Freitext: Jakob Nolte: Wenn Bäume Manga-Augen hätten

 
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12.09.2017
 
 
 
 
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Wenn Bäume Manga-Augen hätten
 
 
Das Leben der einen bedroht das Leben der anderen. Die Welt wäre eine bessere, wenn wir mehr von „Bambi“ und „Prinzessin Mononoke“ lernen würden.
VON JAKOB NOLTE

 
Eine Szene aus „Bambi“ von 1942 (© Wikimedia Commons)
 
Im April 2001 ging ich mit meinen Eltern ins Kino. Ich war zwölf und ein großer Manga- und Anime-Fan. An der Volkshochschule nahm ich damals Japanisch-Unterricht und mit den anderen dort Japanisch lernenden Manga- und Anime-Fans schickte ich mir Zeichnungen unserer Lieblingscharaktere via Fax hin und her. Der Zusammenhalt, der zwischen den Schutzsuchenden von Comics am Raschplatz oder Orten wie dem Fantasy-In herrschte, überwand interessanterweise diverse soziale und ökonomische Gräben zwischen jungen Menschen. Zumindest war das in meiner Erfahrung so. Also auch beim Magic-Kartenspielen oder in Warhammer-Zusammenhängen. Ein Hoch also – natürlich – auf alle Freaks und Geeks. Dieser Text handelt aber vorwiegend von zwei Hirschen.
 
Auch mein Bruder kam mit ins Kino, doch er und meine Eltern wollten, soweit ich mich erinnern kann, Gladiator von Ridley Scott schauen, während ich einer Vorstellung des von mir lang ersehnten Hayao-Miyazaki-Streifens Prinzessin Mononoke entgegenfieberte. Dass dieser Film im Cinemaxx lief, war für mich eine Sensation. Denn normalerweise musste ich entweder teure VHS-Kassetten kaufen oder spätnächtliche Sendungen auf Vox aufnehmen, um überhaupt an Animes zu gelangen. Nur wenn alle zusammenhielten, war es möglich, sämtliche Folgen von Record of Lodoss War oder Neon Genesis Evangelion zu schauen.
 
Nach dem Film war ich komplett aus dem Häuschen. Es war einer der tollsten Kinomomente überhaupt. Mit solch einer Freude und solch einem Vergnügen habe ich das Geschehen verfolgt, dass ich meinen Eltern und meinem Bruder auf der Heimfahrt von Hannover nach Barsinghausen die 133 Minuten Paradies, derer ich gerade beigewohnt hatte, en détail nacherzählte: Es gibt also diesen Prinzen Ashitaka, und der wird von einem Waldgott, der zu einem Dämon geworden ist, mit so einer Seuche infiziert, und dann macht er sich mit seinem Reittier Yakul auf die Suche nach dem Obergott des Waldes, der so eine Art Hirsch mit menschlichem Gesicht ist, denn der kann ihn heilen, aber dann trifft er auf diese Frau, der ein Eisenwerk gehört, denn genau, dieser Waldgott, also der erste, der wurde zu einem Dämon, weil eine Gewehrkugel in seiner Flanke steckte, aber diese Frau mit dem Eisenwerk ist eigentlich voll lieb und Ashitaka versteht sich gut mit allen dort, doch dann trifft er San, also Prinzessin Mononoke, die wurde von so Wolfswaldgöttern mit drei Schwänzen aufgezogen und will die Frau mit dem Eisenwerk töten, und dann stirbt Ashitaka fast und dann trifft er den Obergott des Waldes, doch der heilt nur seine Wunden und nicht den Fluch, also er wurde auch von nem Gewehr getroffen, und dann sind da all diese Wildschweine, die wie so eine Armee sind, und die greifen die Frau mit dem Eisenwerk an, und außerdem macht der Shogun Jagd auf den Obergott des Waldes, denn er will die Unsterblichkeit und außerdem will er das Eisenwerk übernehmen und dann gibt es einen kolossalen Kampf und Pfeile und Ashitakas Arm zittert, als wäre er voller Würmer, und dann schießt er diesem Typen die Arme ab und Mononoke schaut ihn an und spuckt das Blut ihrer Mutter in den Fluss und es macht KLING, weil so machen ihre Ohrringe … Ehrlich gesagt hat meine Begeisterung bis heute nicht nachgelassen. 2001 von 2001 Sternen.

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