ExStra-Endspurt | Eine halbe Million Absolventen | 3 1/2 Fragen an die Historikerin Angela Schwarz | Dr. acad. Sommer über fieses Vorsingen

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
 
   
 
 
 
 
 
 
 
 
   
   
Liebe Leserinnen und Leser,
kennen Sie das Gefühl, stundenlang an einem Dokument gearbeitet zu haben, zufrieden ins Bett gegangen zu sein – und am nächsten Morgen sind all die klugen Gedanken, die sie mit der Kommentarfunktion an den Rand geschrieben hatten, verschwunden? Ein Chancen-Brief-Autor, der anonym bleiben möchte, hat dieses Martyrium jüngst durchlitten. Sein exklusiver Rat an die Community: Schreiben Sie Ihre Diss nicht in einem dieser kostenlosen Word-Verschnitte, sie sind des Teufels.
Abgesehen davon nähert sich der Semesterstart, es wird auch langsam Zeit, ohne den Hochbetrieb in den Hochschulen fehlt einfach was. Im Chancen-Brief präsentieren wir Ihnen in dieser Woche natürlich trotzdem allerhand Interessantes: Dr. acad. Sommer gibt Tipps zu fiesen Fragen beim Vorsingen, die Historikerin Angela Schwarz aus Siegen denkt über Zeit nach und wir verlinken eine Lektüreliste für Postdocs.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
ExStra: t-minus 7 Tage
Kommenden Donnerstag ist es soweit: In Bonn beraten und entscheiden die internationalen Experten über die Bewerbungen um die neuen Exzellenzcluster, die ab 2019 gefördert werden. Ganz am Ende werden es zwischen 45 und 50 Cluster sein, noch sind 195 Bewerbungen im Rennen. Wer am Donnerstag einen positiven Bescheid bekommt, darf seine Antragsskizze zu einem Vollantrag ausschmücken. Auch spannend: Welche Standorte dürfen weiter auf das Label Exzellenzuniversität spekulieren (dafür braucht es mindestens zwei erfolgreiche Cluster-Bewerbungen) – und wie viele Verbundbewerbungen von mehreren Hochschulen wird es geben? Darüber denkt Jan-Martin Wiarda sehr lesenswert in seinem Blog nach.
  
 
 
Akte XYZ
Generationenbeschreibungen treffen ja selten so richtig zu, wie sollten sie auch, geht es doch um Millionen Individuen. Trotzdem: So sehr sie im Einzelfall daneben liegen können, völlig abwegig sind die Pauschalisierungen nicht. Deshalb ist die Frage, die der Chronicle of Higher Education in diesem Artikel stellt, auch so interessant: Wie unterscheiden sich die Generationen X, Y und Z – und was bedeutet das für die Hochschulen? Die neuen Studenten hatten schon als Kinder ein Smartphone, die Generation vor ihnen erst als Erwachsene. Hat das Konsequenzen für die Wissensvermittlung? Und was ist mit dem Wert von Bildung an sich? Ist das Aufstiegsversprechen College noch gleichermaßen gültig wie vor 10, 15 Jahren – oder müssen sich die Universitäten bei den Snapchat-Jüngern (ha, Vorurteil!) neu beweisen? 
  
 
 
(Fast) alle wollen studieren
Das Primat des Studiums, es bleibt stabil. Das zeigt eine neue Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung mit dem eingängigen Titel „Erwerb der Hochschulreife und nachschulische Übergänge von Studienberechtigten“. Bis zu vier von fünf jungen Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung nehmen ein Studium auf. Diese 80 Prozent setzen sich aus denjenigen zusammen, die ein halbes Jahr nach Schulabschluss bereits studieren (50 Prozent), ihre Studiumsaufnahme sicher planen (24 Prozent) oder für wahrscheinlich halten (4 Prozent) sowie ein Studium noch als Alternative betrachten (2 Prozent). Eine Trendumkehr in Richtung Berufsausbildung zeichnet sich derzeit also nicht ab.
  
