OECD lobt deutsches Bildungssystem I Thesen der Böll-Stiftung zur Wissenschaftsfreiheit I Futurium-Chef Stefan Brandt beantwortet 3 1/2 Fragen I Gastkommentar der Politikwissenschaftlerin Jale Tosun

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
das geht runter wie Öl: Ausnahmsweise lobt die OECD das deutsche Bildungssystem. Die Böll-Stiftung legt Thesen zur Wissenschaftsfreiheit vor. Der Futurium-Chef Stefan Brandt beantwortet unsere 3 1/2 Fragen und die Politikwissenschaftlerin Jale Tosun macht sich im Gastkommentar Gedanken zur Wissenschaftskommunikation.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Tut auch mal gut: Lob
Bei der Vorstellung des jährlichen Berichts "Bildung auf einen Blick" waren die OECD-Vertreter ausnahmsweise voller Lob für das deutsche Bildungssystem, wie etwa die FAZ  und die Badische Zeitung berichten. Der Anteil der Studienanfänger in Natur- und Ingenieurswissenschaften liege deutlich über dem OECD-Mittel (10 und 23 Prozent in Deutschland gegenüber 6 und 16 Prozent im OECD-Schnitt). Kritik gab es an der Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems: Die Bildungsausgaben lägen mit 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weiter deutlich unter dem OECD-Mittel von 5,2 Prozent. Auch in der tertiären Bildung hätten die Ausgaben nicht mit der gestiegenen Zahl Studierender Schritt gehalten.
  
 
 
Grüne Thesen zur Wissenschaftsfreiheit
Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung legt 13 Thesen zur Wissenschaftsfreiheit vor. „Fake News“, so die Stiftung, gefährdeten rationale Argumente und in immer mehr Staaten seien Wissenschaftler/innen Repressionen ausgesetzt. In den Thesen beschreiben Kai Gehring, Hochschulexperte der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, und Philipp Antony von der Böll-Stiftung, was ihrer Meinung nach zu tun ist.
  
 
 
Studenten schlafen im Auto
Die niederländischen Universitäten haben erfolgreich ausländische Studierende angelockt, aber sich wohl zu wenig um Wohnraum gekümmert. Das berichtet das Magazin Times Higher Education unter Berufung auf die niederländsiche Studentengewerkschaft. Internationale Studenten schliefen in Autos, auf Campingplätzen und in Flüchtlingsunterkünften.
  
 
 
Wie weiter nach dem March for Science?
Wie begegnet man der Wissenschaftsskepsis? Was ist schiefgelaufen im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit? Und mit welchen Konzepten kann die Wissenschaft ihrer (vermeintlichen?) Legitimationskrise begegnen? Dies sind die Themen für Diskussionen und Arbeitsgruppen bei der Fachtagung der Volkswagenstiftung am 25. und 26. Oktober 2017 in Hannover. Die Tagung findet in Partnerschaft mit der Leopoldina, der ZEIT und der Robert Bosch Stiftung statt. Hier können Sie sich anmelden.
  
 
 
Edelgard Bulmahn zieht Bilanz
Ganztagsschule, Exzellenzinitiative, Bologna-Reform – Edelgard Bulmahn (SPD) hat als Bildungs- und Forschungsministerin unter Kanzler Gerhard Schröder den Bildungsbetrieb durchreformiert. Nun verlässt sie den Bundestag. Zeit für eine Bilanz in der ZEIT.
  
 
 
 
   
   
   
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Neue Leitung beim DFKI Berlin 
Die Design-Professorin Gesche Joost ist neue Sprecherin des Standorts Berlin des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Sie löst den Computerlinguisten Hans Uszkoreit ab, der den Standort aufgebaut hat.

Geesthacht ruft!
Das ist eine Aufgabe für einen Wissenschaftler (Spezialgebiet: Material und/oder Küste), der den Kontakt zur Politik nicht scheut und dem unternehmerisches Handeln nicht fremd ist: Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht sucht einen neuen Wissenschaftlich-technischen Geschäftsführer (m/w). Näheres im Stellenmarkt der neuen ZEIT.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Stefan Brandt

Direktor des Futuriums
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Wir stehen vor einer Neudefinition des Verhältnisses von Maschine und Mensch. Glaubten wir bislang, Maschinen seien zwar zunehmend wichtige, letztlich aber von uns beherrschbare Hilfsmittel, beginnt sich die Hierarchie zu drehen. Selbstlernende Systeme gewinnen an Bedeutung. So stellen sich Fragen neu, die man bislang als abseitig abgetan hat: Sind wir uns sicher, dass ein Computer, der auf Basis eines Algorithmus aus Milliarden Vorlagen ein neues Gedicht verfasst, weniger „kreativ“ ist als ein Mensch, dessen Gehirn viel weniger Kombinationspunkte abrufen kann? Was heißt in dem Zusammenhang eigentlich „Kreativität“? Solche Diskussionen werden mit rasanter Geschwindigkeit auf uns zukommen.   

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Die Stärkung der Interdisziplinarität ist nicht allein eine Frage des Geldes. Zu häufig bleiben Erkenntnisse noch in den jeweiligen „Silos“ hängen. Freilich benötigt man für eine gute interdisziplinäre Vernetzung auch Zeit, und Zeit ist wiederum Geld. Ich glaube, es wäre generell wichtig, dass Forscher wieder mehr Zeit für ihre Arbeit und den gegenseitigen Austausch bekommen. Statt den Output-Druck zu erhöhen, sollten „Entschleunigungsprogramme“ gestartet werden, die letztlich der wissenschaftlichen Qualität zugutekämen.

