| Wahlkampf: »Zwei Wochen nachdem die Plakate hängen, sind die meisten Bürger schon überreizt« Die einen setzen auf Popstar-Optik, andere auf Deutschlandfarben. Vor allem aber sind Wahlplakate eine Woche vor der Bundestagswahl gefühlt überall. Mit welchem Effekt? Was macht ein gutes Plakat aus – und welche Plakate können einem Kandidaten sogar schaden? Wir haben mit Martin Fuchs gesprochen, Politikberater und Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Uni Passau. Elbvertiefung: Herr Fuchs, wann ist ein Wahlplakat gut? Martin Fuchs: Es darf nicht mit Text überladen werden, muss strukturiert und übersichtlich sein. Drei klare, möglichst konkrete Schlagworte funktionieren besser, als klein gedruckt den Begriff der sozialen Gerechtigkeit zu erklären. Sogenannte Kopfplakate, die einen Kandidaten von Nahem zeigen, kommen beim Wähler laut Untersuchungen besser an als reine Themen- und Textplakate. Alle mir bekannten Studien aus der Wahlforschung zeigen, dass am Ende die Sympathie für den Kandidaten entscheidend ist. Es geht also darum, eine persönliche Ebene zu schaffen. EV: Trotzdem: Kopf, Logo, Slogan – ist das nicht etwas öde? Fuchs: Damit das Plakat in Erinnerung bleibt, sollte man ruhig auf skurrile, provozierende Elemente setzen. Bloß nicht langweilen! Gut sind etwa interaktive Plakate, die dazu auffordern, eigene Ideen und Wünsche auf dem Plakat zu hinterlassen. EV: Das kommt ja manchmal auch unaufgefordert vor. Fuchs: Abzuraten ist vom »Negative Campaigning«, bei dem politische Gegner schlechtgemacht werden: Es ist durch psychologische Studien erwiesen, dass dies gerade bei den Deutschen nicht gut ankommt. Wichtiger ist es, soziale Medien mitzudenken. Ich empfehle, lieber nur zehn kreative Plakate in einem Stadtteil aufzuhängen als 100 gewöhnliche – und dann auf die viralen Effekte des Netzes zu setzen. Bei knapp 60 Prozent Smartphone-Nutzern in Deutschland wird bestimmt jemand das Plakat entdecken, ins Netz stellen, und als Nebeneffekt landet es in den klassischen Medien, sodass auch die Offliner davon erfahren. EV: Wo sollte man plakatieren – dort, wo man seine Wähler vermutet, oder dort, wo man gern mehr hätte? Fuchs: An gut einsehbaren Stellen wie Kreuzungen und Verkehrsinseln zu plakatieren macht Sinn, prinzipiell sollen Plakate aber Stammwähler mobilisieren; plakatiert wird dort, wo Parteien traditionell viele Stimmen bekommen. Wechselwähler durch Plakate zu überzeugen gilt als zu kostenintensiv und wäre eine Ressourcenverschwendung. EV: Gibt es ein Zuviel an Plakaten? Fuchs: Mein Eindruck ist, dass die meisten Bürger, zwei Wochen nachdem die Plakate hängen, schon überreizt sind. Im Netz werden dann Fotos von zuplakatierten Straßen gepostet, mit der Beschwerde, dass hier die Stadt verschandelt würde. Wenn das Gesicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs an 500 Bäumen hängt, haben die Leute eben schnell genug. Das wirkt nicht sympathisch, da entsteht der Eindruck: »Sei halt nicht so arrogant, und lass den anderen Parteien auch eine Chance.« EV: Wenn die Plakate schnell nerven, könnte man dann nicht einfach auf sie verzichten? Fuchs: Nein, man spricht da vom »Plakatierungsdilemma«: Kaum eine Studie belegt, dass Plakate die Wahlentscheidung beeinflussen. Trotzdem will keine Partei auf sie verzichten, denn es fällt auf, wenn sie fehlen. Zum einen haben Plakate eine Signalfunktion, sie weisen auf die Wahl hin. Zum anderen fürchten Parteien Nachteile, wenn sie gar nicht oder weniger plakatieren als andere. Beispiele dafür, wie Wahlplakate nicht aussehen sollten, sammelt Martin Fuchs als »Wahlplakate from hell«.
CDU-Politiker André Trepoll fordert Volksreferendum zur Roten Flora Kurz nach den Krawallen um den G20-Gipfel war sie in aller Politiker-Munde: die Schließung der Roten Flora. Selbst auf Bundesebene. Prominente Befürworter waren unter anderem Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Nun kehrt das Thema in die Nachrichten zurück, dieses Mal allerdings kommt die Initiative aus Hamburg. André Trepoll, CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, fordert in einem Interview mit der »Welt am Sonntag« ein Volksreferendum. Und zwar nicht nur in der Schanze, sondern in ganz Hamburg. »Aus unserer Sicht ist das eine Frage von grundsätzlicher und gesamtstädtischer Bedeutung«, sagt Trepoll und betont: »Im kommenden Jahr könnten dann alle Hamburger sagen, ob sie es weiter wollen, dass dort ein rechtsfreier Raum fortbesteht – oder ob wir zu einer Räumung und einer sinnvolleren Nutzung kommen.« Jetzt sieht der CDU-Politiker die Regierung in der Pflicht. Denn für das Referendum wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, die seine Partei gemeinsam mit der SPD und den Grünen hätte. »Diese Zusammenarbeit biete ich dem Bürgermeister in dieser wichtigen Frage an«, so Trepoll, der einen entsprechenden Antrag in der Bürgerschaft einbringen will. Ob Olaf Scholz vorhat, das Angebot anzunehmen? Von ihm gab es dazu gestern keine Stellungnahme. Dafür meldeten sich die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien zu Wort: »Eine kluge Problemlösung bei der Roten Flora lässt sich schwer auf eine simple Ja-Nein-Frage reduzieren«, schreiben Andreas Dressel von der SPD und Anjes Tjarks von den Grünen. Und merken an: »Wer eine Woche vor einer Wahl mit so einem Vorstoß um die Ecke kommt, muss sich schon fragen lassen, ob es hier um Stimmungsmache oder sachliche Problemlösung in unserer Stadt geht.« Sie werben dafür, sich auf die gründliche Aufarbeitung der Ereignisse im Sonderausschuss zu konzentrieren. Ein Jahr lang geht es dort um G20. Erst kürzlich haben sich SPD, Grüne, CDU (!) und FDP auf einen gemeinsamen Fahrplan verständigt. Jetzt erst einmal die Ergebnisse abwarten? Keine schlechte Idee. |
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