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am Tag nach der Bundestagswahl herrschte auch in Hamburg bei den großen Parteien eher gedrückte Stimmung: Bei den Zweitstimmen liegt die SPD in der Stadt bei 23,5 Prozent – wie gesagt hinter der CDU, die ebenfalls verloren hat, aber mit 27,2 Prozent stärkste Partei wurde. Die Grünen dagegen holten in Hamburg 13,9 Prozent der Stimmen, mehr als in jedem anderen Bundesland. Frohgemut – und frisch bei der Arbeit – begrüßte gestern denn gleich auch Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, dass die Laubräumung auf Radwegen in der Herbstsaison 2017 auf 230 Kilometer ausgeweitet werden soll, mit neuem Gerät und zusätzlichem Personal – »An immer mehr Stellen wird so deutlich: Hamburg wird Fahrradstadt!« Die Linke erreichte 12,2 Prozent, deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, die FDP 10,8 Prozent. Die AfD kam in Hamburg auf 7,8 Prozent der Stimmen, das sind so wenige wie in keinem anderen Bundesland.
Und während sich die Rechtsaußenpartei auf Bundesebene schon anfängt zu zerlegen und man erzählt, Angela Merkel habe Martin Schulz angerufen, aber er habe sie abblitzen lassen, geht sie weiter, die Diskussion um die AfD, aber auch um das Heraufbeschwören von AfD-Horrorszenarien und Fragen wie jene, ob Umfragen möglicherweise die Wahl beeinflusst haben und ob die Medien dieser Partei nicht zu viel Aufmerksamkeit gewidmet haben, ob es gar ein Fehler war, jemals über die AfD zu berichten – was wiederum die Frage aufwirft, welche Art von Medienverständnis mit dieser Frage einhergeht. Mittlerweile mehren sich die Stimmen, die beschlossen haben, im Wahlausgang die Chancen für die anderen Parteien zu sehen, sich offenbar vernachlässigte Sorgen und Nöte der Bürger einmal anzusehen. Für alle, die das beschäftigt, ist vielleicht der Blick in ein Projekt von ZEIT ONLINE interessant. Die Kollegen fragten: »Haben Sie die AfD gewählt? Sagen Sie uns, warum.« Bis gestern zum frühen Abend waren über 400 Antworten da.
Wahl in Hamburg: G20-Denkzettel?
Nach den turbulenten letzten Monaten steht auch angesichts des in Hamburg besonders deutlichen SPD-Einbruchs eine Frage im Raum: Liegt’s an G20? Nö, die Wähler seien so klug, zwischen Bundestags- und Bürgerschaftswahlen zu unterscheiden, sagte Bürgermeister Olaf Scholz dem »Hamburger Abendblatt« – und verwies dabei auf das auch schon eher maue Ergebnis der SPD bei der vorherigen Wahl im Bund und das folgende bessere Abschneiden bei der Bürgerschaftswahl. Ist so viel Selbstbewusstsein angebracht? Scholz habe wohl recht, erklärte uns Kamil Marcinkiewicz, Politologe an der Uni Hamburg. »Wenn wir etwa die Ergebnisse in Hamburg und Bremen vergleichen, haben CDU und SPD zwischen 2013 und 2017 in gleichem Umfang Stimmen verloren.« Das deute auf allgemeine Abwärtstrends hin und zeige, dass die Hamburger diesmal ihr Kreuzchen nicht für die Lokalpolitik gesetzt hätten. Einen Denkzettel für G20 könnte Scholz dennoch bekommen, »bei der nächsten Bürgerschaftswahl«. Die Bewohner der vom Gipfel-Chaos besonders gebeutelten Stadtteile aber wollten, das drängt sich beim Blick auf die Zahlen auf, womöglich doch nicht so lange warten: In Altona-Altstadt sackte die SPD von 31,3 auf 19,8 Prozent ab, in der Sternschanze von 24,4 auf 13,7 Prozent. FDP und Linke (mit 10,8 und 12,2 Prozent), so Marcinkiewicz, profitierten indes von der Schwächung der Großparteien, die Linken hätten das Thema »soziale Gerechtigkeit« glaubwürdiger vertreten. Und dass die AfD im Vergleich zum Bundesschnitt in Hamburg schwach abgeschnitten, in Wahlbezirken wie Bergedorf oder Harburg aber punkten konnte, überrasche nicht: »Trotz aller sozialen Probleme geht es den Hamburgern relativ gut, hier haben es die Rechtspopulisten schwer, Wähler zu mobilisieren«, so Marcinkiewicz – anders als in strukturschwächeren Randgebieten, in denen soziale Ängste groß seien. Sicher, Angst war noch nie ein guter Ratgeber. |
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