Freitext: Stefanie de Velasco: Es brennt

 
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12.07.2017
 
 
 
 
Freitext


Es brennt
 
 
Wenn es knistert, raucht und qualmt, gerät unsere Autorin in Panik. Sie hat schreckliche Angst vor Feuer. Das hat auch mit Enid Blyton zu tun.
VON STEFANIE DE VELASCO

 
Copyright: chuttersnap/unsplash.com
 
Ich muss noch sehr klein gewesen sein, als ich einmal von den meiner Meinung nach nettesten Freunden meiner Eltern eine Hörspielkassette geschenkt bekam. Sie hieß Geheimnis um einen nächtlichen Brand und war eine Adaption des gleichnamigen ersten Romans der Geheimnis um…-Serie von Enid Blyton. Ich konnte den Titel auf der Kassette noch nicht lesen, erfuhr aber beim Hören schnell worum es ging. Die fünf Spürnasen von Peterswalde klären als ihren ersten Fall den nächtlichen Brand im Gartenhaus von ihrem Nachbarn Herrn Schluck auf. Beim Hören dieser Kassette manifestierten sich gleich zwei Dinge in mir, die mich bis heute begleiten. Erstens meine Liebe zu Enid Blyton und zweitens meine Arsonphobie: die krankhafte Angst vor Feuer.
 
Dabei hatte ich im echten Leben bis dahin noch nie Feuer erlebt, höchstens die kleine Flamme an den Streichhölzern, die mein Vater von seinen China-Reisen mitbrachte. Der leichte Geruch nach Schwefel, die Flamme, die er an seine Zigarette hielt – sie verglomm zu schnell, um mir Angst zu machen. Doch dann. Es passierte in der Küche meiner spanischen Großmutter. Ich saß am Fenster und schaute selbstvergessen raus auf die Avenida del Cid, ich hatte Hunger und freute mich auf etwas Frittiertes – in Spanien isst man fast alles frittiert –, da hörte ich plötzlich ein seltsames Geräusch. So als würde ein Riese etwas auspusten, dabei war genau das Gegenteil der Fall. Puffff! Die Pfanne mit dem heißen Olivenöl hatte Feuer gefangen. Hektisch rannte meine Abuelita ihrer Küche herum, die Flammen stiegen höher, bis meine Mutter schließlich einen großen Topfdeckel über der Pfanne ausbreitete. Das Feuer erlosch, aber ich kann noch noch heute die gelben Flammen in der Pfanne züngeln sehen, den schwarze Ruß, wie er über dem Herd an den Küchenschränken hoch kriecht, und die verschwitzten Gesichter meiner Abuelita und meiner Mutter, wie sie sich mit ihren Schürzen die Stirn abwischen.
 
Mir erschien es als Kind von vornherein gefährlich, wie man in Spanien kochte, mit echtem Feuer. Gasherde waren in meiner Heimat – einer Reihenhaussiedlung im Rheinland – nicht üblich. Ich verstand nicht, warum die Gasflamme blau war, ich hasste den eigentümlichen Geruch, der vom Gas ausging, er war mir fremd und erschien mir deshalb umso gefährlicher. Auch dass das Haus keinen Blitzableiter besaß, alarmierte mich zusätzlich, denn ein Blitz konnte zu Bränden führen, das hatte ich im Kindergarten aufgeschnappt, doch statt Feuer gab es in Spanien bei Gewitter immer nur Stromausfälle. Oft wurde es nach einem hellen Blitz plötzlich stockdunkel. Se ha cortado la luz, das Licht hat sich geschnitten. Was bedeutet das genau, fragte ich mich. Zitternd, auf den nächsten Donner wartend, lag ich im Bett und versuchte mir die Gestalt des Lichts vorzustellen, den Teil, an dem es sich geschnitten haben musste, so etwas wie ein Daumen oder eine Fußsohle. Die Engel spielen im Himmel Fußball, sagte meine Abuelita und deckte mich fest zu, der Donner kommt immer dann, wenn ein Engel ein Tor geschossen hat. Ich verstand nicht, wieso die Engel alle an ihrem Fußballspiel teilhaben lassen mussten und warum es so laut donnerte musste, wenn einer dieser Fußbälle gegen ein Tor aus Wolken schlug, die waren doch ganz weich.

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