Eifersucht schadet der Gesundheit Wir teilen Autos, Wohnungen und Partner. Und trotzdem sind wir immer noch eifersüchtig. Das macht uns aggressiv und kleinlich. Hören wir auf damit! VON SABINE KRAY UND ANNE WAAK |
|
|
| | Sie freut sich über den feinen Kaffee, er chattet mit den anderen: Eifersucht ist von gestern. © rawpixel.com/unsplash.com |
Neid, heißt es, sei die einzige Todsünde, die überhaupt keinen Spaß macht. Er begehrt verbissen, was ein anderer hat, während Eifersucht um die Angst kreist, etwas Geliebtes oder den Geliebten zu verlieren.
Verglichen mit Neid und anderen Todsünden gilt Eifersucht als Kavaliersdelikt oder mehr noch: als Zeichen der Liebe. Selbst Gott ist eifersüchtig, wenn er uns gleich im ersten der Zehn Gebote anweist, keinem Gott neben ihm zu huldigen. Wenn man es so betrachtet, ist die Bibel ein einziges Schlachtfeld der Eifersüchteleien und Besitzansprüche.
Wir leben in einer Sharing-Economy, teilen Autos, Wohnungen und Partner miteinander. Wir verstehen uns als selbstbewusste, autonome Individuen. Können wir die Eifersucht nicht langsam mal entsorgen? Eine Studie der Universität Queensland legt nahe, dass intensive Nutzung von sozialen Medien Eifersucht noch verstärken kann. Stehen wir also vor einer Renaissance der Eifersucht? Hoffentlich nicht, denn in ihr wohnt stets der Wille zur Tragödie, ja, die Statistiken zeigen, dass Eifersucht nicht selten tötet.
Drei Typen der Eifersucht
Im Jahr 2013 starben in Deutschland 187 Menschen in sogenannten Intimiziden, wie Morde in Liebesbeziehungen genannt werden. Meist ist Eifersucht der Grund, meist – in 85 Prozent der Fälle – sind Männer die Täter und Frauen die Opfer.
Die bekannteste literarische Verkörperung der Eifersucht ist Shakespeares Othello. Sein Zweifel daran, ob er die schöne, edle Desdemona verdient hat, macht ihn zum leichten Opfer einer Intrige. So ist sie, die Eifersucht. Und obwohl sein Verdacht jeglicher Grundlage entbehrt, bringt Othello die Geliebte schließlich um.
Die Eifersucht Othellos würden zeitgenössische Psychologen als argwöhnisch-ängstlich charakterisieren. Das bezeichnet die begründete oder in diesem Fall unbegründete Sorge, die sich auf die vermeintliche Untreue des Partners richtet und im Geist des Betroffenen immer mehr Raum einnimmt. Die anderen beiden Typen heißen reaktive Eifersucht – die vermeintlich gesündeste oder nachvollziehbarste Form, weil sie sich auf tatsächliche Ereignisse bezieht – und besitzergreifende Eifersucht, bei der Betroffene oftmals bereits präventiv versuchen, den Kontakt des (heterosexuellen) Partners mit Angehörigen des anderen Geschlechts zu unterbinden. Studien ergaben, dass keine der drei Typen der Eifersucht zu Mord und Totschlag führen muss, um negative Auswirkungen auf die Qualität der Beziehung zu haben. Denn die Eifersucht steuert nicht nur worüber, sondern auch wie gesprochen wird. Die eifersüchtige Kommunikation tendiert dazu, aggressiv und laut zu werden, bis hin zur Androhung körperlicher Gewalt. Und während die meisten Menschen Gewalt ablehnen, können sie Eifersucht irgendwie nachvollziehen.
Hat Eifersucht biologische Gründe? Tatsächlich gibt es Studien, die feststellen, dass Männer mehr sexuelle Eifersucht und Frauen mehr emotionale Eifersucht verspüren. Dies wird evolutionsbiologisch mit der sogenannten Elternaufwandtheorie begründet, die besagt, dass Frauen mehr Sorge für die Kinder tragen müssen und deshalb den emotionalen Kontakt zum Partner sicherstellen wollen, um sich darauf verlassen zu können, dass er weiter für die Kindessorge zur Verfügung steht. Der Mann hingegen fürchtet nach dieser Theorie vor allen Dingen das Kuckucksei, das ihm ins Nest gelegt werden könnte. Neuere Studien beziehen sich auf die sogenannte Bindungstheorie aus der Psychologie. Sie geht von unterschiedlichen Bindungstypen aus: solchen, die sich sicher dabei fühlen, und solchen, die Furcht vor Bindung haben. Für bindungsängstliche Typen spielt Sex eine größere Rolle in der Beziehung als emotionale Bindung, deshalb ist ihre Eifersucht vor allen Dingen sexueller Natur. Dieser Umstand zeigt sich über die Geschlechtergrenzen hinweg. Der Ursprung unseres Bindungsverhaltens liegt demnach in der Kindheit, weshalb es nicht überrascht, dass auch Freud die Wurzel der Eifersucht in der "Urszene" sucht: Das Kind entdeckt, dass seine Mutter mit dem Vater Sex hat, also eine glückliche Erfahrung macht, von der es ausgeschlossen ist. Es ist weder die Quelle des Begehrens noch des Genießens.