Lektüre muss sein. Welche?
Mit Blick auf meine Arbeit am Futurium fand ich die Lektüre von Yuval Noah Hararis „Homo Deus“ spannend. Sein Blick auf mögliche Zukünfte schließt auch unorthodoxe Fragen nicht aus: Wie könnte ein Leben aussehen, das 200 Jahre dauert? Wie verändert sich dann unsere Haltung zu Familie, Beziehung, Beruf?
Neben der Zukunft interessiert mich auch die Geschichte. Fasziniert bin ich immer wieder von der Klarheit des Denkens bei Herfried Münkler. In seinem Buch über den Ersten Weltkrieg schreibt er: „Der Krieg ist ein Meister der Paradoxien. Selten verkehren sich Absichten und Wirkungen so wie im Krieg und in seinen Folgen“. Ein Satz, den sich so mancher politische Akteur gut einprägen sollte.

Und sonst so?
Ich freue mich gemeinsam mit meiner Frau und unseren beiden Kindern darüber, dass wir seit Juni in Berlin leben dürfen. Diese Stadt war für mich immer ein Sehnsuchtsort, weil sich in ihr Geschichte und Zukunft auf dynamische und häufig auch chaotische Weise verschränken. Es gibt das berühmte Diktum von Karl Scheffler aus dem Jahre 1910, Berlin sei „dazu verdammt: immerfort zu werden und niemals zu sein“. Ich sehe das weniger düster. Im Gegenteil: Als gebürtiger Weimarer erinnere ich mich noch gut an die Endphase der DDR, in der das „Werden“ unerreichbar fern schien und das „Sein“ manchmal erdrückend präsent war. Vielleicht hat mich diese Affinität zum „Werden“ letztlich auch dazu gebracht, mich mit Zukunft auseinanderzusetzen. Einen ersten Eindruck von den Aktivitäten des Futuriums kann man sich übrigens am Samstag, dem 16. September machen. Unter dem Motto „Ein Tag Zukunft“ wird das baulich fertiggestellte Haus mit einem großen interdisziplinären Programm erstmals für das Publikum geöffnet. Sie sind herzlich eingeladen!
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Jale Tosun
   
   
Wie kommuniziert die Wissenschaft?
Die Wissenschaft produziert täglich neue Erkenntnisse, von denen ein wesentlicher Teil auch für die allgemeine Öffentlichkeit sowie für Politik und Verwaltung von Interesse sind. Auch wenn das Kommunizieren von Ergebnissen ein zentrales Handlungsfeld der Wissenschaft darstellt, so wird hierbei oft ein Fachpublikum adressiert. Hieraus folgt, dass die Inhalte, deren Präsentation sowie die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Forschungsergebnissen oder deren Interpretation klar definierten Regeln folgen. Dieser vergleichsweise einheitliche Prozess des Produzierens und der kritischen Würdigung von Erkenntnissen erlaubt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, in einem sicheren Raum zu agieren.
Wenn diese wissenschaftlichen Inhalte jedoch Gesellschaft und Politik erreichen sollen, müssen die Forscherinnen und Forscher ihre Komfortzone verlassen und sich verschiedenartigen Herausforderungen stellen. Hierzu zählen vor allem digitale, schnelle Kommunikationsformen, die der wissenschaftlichen Arbeitsweise eigentlich fremd sind. Auch wird von der Wissenschaft zunehmend erwartet, dass sie öffentlich Rechenschaft über ihre Arbeit abgibt und aktiv einen Beitrag zur Lösung von gesellschaftlich relevanten Problemen leistet.
Wie kann die Wissenschaft dieser Rolle gerecht werden? Zunächst sollte sie sich der Nachfrage nach Informationen bewusst werden und sich dieser nicht versperren. Wissenschaftskommunikation aber muss wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Hierzu gehört unter anderem, dass entsprechende Inhalte auch so präsentiert werden, dass die Grundlage für die Aussagen, der zugrundeliegende Wirkungszusammenhang und die stets zu einem gewissen Grad gegebene Unsicherheit klar benannt werden. Die Wissenschaft kann gesellschaftliche und politische Prozesse dann besonders sinnvoll anstoßen und begleiten, wenn sie nicht nur Informationen auf Nachfrage präsentiert, sondern auch proaktiv das Gespräch sucht. Ein gutes Beispiel für eine solche proaktive, aber gleichzeitig streng wissenschaftliche Kommunikationsstrategie stellt der Hinweis auf die Auswirkungen von Arzneimittelrückständen auf die Umwelt dar, der vor allem auf lokaler Ebene seine politische Wirkung entfaltet hat, so dass nun in einer wachsenden Anzahl von Gemeinden die Kläranlagen technisch aufgerüstet werden. Eine kontinuierliche, vorausschauende Kommunikationsstrategie kann nicht nur praktisch dazu beitragen, handlungsrelevante Probleme anzugehen, sondern auch das Wissenschaftliche in der Wissenschaftskommunikation zu stärken.

Prof. Dr. Jale Tosun lehrt Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Huhu, hört ihr mich? Die Interessen der Jugend spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle. Was bewegt sie? Was erwartet sie von der Politik? Hier sind ihre Fragen
 
»Herausgefordert ja, überfordert nein« Edelgard Bulmahn hat als Ministerin den Bildungsbetrieb durchreformiert. Nun verlässt sie den Bundestag. Zeit für eine Bilanz  Die Überschätzten Lehrer mit Migrationshintergrund sollen Einwandererkindern Vorbild sein  Darf ich das? Wenn es um ihre Rechte geht, kennen sich Lehrer schlecht aus.  Auf dem Weg zum Streber Deutschlands Bildung erhält von der OECD recht gute Noten

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Erwischt!
Quelle: PHD Comics
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Frisch ans Werk!

Ihr CHANCEN-Team


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