Dr. Stefan Brandt
Direktor des FuturiumsEine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen? Wir stehen vor einer Neudefinition des Verhältnisses von Maschine und Mensch. Glaubten wir bislang, Maschinen seien zwar zunehmend wichtige, letztlich aber von uns beherrschbare Hilfsmittel, beginnt sich die Hierarchie zu drehen. Selbstlernende Systeme gewinnen an Bedeutung. So stellen sich Fragen neu, die man bislang als abseitig abgetan hat: Sind wir uns sicher, dass ein Computer, der auf Basis eines Algorithmus aus Milliarden Vorlagen ein neues Gedicht verfasst, weniger „kreativ“ ist als ein Mensch, dessen Gehirn viel weniger Kombinationspunkte abrufen kann? Was heißt in dem Zusammenhang eigentlich „Kreativität“? Solche Diskussionen werden mit rasanter Geschwindigkeit auf uns zukommen.
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen? Die Stärkung der Interdisziplinarität ist nicht allein eine Frage des Geldes. Zu häufig bleiben Erkenntnisse noch in den jeweiligen „Silos“ hängen. Freilich benötigt man für eine gute interdisziplinäre Vernetzung auch Zeit, und Zeit ist wiederum Geld. Ich glaube, es wäre generell wichtig, dass Forscher wieder mehr Zeit für ihre Arbeit und den gegenseitigen Austausch bekommen. Statt den Output-Druck zu erhöhen, sollten „Entschleunigungsprogramme“ gestartet werden, die letztlich der wissenschaftlichen Qualität zugutekämen.
Lektüre muss sein. Welche? Mit Blick auf meine Arbeit am Futurium fand ich die Lektüre von Yuval Noah Hararis „Homo Deus“ spannend. Sein Blick auf mögliche Zukünfte schließt auch unorthodoxe Fragen nicht aus: Wie könnte ein Leben aussehen, das 200 Jahre dauert? Wie verändert sich dann unsere Haltung zu Familie, Beziehung, Beruf? Neben der Zukunft interessiert mich auch die Geschichte. Fasziniert bin ich immer wieder von der Klarheit des Denkens bei Herfried Münkler. In seinem Buch über den Ersten Weltkrieg schreibt er: „Der Krieg ist ein Meister der Paradoxien. Selten verkehren sich Absichten und Wirkungen so wie im Krieg und in seinen Folgen“. Ein Satz, den sich so mancher politische Akteur gut einprägen sollte.
Und sonst so? Ich freue mich gemeinsam mit meiner Frau und unseren beiden Kindern darüber, dass wir seit Juni in Berlin leben dürfen. Diese Stadt war für mich immer ein Sehnsuchtsort, weil sich in ihr Geschichte und Zukunft auf dynamische und häufig auch chaotische Weise verschränken. Es gibt das berühmte Diktum von Karl Scheffler aus dem Jahre 1910, Berlin sei „dazu verdammt: immerfort zu werden und niemals zu sein“. Ich sehe das weniger düster. Im Gegenteil: Als gebürtiger Weimarer erinnere ich mich noch gut an die Endphase der DDR, in der das „Werden“ unerreichbar fern schien und das „Sein“ manchmal erdrückend präsent war. Vielleicht hat mich diese Affinität zum „Werden“ letztlich auch dazu gebracht, mich mit Zukunft auseinanderzusetzen. Einen ersten Eindruck von den Aktivitäten des Futuriums kann man sich übrigens am Samstag, dem 16. September machen. Unter dem Motto „Ein Tag Zukunft“ wird das baulich fertiggestellte Haus mit einem großen interdisziplinären Programm erstmals für das Publikum geöffnet. Sie sind herzlich eingeladen! |
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