Präsident Trump steht vor seiner ersten außenpolitischen Krise. Sie braut sich im geteilten Korea zusammen und sie berührt nicht nur Seoul und Pjöngjang, sondern sehr direkt auch China, Amerika und Japan. Mit einem Tweet wird sich der koreanische Knoten nicht lösen lassen. In der vergangenen Woche sind die verschiedenen Fäden sichtbar geworden, die sich zu einer gefährlichen Krisensituation verknotet haben.
Die USA stationieren Raketen in Südkorea
Nordkorea schoss am vergangenen Montag vier Mittelstreckenraketen ab, die in die Japanische See stürzten, im Ernstfall jedoch mindestens den US-Marinestützpunkt Iwakuni bei Hiroshima erreichen könnten. Die besorgte japanische Verteidigungsministerin Tomomi Inada reagierte darauf mit einer Erklärung, dass der Erwerb einer Präventivschlagskapazität nicht mehr auszuschließen sei. Die Amerikaner jedoch schafften daraufhin die ersten Teile des Raketenabwehrsystems Thaad nach Südkorea, das den Süden gegen nördliche Angriffe immun machen soll. Dagegen protestierte der chinesische Außenminister aufs Heftigste; er sieht darin ein Stück Einkreisung Chinas und eine Schwächung seines eigenen Abschreckungspotenzials.
Dann setzte Ende der Woche das südkoreanische Verfassungsgericht die Präsidentin Park Geun Hye ab. Gegen sie lief seit Dezember ein Amtsenthebungsverfahren wegen einer bizarren Affäre, in der sich Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft und Bestechlichkeit vermischten. Für Parks Absetzung waren in den letzten Monaten Millionen Menschen in Großdemonstrationen auf die Straße gegangen. In Südkorea, wo das Militär 1987 das Ruder an die Demokraten übergeben hat, bewies das Volk seine demokratische Reife. Zur gleichen Zeit erklomm der Jungdespot Kim Jong Un in Nordkorea den Gipfel der Brutalität, indem er nach seinem Onkel nun auch seinen Halbbruder Kim Jong Nam ermorden ließ – mit dem tödlichen Gift VX, was den Verdacht nährt, dass Nordkorea sich neben Atomwaffen auch ein Arsenal von Chemiewaffen zugelegt hat.
In Südkorea wird nun im Mai neu gewählt. Alles deutet darauf hin, dass Moon Jae In, der Kandidat der linksliberalen Demokratischen Partei, das Rennen machen wird – ein Mann, der im Verhältnis zu Nordkorea an die sogenannte Sonnenscheinpolitik des Präsidenten Kim Dae Jung anknüpfen will und der der Stationierung der amerikanischen Thaad-Raketen mehr als skeptisch gegenübersteht. Offenkundig haben die Amerikaner deswegen vorzeitig mit dem Aufbau begonnen. Sie ahnen wohl, dass sich die politischen Gegebenheiten auf der koreanischen Halbinsel fundamental verändern können.
Die Chinesen jedoch? Sie missbilligen die atomare Aufrüstung Nordkoreas und haben sich zuletzt sogar dazu durchgerungen, Kohlelieferungen aus dem kommunistischen Nachbarland bis zum Jahresende zu sperren. Großen Eindruck scheint dies bisher ebenso wenig zu machen wie die schon zuvor verhängten Sanktionen.
China droht
Doch unangenehmer noch als Kim Jong Uns Atomwaffen sind den Chinesen die amerikanischen Raketen im Süden der Halbinsel. So werfen sie sich wieder einmal als besorgter, ehrlicher Makler in Positur. Zwar forderte Außenminister Wang Yi Nordkorea auf, sein Raketen- und Atomwaffenprogramm einzustellen, doch gleichzeitig verlangte er von den USA, von ihren Militärmanövern mit der südkoreanischen Armee Abstand zu nehmen. Vor der Presse sagte er während der Sitzung des Volkskongresses in Peking: "Die beiden Seiten sind wie beschleunigende Eisenbahnzüge, die aufeinander zurasen, und keiner will dem anderen ausweichen. Die Frage ist: Wollen sie beide wirklich einen Zusammenstoß riskieren? In dieser Lage ist es unsere Priorität, das rote Licht zu zeigen und in beiden Zügen die Bremsen zu betätigen."
