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die politische Diskussion nach den Krawallen und Gewaltexzessen von G20 wird hitziger; dazu kommt eine seltsame Enthüllung. Erst mal aber war gestern bekannt geworden, dass nunmehr 51 Verdächtige in Untersuchungshaft sitzen – knapp über die Hälfte sind Deutsche, der Rest kommt aus Frankreich, Italien, Spanien, Russland, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich – und dass nun eine Sonderkommission »Schwarzer Block« die schweren Gewalttaten aufklären soll. Es gebe sehr viele Hinweise aus der Bevölkerung, darunter allein 2000 Foto- und Videoaufnahmen, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Derweil scheint – es ist schließlich nicht mehr lange hin bis zur Bundestagswahl – vor allem für Politiker der Union nicht nur schon festzustehen, wer die Schuldigen sind, sie kennen sogar bereits die Hintermänner. Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Täter der Gewaltexzesse mit Neonazis und islamistischen Terroristen gleichgesetzt hatte, wetterte er gegen das Autonomenzentrum Rote Flora. So etwas, ebenso wie besetzte Häuser in Berlin, »kann man nicht hinnehmen«, sagte er. »Wenn es eine Lehre gibt aus G20 und im Kampf gegen Extremismus: Nie irgendwelche logistischen Schlupflöcher, Ressourcen, Orte zulassen, aus denen so etwas wächst.« Bei der maßlosen Gewalt, sagte er, habe es Drahtzieher im Hintergrund gegeben. »Leute mit Knopf im Ohr, die haben das alles organisiert. Da kann mir keiner erzählen, dass das nur kriminelle Krawallmacher sind.« Die Straßenkämpfer seien »geschützt und gedeckt vom organisierten Linksextremismus in Deutschland« gewesen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft der Union derweil in der Diskussion über die G20-Krawalle »ein bisher nicht gekanntes Maß an Verlogenheit« vor. In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe nimmt der Vizekanzler Bürgermeister Olaf Scholz (ebenfalls SPD) folgendermaßen in Schutz: »Wer seinen Rücktritt will – schon die Forderung halte ich für völlig unangemessen –, der muss auch den Rücktritt von Angela Merkel fordern!« Hot stuff auch das, was die »Bild«-Zeitung präsentierte. Zu dem berüchtigten Haus am Schulterblatt mit dem Baugerüst, von dem aus die Täter Steinplatten und einen Molotowcocktail auf die vorrückende Polizei warfen, deren Führung daraufhin abwartete und das Terrain damit bis zum Eintreffen des SEK über Stunden einem tobenden Mob überließ, zu diesem Haus also hatte die Polizei den Schlüssel. Das bestätigte Polizeisprecher Timo Zill auch der Deutschen Presse-Agentur. Wie es hieß, hatte der Hausbesitzer die Polizei Tage zuvor darauf hingewiesen, dass dort ein Baugerüst stehe und dies zu Problemen führen könne, und hatte der Polizei den Hausschlüssel übergeben. Wieso die also nicht schon im Vorfeld Beamte auf dem Dach postierte, damit sich dort niemand verschanzen und die Hundertschaften aufhalten konnte? Auf diese Frage, so »Bild«, antwortete Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde sinngemäß, dass Dächer eben privat seien und man da nichts habe machen können. Auf die Frage, warum die Hundertschaften eigentlich, statt auf die Bewaffneten zu warten, nicht einfach eine andere Straße ins Schanzenviertel genommen hätten, hatte Dudde schon anlässlich der Pressekonferenz am Sonntag keine zufriedenstellende Antwort gewusst. War G20 in Hamburg ein größerer Fehler, als viele denken?
Jetzt geht’s gegen links? Die Rote Flora als linksautonomes Zentrum solle geschlossen werden, und wenn auch nicht gleich, so möge ihre Schließung doch mindestens geprüft werden, fordern also Bundespolitiker aus CDU, CSU und FDP, und ihre Hamburger Parteifreunde stimmen mit ein. Ein Hamburger Unternehmer initiierte gar direkt eine Online-Petition, um aus dem linksautonomen Kulturzentrum einen Kindergarten zu machen. Noch vor der 6000-Unterzeichner-Marke zog der Initiator sie allerdings zurück – »aus persönlichen Gründen«, hieß es auf der Petitionsseite. Geht es jetzt gegen links? »Das ist mehr eine reflexartige Situation, da man die Gewalttäter eben im linken Spektrum verortet«, sagt Andreas Elter, der sich als Professor an der Macromedia Hochschule in München mit politischer Kommunikation und Extremismus beschäftigt. Solche Forderungen habe es auch nach ähnlichen Ereignissen schon gegeben, etwa den Ausschreitungen gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Dennoch nimmt Elter eine Veränderung wahr: »Mein Eindruck ist, dass die linke Gewalt von der Bevölkerung nicht mehr so marginalisiert wird.« Richte sich Gewalt gegen Gegenstände, wie im linksradikalen Spektrum verbreitet, sei das der breiten Masse eher noch sympathisch. »Wenn dabei aber auch Menschen gefährdet werden oder es sogar gezielte Angriffe mit Steinen und Molotowcocktails gegen Polizisten gibt, schwindet die Sympathie«, so Elter. Verständlich. Welches Lehrbuch es für die Krawalle gibt und warum sich viele Autonome davon distanzieren, hat ZEIT:Hamburg-Kollege Frank Drieschner übrigens hier analysiert. |
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