 
 
Es darf gefeiert werden
Und zwar die Postdoc-Appreciation-Week. Die wird seit nunmehr acht Jahren von der US-amerikanischen National Postdoctoral Association ausgerufen – man feiert sich also selbst. Kein Wunder, wenn es die Profs schon nicht tun. So oder so: Zu diesem Anlass hat man bei Times Higher Education eine Leseliste zusammengestellt, die 10 Must-Reads für Postdocs. 
  
 
 
Unser Glückwunsch...
...geht außerdem an 492.000 Studierende, die im Jahr 2016 an deutschen Hochschulen erfolgreich ihren Abschluss gemacht haben. Das sind – natürlich – mehr als je zuvor, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Masterabsolventen um 9 Prozent, die der Bachelorabsolventen um 2 Prozent. Die Zahl der Lehramtsabsolventen blieb derweil unverändert, Lehrermangel hin oder her.
  
 
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Die HHL-Connection
Volker Stößel, bislang Pressesprecher der HHL Leipzig Graduate School of Management, hat einen neuen Job. Seit dem 1.9. ist er Vizesprecher des Wirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen. Ob das etwas mit dem neuen Wirtschaftsminister zu tun hat?

Bildung in Basel
An der Universität Basel beschäftigt man sich seit einigen Jahren intensiver mit Bildung. Die Leitung des noch jungen Instituts für Bildungsforschung ist nun im Stellenmarkt der neuen ZEIT ausgeschrieben.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Angela Schwarz

Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Siegen
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Es beschäftigt mich schon eine Weile und ich komme in der täglichen Arbeit immer wieder darauf zurück: Das Allerwichtigste ist die Neugier, das Wissen-Wollen und die Freude am Erforschen. Obwohl im Wissenschaftsalltag leider häufig völlig andere Dinge vorrangig zu tun sind, ist es doch diese Neugier und der Blick für das Neue, Spannende, die Zusammenhänge, in denen Menschen leben, denken, handeln, fühlen, die mich antreiben und mich darauf zurückverweisen, worum es letztlich geht, nicht nur, aber besonders in der Wissenschaft. 

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Der Umgang zwischen Lernenden und Lehrenden: Er sollte weniger von zu erbringenden Leistungspunkten, dem von beiden Seiten vorzunehmenden ständigen Abfragen und Bewerten/Evaluieren als vielmehr von Interesse oder sogar Spaß an der Sache, am Herausfinden und Erkennen bestimmt sein. Das erfordert ein grundlegendes Umdenken auf beiden Seiten.

Lektüre muss sein. Welche?
Ich habe das Glück, dass ich meine (Forschungs-)Interessen zum Beruf machen konnte. Das wäre in der Form – für eine Frau – vor fünfzig Jahren noch schwierig, vor hundert unmöglich gewesen. Daher lese ich die momentan wichtige Forschungsliteratur – fast – immer auch aus großem privatem Interesse. Daneben finde ich Spekulationen über künftige Entwicklungen, gegenwärtige wie vergangene, hochgradig spannend, z.B. „Geschichte der Zukunft“ von Georges Minois und das Buch gleichnamigen Titels von Joachim Radkau, lasse mich gerne von Überlegungen über Zeit und unseren Umgang mit ihr zum Nachdenken anregen, etwa von Rüdiger Safranskis „Zeit. Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen“, Hartmut Rosas „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ oder Simon Garfields „Timekeepers. How the world became obsessed with time“. Daneben muss es aber immer wieder Charles Dickens sein, vor allem „Dombey and Son“ und „Little Dorrit”. 

Und sonst so?
Ich fände es reizvoll, wenn wir einen Teil unserer Lebenszeit damit verbringen könnten, die Welt einer immer wieder anderen Person aus deren Augen zu sehen und das mit der eigenen Wahrnehmung abzugleichen. Die Dinge wirklich aus einer anderen Perspektive, Denkweise, kulturellen und individuellen Prägung sehen zu können, das fände ich spannend.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
Ich höre immer wieder von unsachlichen Fragestellungen in Berufungskommissionen: Einem Kollegen wurde etwa vorgeworfen, er sei noch viel zu jung und unerfahren, als dass er die genannten Drittmittel allein hätte einwerben können. Einer Kollegin wurde neulich nach dem Berufungsvortrag in sehr harschem Ton unterstellt, ihre Forschung würde den Qualitätsanforderungen des Instituts grundsätzlich nicht genügen. Wie reagiere ich auf solche destruktiven oder unsachlichen Fragen?