Unverblümter noch drückte sich der General a.D. Luo Yang aus. In der Global Times durfte er am Donnerstag voriger Woche eine harte Reaktion auf die Thaad-Stationierung fordern, wobei er so weit ging, auch einen Vernichtungsschlag zu erwägen. "Wir könnten eine chirurgische Kill-Operation unternehmen", schrieb er, "die das Ziel zerstört und einen Gegenschlag vereitelt". Er setzte hinzu: "Da die Vereinigten Staaten, Japan und Südkorea Chinas Sicherheitsbedürfnis nicht respektieren, braucht sich China auch nicht wie ein Gentleman zu benehmen. Wir dürfen nicht unsere eigenen Sicherheitsinteressen unterminieren, aber zugleich die Sicherheitsinteressen der anderen respektieren."
Starker Tobak. Doch wie wird Donald Trump reagieren?
"It won't happen"
Während des Wahlkampfes sagte er einmal, er werde sich gern zu einem Burger mit Kim Jong Un zusammensetzen; er hatte wohl gehört, dass Kim eine Schwäche für Fast Food hat. Doch als dann davon die Rede war, dass Nordkorea Atomraketen entwickle, die den amerikanischen Kontinent erreichen können, twitterte er in aller Entschiedenheit: "It won’t happen", nichts da. Also?
Am vorigen Montag telefonierte Trump mit dem amtierenden Präsidenten Südkoreas und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe. Beiden versicherte er, er stehe an ihrer Seite und er werde Maßnahmen ergreifen, um sie gegen die Bedrohung durch Nordkoreas Raketen zu verteidigen; dabei werde das "ganze Spektrum von Amerikas militärischen Fähigkeiten" eingesetzt. Diese Woche ist sein Außenminister Rex Tillerson in Asien unterwegs. Sein Ziel, so heißt es, sei es, "ein neues Herangehen an Nordkorea zu versuchen".
Was dies bedeutet, bleibt unklar. Ein Friedensvertrag gegen ein Atommoratorium Pjöngjangs? Einen Cyberangriff auf Kims Raketenbasen und Atomanlagen, analog zu der Stuxnet-Attacke auf Irans Urananreicherungszentrum? Noch schärfere Sanktionen, obwohl die bisherigen schon nichts gebracht haben? Oder eine neue Phase der Entspannungspolitik, eingeleitet bei einem Hamburgeressen? Trumps noch immer unvollständiges National Security Team brütet seit Wochen darüber; schließlich hat Obama seinem Nachfolger Korea ans Herz gelegt; es sei die aktuellste und dringendste Herausforderung.
Trumps UN-Botschafterin Nikki Haley hält einen Dialog mit Nordkoreas Machthaber für sinnlos; er sei "nicht rational". Aber nicht nur Moon Jae In, höchstwahrscheinlich Südkoreas nächster Präsident, will zurück an den Verhandlungstisch. Der frühere US-Verteidigungsminister William Perry hält eine Abmachung durchaus für möglich, in der Kim auf weitere Atom- und Raketentests verzichtet und einer Weitergabe seiner Technologie abschwört, wenn im Gegenzug Südkorea Wirtschaftshilfe leistet und die USA dem Norden Sicherheitsgarantien geben. Die New York Times plädiert ebenfalls für einen neuen Ansatz: "Trotz aller früheren Frustrationen ist der Versuch, wieder mit dem Norden zu verhandeln, einer Verschärfung der Spannung vorzuziehen." Er setzte hinzu: "Ich schlage diesen Ansatz ohne große Begeisterung vor. Aber die einzig realistische Alternative wäre militärischer Gewalteinsatz."
Wie wird sich der Neue im Weißen Haus entscheiden? Es wird zum ersten Mal Auskunft geben über seine Entscheidungsfähigkeit in Krisensituationen. |
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