| Guten Morgen, | | |
dass die Notaufnahmen der Hamburger Krankenhäuser überlastet sind, ist ein bekanntes Problem. Vor Kurzem erwähnte ich hier eine Studie des UKE, nach der die Hälfte der in Notaufnahmen herumsitzenden Leute gar nicht so krank seien, dass sie in die Notaufnahme gehörten; sie waren eigentlich nur da, weil sie (gerade) nicht in eine Arztpraxis konnten. Dazu kommen jene, denen keine Wahl bleibt, sei es aus gesundheitlichen Gründen, sei es, weil Facharztpraxen auf Monate hinaus ausgebucht sind, sei es wegen anderer Zwänge unseres überforderten Gesundheitssystems. Gut also, dass sich Hamburger Mediziner und Kliniken trafen, um über Lösungen zu beraten, etwa über die Einrichtung von »Portalpraxen« an den Notaufnahme, wo niedergelassene Mediziner Leute behandeln können, die nicht unbedingt in die Notaufnahme gehören. Am Marienkrankenhaus etwa gibt es eine solche Kooperation seit Jahren. Doch das Ergebnis der Beratungen, das jetzt bekannt wurde, sind keine »Portalpraxen«, sondern ist lediglich eine Nummer – die Telefonnummer 116 117. Diese, berichtete gestern NDR 90,3, solle ab dem kommenden Jahr die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten. Wie das? Unter 116 117 solle künftig der »Arztruf Hamburg« erreichbar sein, ein neuer Telefon- und Terminservice der Hamburger Kassenärzte. Wer sich nicht fühle und diese Nummer wähle, der habe einen Arzt in der Leitung. Und der entscheide ferndiagnostisch, ob der Möchtegernpatient wirklich ins Krankenhaus müsse, gar den Notdienst benötige oder ob ein normaler Arzt ausreiche. In dem Fall solle der kassenärztliche Telefonservice die Anrufer flugs in eine Arztpraxis lotsen, könne sich dort wohl auch um einen Termin »für die kommenden Tage« kümmern. Für Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks sei das, zitiert der NDR, »ein großer Schritt in die richtige Richtung, um die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten«. Gesegnet sei der schnelle Durchblick der Senatorin für Gesundheit; sie scheint auf dem richtigen Posten zu sein. Denn für den Laien bleiben Fragen offen: Wie soll die Ferndiagnostik am Telefon funktionieren? Wird man künftig so viel Zeit in der Warteschleife verbringen müssen wie heute in der Notaufnahme? Und wie soll der Terminservice schaffen, was viele einigermaßen intelligente und durchaus des Telefonierens mächtige Patienten nicht zustandebringen – einen Termin »für die kommenden Tage« bei einem Orthopäden, Neurologen, Radiologen zu besorgen? – denn leider: von einer Vermehrung der Arztpraxen war nun nicht mehr die Rede. Ach so, die Zusatzfrage: Wie will die Stadt eigentlich jeden Bürger, der sich auf den Weg ins Krankenhaus machen will, veranlassen, statt dessen brav die 116 117 anzurufen? Und selbst die Kassenärztliche Vereinigung meldete angeblich gegenüber dem NDR ihre Zweifel an, dass man es schaffe, die Nummer so schnell bekannt zu machen. Zumindest da kann ich etwas beruhigen: Die 116 117 dürfte dem einen oder anderen schon bekannt sein. Es ist die bundeseinheitliche Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die man als bedürftiger Kassenpatient wählen kann, damit nach Stunden ein meist netter, aber in der Regel völlig fachfremder Arzt erscheint. Ist der schöne »neue Arztruf« jetzt einfach ein perfider Trick, um die Patienten dorthin umzuleiten? Oder ist die ganze Story nur ein dummer Irrtum – und jetzt kommen sie bald, die »Portalpraxen«? Apropos Irrtum: Uns erreichten entsetzte Mails von Lesern aus St. Pauli, die planen, den Stadtteil sofort zu verlassen, weil sie ab kommendem Jahr nicht den fünffachen Satz der neuen Straßenreinigungsgebühr bezahlen wollen (wir berichteten gestern). Da gab es ein Missverständnis zwischen uns und der Stadtreinigung: Diese legt Wert auf die Feststellung, dass künftig auch in noch so pappbecherübersäten Gegenden höchstens der zweifache Satz der Gebühr fällig werde. Bitte nicht umziehen, wir bitten um Entschuldigung!
G20-Urteil VI: Ein Jahr Haft ohne Bewährung
Politisch aufgearbeitet wird der G20-Gipfel ab morgen im Sonderausschuss, die juristische Spurensuche ist bereits in vollem Gange. Am Montag wurde ein 31-jähriger Ungar zu 16 Monaten Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Richters hatte er eine Flasche auf einen Polizisten geworfen. Die traf zwar nicht und zerschellte am Boden – dass der Angeklagte dann aber doch eine relativ harte Strafe bekam, begründete das Gericht mit dessen Vorstrafen: Der Mann hatte wegen Todschlags in Ungarn und Körperverletzung in Deutschland gesessen. Mit dem Urteil endete der nunmehr sechste G20-Prozess – und viele weitere dürften folgen: 26 Menschen sitzen noch in Untersuchungshaft und warten auf ihre Gerichtsverhandlung, sagte uns Gerichtssprecher Kai Wantzen. Nach diesen Fällen, bei denen »akute Fluchtgefahr« bestehe, kämen dann »höchstwahrscheinlich« jene 91 Personen vor Gericht, bei denen die Staatsanwaltschaft einen »dringenden Tatverdacht« festgestellt, aber noch keinen Haftbefehl erlassen habe. Sechs Verfahren, viermal Bewährung, zwei Haftstrafen – das ist die vorläufige Bilanz der G20-Prozesse. Was auffällt: Alle Angeklagten waren sehr jung (einer nicht einmal im Erwachsenenalter), viele kamen nicht aus Deutschland und waren für den Gipfel aus dem Ausland angereist. Nur in einem der Fälle stand ein gebürtiger Hamburger mit Migrationshintergrund vor Gericht. Was das nun über die Rolle der linksextremistischen Szene und jene der Roten Flora aussagt, deren Schließung die CDU gerade so vehement einfordert? Wenig, bisher. Wie viele Hamburger noch auf die Anklagebank müssen, stehe derzeit nicht fest, so Wantzen. Nächste Woche geht es weiter, vier Gerichtstermine mit G20-Hintergrund stehen bereits fest: Am Montag ist ein junger Spanier, am Dienstag ein Tscheche, am Donnerstag sind ein Italiener und ein in Hamburg geborener Senegalese vor Gericht. |
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