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was für ein Land ist das hier? Alle hatten davor gewarnt, nun ist es passiert: Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wird eine Partei rechts der Union in den Bundestag einziehen – und dann gleich auf Platz drei. Die rechtsnationale AfD, im Jahr 2013 noch knapp gescheitert, lag gestern nach ersten Hochrechnungen bei über 13 Prozent, vor der FDP mit gut 10 und den Grünen und den Linken bei knapp unter 9 Prozent. Gewinner nach Zahlen ist die Union mit ihrem schwächsten Ergebnis seit 1949: 33,0 bis 33,2 Prozent; 2013 hatten die Konservativen noch 41,5 Prozent geholt. Und die ehemalige Volkspartei SPD ist kaum noch eine Volkspartei: Nachdem sie schon in den vorigen Bundestagswahlen immer mehr absackte, liegt sie nun bei rekordtiefen 20,8 Prozent. Martin Schulz von der SPD kündigte noch gestern Abend den Gang in die Opposition an – sonst wäre der Partei der Rechtsaußen die Rolle des Oppositionsführers im Parlament zugefallen. Angela Merkel will trotz der Verluste weiterregieren; vielleicht in einem Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen.
Und was heißt jetzt das mit der AfD? Was tun wir mit dem Erfolg der Agitatoren, Trillerpfeifenstörer, »Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfen«-Pöbler? ZEIT ONLINE-Leser waren nach den ersten Hochrechnungen so geschockt, dass bei der Dauerfrage »Wie geht es uns?«, über die man auf der Website abstimmen kann, die Negativwerte zum ersten Mal überhaupt 100 Prozent erreichten. In Hamburg zog eine spontane Demo mit rund 400 Menschen vom Hauptbahnhof zum Gerhart-Hauptmann-Platz, während die hiesige AfD erst nicht verraten wollte, wo sie ihre Wahlparty feierte, und dann die Kneipe im Stellinger Weg recht schnell wieder verließ. Und die alte und neue Kanzlerin Angela Merkel kündigte an, die Wähler von der AfD zurückholen zu wollen. Eine andere Chance gibt es nicht, wenn man nicht will, dass die ganze Geschichte dramatisch endet. Aber man muss es richtig machen. Stellen die demokratischen und etablierten Parteien es gut an, kann der Einzug der AfD ins Parlament auch einen Neuanfang für sie bedeuten.
Denn die allermeisten Deutschen wollen sie nicht, die Eskalation in der öffentlichen Auseinandersetzung, die Diskriminierung von Menschen mit anderen Ansichten und anderer Herkunft. Aber, das schrieb auch ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in der aktuellen ZEIT, man muss aus der Kritik, die hinter der Abkehr vieler Wähler von den etablierten Parteien steckt, auch Konsequenzen ziehen, und sie nicht nur mit Worten abtun. Man müsse etwa zur Kenntnis nehmen, »dass der Zuzug der Flüchtlinge, die beschwichtigenden Parolen der Bundesregierung, die Schwierigkeiten und die Kosten der Integration sowie die Angst vor mehr Kriminalität und Terror Millionen von Menschen beschäftigen«. Viele fürchten auch, dass die Gesellschaft weiter auseinander driften, dass die Kriminalität zunehmen, dass der Einfluss des Islam zu stark werden wird.
Die Wähler ernst nehmen, auch jene, die das Gefühl haben, dass es schon lange nicht mehr um sie geht, dass man auch mit noch so viel Anstrengung und Fleiß nicht weiterkommt in diesem Land, dem es doch immer noch so gut geht, das ist jetzt die Aufgabe der Politik. Dann könnte die AfD bald wieder Geschichte sein.
CDU hat SPD in Hamburg überholt
Ihr Vorsprung war zwar ohnehin nur hauchdünn, doch auch den ist die SPD in Hamburg nun los. Die Sozialdemokraten dürften bei den Zweitstimmen auf nur noch 23,6 Prozent gekommen sein, ein Minus von 8,8 Prozent. Die CDU hat ebenfalls verloren, allerdings nicht so stark. Sie liegt jetzt noch bei 27,2 Prozent (ein Minus von 4,9). Lediglich in Hamburg-Mitte dürften die Sozialdemokraten ihre Führung behalten. Bei den Direktmandaten hat allerdings die SPD in fünf von sechs Wahlkreisen die Nase vorn. Lediglich im Wahlkreis Nord hat Christoph Ploß von der CDU Dorothee Martin geschlagen. Gleichzeitig hat auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz gestern bestätigt, dass sich die SPD nicht erneut an einer Koalition beteiligen wird. Es sei für die demokratische Debatte in Deutschland wichtig, wenn die SPD die Opposition im Bundestag anführe, sagte Scholz. Und gab sich optimistisch: Die SPD werde keine 20-Prozent-Partei bleiben. Was ist noch in Hamburg? |
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