| Wenn Polizisten gegen Polizisten ermitteln
Mutmaßliche Straftaten während des G20-Gipfels beschäftigen weiterhin die Hamburger Gerichte. Gestern wurde ein 29-jähriger Mann aus Tschechien wegen Flaschen- und Steinwürfe auf Polizisten zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Was aber ist mit den Verfahren gegen Polizeibeamte? Noch ist kein Urteil gegen Polizisten, die während des G20-Gipfels im Einsatz waren, gefallen. Doch es wird ermittelt, aktuell in 99 Fällen, wie die Innenbehörde mitteilt – nachdem 107 Strafanzeigen gegen Polizeibeamte erstattet wurden. Wieso nicht jede dieser Anzeigen zum Prozess führt, erklärt Nana Frombach, Sprecherin der auch in diesem Fall zuständigen Staatsanwaltschaft: Zunächst müssten die Juristen prüfen, ob das in der Anzeige beanstandete Verhalten überhaupt das Potenzial einer Straftat birgt. Für eine Beleidigung reichten etwa böse Blicke nicht aus, verbale Entgleisungen (die wir hier nicht zitieren wollen) schon eher. Wird die Anzeige weiter verfolgt, übernehmen Polizisten des Dezernats für Interne Ermittlungen (DIE) den Fall – es ermitteln also Kollegen gegen Kollegen. »Das sind Ermittlungen wie alle anderen auch«, sagt Nana Frombach. Das DIE vernimmt Zeugen, wertet Datenmaterial aus oder erstellt Tatortskizzen. Auch eine Bewertung der Beweismittel liegt in der Hand der Polizei. »Die rechtliche Bewertung bleibt uns überlassen«, erklärt Frombach. Erhärtet sich für die Staatsanwälte der Verdacht auf eine Straftat, kommt die Sache vor Gericht – in einem öffentlichen Verfahren. Wie oft es dazu kommen wird, bleibt abzuwarten: Bisher hat die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit G20 noch keine Anklage gegen Polizisten erhoben.
»Der Familiennachzug treibt die Geflüchteten um«
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat sich bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda dafür ausgesprochen, Flüchtlingen in Deutschland den Familiennachzug zu erleichtern. »Menschen leben sich nun einmal viel besser in einer neuen Umgebung ein, wenn sie die nahen Familienangehörigen bei sich haben und nicht ständig um deren Wohlergehen in fernen Bürgerkriegsgebieten bangen müssen«, sagte Heße, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen bei der DBK, der Nachrichtenagentur dpa. Deswegen sei »manches gewonnen, wenn Deutschland von seiner sehr restriktiven Haltung gegenüber dem Familiennachzug abrückte«. Zur aktuellen rechtlichen Situation haben wir mit dem Rechtsanwalt Claudius Simon Brenneisen gesprochen. Elbvertiefung: Herr Brenneisen, Sie arbeiten unter anderem bei flucht.punkt, einer Hilfsstelle der evangelischen Kirche in Hamburg. Wie oft haben Sie da mit dem Thema Familiennachzug zu tun? Claudius Simon Brenneisen: Dazu kommen häufig Fragen, das treibt viele Geflüchtete um. Auch im Asylverfahren spielt das Thema eine Rolle, weil es ja auf den Status ankommt, ob ein Familiennachzug überhaupt möglich ist. EV: Wie sieht denn die rechtliche Situation aktuell aus? Brenneisen: Im Moment gibt es nur für Menschen, die eine Anerkennung als Flüchtling haben, das Recht auf Familiennachzug. Wenn es nur um subsidiären Schutz geht, ist diese Möglichkeit im Moment ausgesetzt. Subsidiärer Schutz heißt, dass es keinen individuellen Verfolgungsgrund gibt, etwa Religionszugehörigkeit oder Nationalität. Das trifft zum Beispiel auf alle zu, die aus einem Bürgerkriegsgebiet wie Syrien kommen. EV: Erzbischof Heße bezeichnet die Haltung der Regierung als »sehr restriktiv«. Sehen Sie das auch so? Brenneisen: Ja, meiner Meinung nach ist die Aussetzung des Familiennachzugs sogar rechtswidrig im Sinne des Europarechts. Aber diese Verschärfung ist eben auch erst einmal nur auf zwei Jahre begrenzt. Bis sich da jemand hochgeklagt hat, ist es wieder vorbei. EV: Die zwei Jahre enden im März. Wie wird es dann weitergehen? Brenneisen: Innenminister Thomas de Maizière hat ja schon angekündigt, dass er die Aussetzung des Familiennachzugs gerne verlängern würde. Ob das jetzt nach der Wahl tatsächlich passiert, bleibt abzuwarten, gerade wenn es zu einer Jamaika-Koalition mit den Grünen kommt. Ich wünsche mir sehr, dass dieser Rechtsbruch bald beendet wird.
Claudius Simon Brenneisen hält am Mittwoch, 8. November, um 18.15 Uhr an der Uni Hamburg eine öffentliche Vorlesung zum Thema »Asyl- und Flüchtlingsrecht für Ehrenamtliche, Schwerpunkt: Abschiebung und Familienzusammenführung«. |
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