Freitext: Jackie Thomae: Spaß muss sein, aber bitte echt nur ein bisschen

 
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07.09.2017
 
 
 
 
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Spaß muss sein, aber bitte echt nur ein bisschen
 
 
In deutschen Komödien eiert man ängstlich über das Minenfeld der Political Correctness. Witz? Fehlanzeige. Lachen darf man allenfalls über den biodeutschen Mann.
VON JACKIE THOMAE

 
Der Regisseur Simon Verhoeven und das Team von „Willkommen bei den Hartmanns“ bei der Lola-Verleihung 2017 © Franziska Krug/Getty Images
 
Lassen Sie uns eine total witzige und im besten Fall kommerziell erfolgreiche Komödie schreiben! Alles, was Sie dafür brauchen ist eine deutsche Familie. Krisenherd, psychiatrische Anstalt und Terrorzelle in einem – schon mal super. Die Eltern sollten in der Midlife-Crisis sein, die Kinder demnach Teenager, Pubertiere sozusagen, da ist schon das Wort so unfassbar lustig, dass das Copyright darauf mit Sicherheit schon vergeben ist. Macht nichts, wir halten uns trotzdem an Bewährtes. Fangen wir hinten an und entwerfen zuerst den PR-Text unseres Filmverleihs: Soundso ist ein ganz normaler Mann. Doch als er auf Dings trifft, gerät er in die Bredouille und als dann auch noch Bums auf der Bildfläche erscheint, wird’s turbulent!
 
Für die nötige Turbulenz konfrontieren Sie Ihren Protagonisten nun mit Dingen, die sein Dasein als ganz normaler Mann massiv stören. Terrorisieren Sie ihn mit Yoga, Marihuana, Tofu und Adoleszenz. Verloben Sie ihn mit einer Italienerin (große Familie, Halligalli, Pasta) oder einer Türkin (große Familie, Tohuwabohu, Börek). Da biegen sich die Tische und die Zuschauer. Zu wenig Konfliktpotential? Okay.
 
Konfrontieren Sie den normalen Mann mit einem schwarzen Mann. Denn in der Komödie ist es wie bei den Laufdisziplinen: Der Schwarze ist unschlagbar. In Ihrem Fall natürlich nicht als Athlet, sondern als Verursacher der allerlustigsten Bredouillen. Die fangen schon auf dem Filmplakat an. Alle weiß, einer schwarz. Bei dieser Familienaufstellung ist der große Ärger/Spaß doch vorprogrammiert, das wissen wir spätestens seit Othello. Ein aktuelles Filmplakat aus Frankreich zeigt das umgekehrte Szenario. Alle schwarz, einer weiß. Und der ist auch noch ein Säugling, der von einem schwarzen Mittelklassepaar adoptiert wurde. Was daraus folgt ist die große warmherzige Revue der Ressentiments unter umgekehrten Vorzeichen.
 
Aber wir sind hier in Deutschland und bleiben deshalb bei Situationen, die wir meinen bereits tausendmal gesehen und gehört zu haben. Wie wär’s mit dieser hier: Die Mutter ist erfolgreich, der Vater nicht und die minderjährige Tochter ist mit einem Schwarzen zusammen. Schockschwerenot! Und weil Sie natürlich kein Volltrottel sind, sondern Drehbuchautor, befinden Sie sich in der komfortablen Situation diesen, hahaha, schwarzen Peter ihren Figuren zuschieben zu können. Die dürfen dann Schwanzlängenspekulationen anstellen, und das in möglichst jeder Szene, denn wieso sollte man einen derart großen Gag nicht mehrmals verwenden dürfen.

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