Juristen müssen da jetzt korrigierend eingreifen und sind damit überfordert. EV: Wie kommt es denn zu all diesen Fällen, die gerichtlich noch einmal geprüft werden müssen? Heuser: Die Flüchtlinge bekommen zu wenig Begleitung bei wichtigen Terminen, dadurch versäumen sie zum Beispiel die für einen positiven Bescheid wichtigen Punkte bei der Anhörung zu nennen. Da setzt unsere Arbeit an. Wir beraten frühzeitig. Erschwert wird dies aber durch die Ankunftszentren, in denen innerhalb einer Woche über das Asyl entschieden wird. Da dort alles sehr schnell geht, haben die Flüchtlinge weder die Zeit sich zu informieren noch sich Beratung zu suchen. Das untergräbt auch geltendes EU-Recht, das besagt, dass Flüchtlinge während des Asylverfahrens Anspruch auf Rechtsbegleitung haben.
Diskussion um Straßennamen: Muss die Körber-Chaussee verschwinden?
Wie viel Nationalsozialismus verträgt ein Stadtteil? Beim Hauptausschuss Bezirksversammlung in Bergedorf wird am Donnerstag über diese Frage diskutiert. Stein des Anstoßes war die Veröffentlichung der Datenbank »Die Dabeigewesenen« der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg im vergangenen Jahr. Zehn Männer, nach denen in Bergedorf Straßen benannt sind, hatten demnach Anteil an NS-Gewaltverbrechen – darunter auch Ehrenbürger Kurt A. Körber. Was tun, fragte sich die Bezirksversammlung damals und setzte eine Expertenkommission auf den Fall an. Die wühlte in den vergangenen Monaten in historischen Quellen, diskutierte und stritt, bis in der vergangenen Woche eine Empfehlung vorgelegt wurde: In einem Fall sei die Umbenennung einer Straße erforderlich, in drei Fällen werde dazu geraten, so auch bei Kurt A. Körber. Aus seiner Tätigkeit als Prokurist bei den Dresdner Universelle-Werken, bei denen auch KZ-Häftlinge eingesetzt wurden, leitet die Kommission »eine mindestens moralische Mitverantwortung« ab. Die Körber-Stiftung weist die Anschuldigungen zurück. Zwar habe sich Körber »sicherlich opportunistisch verhalten, für eine Täterschaft gibt es aber keinerlei Dokumente oder mündliche Äußerungen.« Alyn Beßmann, Archivarin in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Mitglied der Kommission, sagt jedoch: »Wir sehen Verstrickungen. Wir haben die Empfehlung weicher formuliert, weil die Quellen nicht glasklar sind.« Es steht Kommission gegen Stiftung – nun sind die Bergedorfer gefragt. |
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