Eifersucht ist kein Liebesbeweis
Eifersucht ist ein legitimes Gefühl. Vielleicht, darüber kann man streiten, ist sie sogar ein Teil der Liebe. Ein Liebesbeweis ist sie nicht. Die ausgesprochene Eifersucht ist der Wunsch nach Bestätigung, nach einem Bekenntnis. Wir suggerieren dem anderen, dass er uns etwas schuldig bleibt. Schon Søren Kierkegaard konstatierte, dass sie der reinen Selbstbestätigung dient und so mit Liebe an sich wenig zu tun hat. Denn hier liegt die Schwierigkeit: eine funktionierende Liebesbeziehung sollte dieses Bekenntnis bereits in vielerlei Form beinhalten. Empfinden wir Eifersucht, deutet das auf einen Mangel daran hin. Vielleicht hat der andere aufgehört, sich in gleichem Maße um uns zu bemühen, vielleicht stehen wir aber auch am Anfang einer Beziehung und sind unsicher, ob der andere bereit ist, sich zu uns zu bekennen. Vielleicht zweifeln wir im Extremfall gar die eigene Treue an. Nicht selten sind die Eifersüchtigsten die notorischsten Betrüger.
Der Philosoph Spinoza sah in der Eifersucht gar eine Verwandlung der Liebe: in Hass. Hass auf den anderen? Möglicherweise ist der irgendwann das Ergebnis, aber nicht der Ausgangspunkt. Naheliegender ist da der Selbsthass – Othellos Angst, nicht gut genug zu sein. Egal, um welche Form der Unsicherheit es sich handelt, die Frage ist, wie wir Sicherheit zurückerlangen können. Können wir sie uns selbst geben? Können wir sie aus der Beziehung heraus entwickeln, ohne die Eifersucht, den hässlichen, kleinen Gremlin unseres Herzens auf den Tisch zu werfen? So ist es die ausagierte, die unreflektierte Eifersucht, die unsere Beziehungen zerstört, denn sie ist Ausdruck eines Vakuums, was wir unserem Partner oder auch uns selbst gegenüber nicht beim Namen nennen mögen.
Eifersucht ist so attraktiv wie Geiz und Kleinlichkeit
In der Liebe steckt stets auch der Wunsch nach Verschmelzung, so wie wir uns als Säuglinge mit der Mutter verschmolzen wähnten. Doch in der Liebe ist es essenziell, auch Autonomie zu bewahren. So haben Studien gezeigt, dass Beziehungen, in denen die Partner über große Autonomie verfügten, am wenigsten von Eifersucht betroffen sind.
Rund 80 Prozent der Deutschen bekennen sich zur Eifersucht, 18 Prozent geben an, keine zu empfinden. Äußert sich Eifersucht gar noch vor Beginn einer Beziehung, gilt sie manchen als Ausschlusskriterium. Die Autorinnen haben schon in anderer Hinsicht tolle Männer stehenlassen, weil diese eifersüchtiges Verhalten zeigten. Eifersucht ist so attraktiv wie Geiz und Kleinlichkeit. Wir halten es mit dem Schriftsteller und Maler Erhard Blanck, der so weit geht, die Eifersucht als den Geiz der Liebe zu bezeichnen. Darüber hinaus impliziert sie, dass der andere sich nicht wertvoll genug fühlt, meine ungeteilte Liebe zu genießen.
Oder auch die geteilte: Als Compersion oder Mitfreude bezeichnen Menschen, die der Polyamorie anhängen, die Freude, die man im Geliebtwerden des oder der Geliebten durch eine dritte Person empfindet. Sie vergrößert die Liebe. Compersion ist somit das Gegenteil von Eifersucht.
Was hat die eigentlich jemals an Gutem hervorgebracht? Beziehungsweise: Was versprechen wir uns von ihr? Eifersucht ist im Grunde genommen wie die Angst an sich: völlig unbrauchbar, um den Ausgang der Dinge zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Eifersucht schadet Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung. Geben Sie sie auf.
Anne Waak, 1982 in Dresden geboren, ist Journalistin und Buchautorin. Sie gehört zu den Gastgebern des Talk-Formats "NUN – Die Kunst der Stunde" und zu den Gründerinnen von waahr.de, einem Onlinearchiv für Kulturjournalismus. Sie lebt in Berlin. Anne Waak ist Gastautorin von "10 nach 8".
Sabine Kray wurde 1984 in Göttingen geboren. Heute lebt sie in Berlin, wo sie als Autorin und Übersetzerin arbeitet und sich als Mentorin für junge Mädchen bei der Bürgerstiftung Neukölln engagiert. Ihr Debüt, "Diamanten Eddie", ist im Frühjahr 2014 bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8". Sie wollen der Diskussion unter dem Text folgen? Hier geht es zum Kommentarbereich. |
|
|
Frauen schreiben jetzt auch abends. Montags, mittwochs, freitags. Immer um 10 nach 8. Wir, die Redaktion von 10 nach 8, sind ein vielseitiges und wandelbares Autorinnen-Kollektiv. Wir finden, dass unsere Gesellschaft mehr weibliche Stimmen in der Öffentlichkeit braucht.
Wir denken, dass diese Stimmen divers sein sollten. Wir vertreten keine Ideologie und sind nicht einer Meinung. Aber wir halten Feminismus für wichtig, weil Gerechtigkeit in der Gesellschaft uns alle angeht. Wir möchten uns mit unseren LeserInnen austauschen. Und mit unseren Gastautorinnen. Auf dieser Seite sammeln wir alle Texte, die 10 nach 8 erscheinen. |
|
|
|
|
|