| G20: Ballett über der Alster Innenminister Thomas de Maizière war gestern auch in der Stadt, er informierte sich über den Stand der Vorbereitungen und ließ lobende Worte für die Hamburger Polizisten da: Deren »Mischung aus Gelassenheit und Geschlossenheit« entspreche dem Wesen der freiheitlichen Demokratie. Und wie lässig die Einsatzkräfte Hubschrauber lenken können, davon konnte man sich am Nachmittag an der Außenalster überzeugen: Zusammen mit US-Sicherheitskräften übte die Hamburger Polizei dort eine Evakuierung – für den Fall, dass Staatsgäste in Sicherheit gebracht werden müssen. Sechs amerikanische und drei deutsche Hubschrauber tanzten da übers Wasser, Interessierte konnten das Hubschrauber-Ballett im Facebook-Livestream verfolgen. Gewünscht hatten sich diese Übung, klar, die Amerikaner.
G20: Obdachlose schlafen lieber in Bergedorf Wie steht es inmitten des Gipfeltrubels um die Hamburger Obdachlosen? Vor Monaten schon hatte Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamts Mitte, angekündigt, dass alle, die in der Innenstadt Platte machen, während der G20-Tage lieber woanders schlafen sollten – zur eigenen Sicherheit, versteht sich. Bei dem gut gemeinten Rat allein bleibt es nun nicht mehr: Heute wird die neunköpfige Gruppe Wohnungsloser, die normalerweise unter der Kennedybrücke schläft, per Bus in eine Bergedorfer Unterkunft gebracht, wie uns Susanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern & Wohnen, bestätigte. Ohne Zwang, das Angebot haben die Betroffenen freiwillig angenommen. Und da es nur für die Fläche unter der Brücke Sicherheitsbedenken gebe, beschränke sich das Unterbringungsangebot für die Gipfeltage auch nur auf die oben genannten Obdachlosen. Warum gerade diese Platte so gefährdet ist? Das liegt wohl an ihrer Nähe zu den Strecken, auf denen die Kolonnen der Regierungschefs unterwegs sein werden. Ansonsten verweist die Sozialbehörde auf eine Info-Seite im Netz, die über Anlaufstellen für Obdachlose während der Gipfeltage informieren soll.
Rechtsbruch der Polizei? »Das können Sie so sagen« Gestern berichteten wir über einen Streit um ein Protestcamp von G20-Gegnern in Entenwerder, der heftige Kontroversen auslöste. Offen blieb die Frage: Hat die Polizei geltendes Recht gebrochen, als sie den Aufbau von Schlafzelten am Sonntag stoppte – obwohl das Verwaltungsgericht dies am Abend zuvor erlaubt hatte? Ulrich Karpen ist emeritierter Professor für Verfassungsrecht und ehemaliger CDU-Bürgerschaftsabgeordneter. Elbvertiefung: Herr Karpen, erst erlaubte ein Gericht das Camp, dann stoppte die Polizei den Aufbau und erließ eine eigene Verfügung am Nachmittag, gegen 22.30 Uhr folgte die Räumung. War das alles rechtlich korrekt? Karpen: Nein, die Polizei hat ohne Rechtsgrundlage gehandelt, weil sie das Camp schon ab dem Sonntagmorgen unterbunden hat. Da galt aber noch die Erlaubnis des Verwaltungsgerichts vom Vortag. Erst gegen 18.45 Uhr am Sonntagabend ging die schriftliche Verbotsverfügung der Stadt beim Verwaltungsgericht ein, der neue Gerichtsbeschluss kam dann um 1.30 Uhr am Montagmorgen. EV: Es ist also faktisch richtig, hier von einem Rechtsbruch zu sprechen? Karpen: Das können Sie so sagen. EV: Einen Eilantrag der Aktivisten gegen die Auflagen lehnte das Verwaltungsgericht am nächsten Tag ab, plötzlich hieß es, ein Übernachten im Park wäre nicht zulässig. Können Sie diese neue Entscheidung nachvollziehen? Karpen: Ja und nein. Für das Verbot der Schlafzelte bezieht das Gericht sich auf die Grünanlagenverordnung. Das ist rechtlich zulässig, mich überzeugt das Argument jedoch nicht: Wenn für ein Camp ein paar Pflöcke eingeschlagen werden, ist doch klar, dass die Grünfläche gewissen Schaden nimmt. Dafür das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken ist unverhältnismäßig. Und, dass dieselbe Kammer des Verwaltungsgerichts ihre Entscheidung bei gleichbleibendem Sachverhalt innerhalb eines Tages völlig ändert, wohl nach neuem Austausch mit der Polizei, ist zulässig, aber sehr ungewöhnlich. EV: Ein weiterer Streitpunkt ist das Heiligengeistfeld. Eine Abschlusskundgebung der Demo »G20 – not welcome« am 8. Juli wurde dort untersagt, eine Beschwerde dagegen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) am Montag abgelehnt. Gut so? Karpen: Nein, auch das überzeugt mich nicht: Das OVG argumentiert, dass es sich hier um eine eingezäunte Fläche handelt, auf der eine Massenpanik ausbrechen könnte, gerade dann, wenn Gewalttaten begangen würden. Doch warum wird das Heiligengeistfeld dann vorab eingezäunt? Warum wird nicht eine Seite zur Innenstadt hin geöffnet? Das wäre durchaus möglich. Eigentlich wäre die Fläche aufgrund ihrer Größe und Lage sehr gut geeignet. EV: Sind die Sicherheitsmaßnahmen rund um den G20-Gipfel zu streng? Karpen: Ja, die Versammlungsfreiheit wird etwa in der Demonstrationsverbotszone auf 38 Quadratkilometern sehr stark eingeschränkt. Diese Allgemeinverfügung halte ich für unnötig, Straßenblockaden könnte man hier auch durch räumliche Auflagen, etwa Straßensperrungen oder Platzverweise, auflösen. Unverhältnismäßig ist auch das Verbot von Übernachtungscamps in Entenwerder und Lurup. Weitab vom Geschehen kann kaum eine Gefahr für Leib und Leben von Gipfelteilnehmern, Polizisten oder Bürgern ausgehen. EV: Wenn wir jetzt mal bitter realistisch sind: Wie viel Sinn macht es, alle rechtlichen Instanzen zu durchlaufen – wenn am Ende die Polizei nach eigenem Ermessen entscheidet? Karpen: Natürlich ist es wichtig, dass mehrere Richter dieses Ermessen überprüfen! Die Linie der Hamburger Polizei, vorab voll auf Sicherheit zu setzen und dafür die Versammlungsfreiheit zurückzudrängen, kann man kritisieren. Doch die Polizei will eben auf Nummer sicher gehen. Wenn etwas schiefgeht, schiebt am Ende niemand den Gerichten die Schuld zu, dann heißt es: Der Polizeipräsident oder der Innensenator muss zurücktreten! |
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