Liebe/r X,
ja, ab und an gibt es sie leider, obwohl es sie nicht geben sollte: die unfairen Fragen, die zerstrittenen oder schlecht vorbereiteten Kommissionen und den wenig wertschätzenden Umgang mit den Bewerber/innen.
Sollten Sie beim „Vorsingen“ damit konfrontiert werden, kann ein Perspektivwechsel helfen: Ein unkollegialer Angriff oder eine unsachliche Frage sind bisweilen als ein etwas seltsam verpacktes Kompliment zu verstehen. Das gilt speziell für größere Auswahlgremien, in denen es oftmals sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, wer die Nr. 1 werden soll. Falls z.B. Professor Y. nicht Sie sondern Bewerberin Z. einstellen möchte, wird er gegebenenfalls etwas unternehmen, um Ihre Position zu schwächen – insbesondere, wenn Sie gerade mit Ihrer Bewerbung geglänzt haben. Und wie schwächt man Sie am besten? Man versucht, Sie zu verunsichern und in ein schlechtes Licht zu rücken, um von Ihren Stärken abzulenken.
Steigen Sie nicht auf solche Provokationen ein. Bleiben Sie unbedingt gelassen und sachlich: Bei wenig spezifischen Vorhaltungen wie im Drittmittel-Beispiel reicht es schon, um Konkretisierung zu bitten: „Auf welches meiner Projekte bezieht sich Ihre Nachfrage?“ Auf keinen Fall sollten Sie selbst aggressiv, genervt oder gar zu selbstkritisch antworten. Nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Stärken zu betonen: „Ich berichte Ihnen gerne von den Details des Antragsprozesses. Interessiert Sie eher das Y-Projekt oder vielleicht der Antrag bei der Z-Stiftung?“ Eine solche Reaktion zeigt dem Auswahlgremium, wie gut Sie mit Kritik und Konflikten umgehen können. Diese Fähigkeit ist essentiell für eine Professur – ob bei der nächsten DFG-Begehung oder in der Zusammenarbeit im Forschungsverbund oder Fakultätsrat.
Bereiten Sie sich auch mental auf die Bewerbungssituation vor. Es stärkt, sich bewusst zu machen, dass nicht nur die Auswahlkommission entscheidet, ob Sie an diesem Standort arbeiten werden. Auch Sie können bewusst überlegen, ob Sie hier forschen und lehren möchten. Damit verlassen Sie innerlich die Rolle des vermeintlichen „kleinen“ Prüflings – und das ist essentiell für eine stärkenorientierte Selbstpräsentation. Parieren Sie unsachliche Angriffe, die ein Hierarchiegefälle zwischen Ihnen und den Auswählenden herstellen, indem Sie unabhängig und auf Augenhöhe agieren.

Franziska Jantzen, Hannover, arbeitet seit 2001 als Coach, Beraterin und Trainerin im Wissenschaftsbereich. Sie schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als „Dr. acad. Sommer“. www.jantzen-entwicklungen.de und www.coachingnetz-wissenschaft.de
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktfomular anonym Ihre Frage!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Mobbing im Lehrerzimmer Unter deutschen Pädagogen herrschen Neid und Missgunst. Eine Brandenburger Lehrerin erzählt
Hochschulen Geben die Unis zu wenig Geld für ihre Studenten aus?
Beruf Warum sich immer mehr Unternehmensberater selbstständig machen

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Wie groß ist die Verwechslungsgefahr zwischen einem Keks und einer Universität? Groß! Findet zumindest der Snackkonzern Bahlsen und verklagt deshalb die Leibniz Universität Hannover wegen Markenrechtsverletzung.
Bildquelle: Bahlsen
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Am Sonntag das Wählen nicht vergessen!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: