Fünf vor 8:00: Schluss mit scheinheiligen Spielchen - Die Morgenkolumne heute von Petra Pinzler

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
 
 
   
 
 
 
FÜNF VOR 8:00
28.02.2019
 
 
 
   
 
Schluss mit scheinheiligen Spielchen
 
Viel versprechen, wenig tun: So funktioniert deutsche Klimapolitik unter Angela Merkel. Klar, dass Umweltministerin Schulze das ändern will. Die Union ist düpiert.
VON PETRA PINZLER
 
   
 
 
   
 
   

Lange hat man die CDU nicht so empört und zugleich so hilflos und erstaunt schimpfen hören wie in diesen Tagen. Da will die SPD-Politikerin und Umweltministerin Svenja Schulze doch tatsächlich ihre Arbeit machen und – hoppla! – ernsthaft das Klima schützen. Per Gesetz will sie die Regierung zwingen, endlich die eigenen Versprechen ernst zu nehmen. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit.
 
Doch Schulze hat die Vertreter der Unionsparteien damit auf dem völlig falschen Fuß erwischt. Weil die erstens nicht geglaubt haben, dass eine Sozialdemokratin in der Umweltpolitik so mutig sein würde und dabei auch noch ihre Parteiführung hinter sich hat. Und weil sie zweitens dadurch schlicht und einfach ertappt wurden. Schulzes Initiative dokumentiert allen: In der Umwelt und Klimapolitik sind CDU und CSU schlicht blank.
 
Um den Vorgang in seiner ganzen Absurdität zu verstehen, muss man sich kurz in die Vergangenheit beamen. Es war die Christdemokratin Angela Merkel, die im Jahr 1995, damals war sie noch Umweltministerin, Berlin zum Ort der ersten Klimakonferenz gemacht hat. Seither versprechen wechselnde deutsche Regierungen den Schutz der Atmosphäre. Merkel selbst hat das Thema als Kanzlerin groß gemacht, immer wieder kluge Reden gehalten und an internationalen Abkommen mitgearbeitet. Nur zu Hause hat sie eben viel zu wenig getan.
 
Wo sind die Alternativvorschläge der Union?
 
Irgendwann gewöhnten sich dann ihre Regierungen und vor allem ihre eigene Partei an dieses Verfahren und ahmten die Kanzlerin nach. Sie versprachen sich und der Welt alles Mögliche – aber taten zu Hause wenig. Der Verkehrsminister baute weiter Autobahnen und kümmerte sich nicht darum, dass Autos umweltfreundlicher werden müssen. Die Agrarministerin ignoriert, dass die intensive Landwirtschaft den Klimawandel beschleunigt. Der Bauminister fördert das Zubetonieren der Landschaft. Wenn all das von Umweltschützern kritisiert wurde, gab es schnell eine Schuldige: die ohnmächtige Umweltministerin, die wieder mal nichts auf die Reihe kriegte.
 
Genau mit diesem scheinheiligen Spiel hat Svenja Schulze nun in der vergangenen Woche endgültig Schluss gemacht. Sie hat den Ball an die CDU gespielt, oder besser noch: an die von der Union regierten Ministerien. Schulze will, dass die Ministerinnen und Minister immer auch den Klimaschutz mitdenken, und zwar bei ihrer ganzen Politik. Und dass sie, wenn sie es nicht tun, dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
 
Sollte ihr Gesetz tatsächlich verabschiedet werden, dann kann sich beispielsweise Verkehrsminister Andreas Scheuer künftig nicht mehr vor seiner Verantwortung drücken, indem er auf Brüssel verweist, auf ein bisschen CO2-Sparen durch mehr Digitalisierung hofft oder das Thema ganz einfach ignoriert. Im Gegenteil: Er ist dann derjenige, der Ideen vorlegen muss, die taugen, um den Verkehr CO2-frei zu machen. Genau das hat ja seine Partei immer wieder versprochen. Scheuer ist dann aber auch derjenige, der nackt dasteht, wenn ihm dazu nichts einfällt – und der dann dafür aus seinem Etat zahlen soll.
 
Den Verkehrsminister empört das. Leider aber sind ihm bisher keine Alternativen eingefallen, und seinen Ministerkollegen auch nicht. Sie beschränken sich aufs Schimpfen, Maulen und die Bedenkenträgerei – statt beschämt zuzugeben: Wir haben keinen blassen Schimmer, wie wir unsere umweltpolitischen Versprechen der vergangenen Jahre umsetzen sollen.
 
Wähler wollen Natur- und Klimaschutz
 
Auch in der CDU- oder CSU-Bundestagsfraktion sieht es nicht viel besser aus. Fragt man nach Umweltpolitikern, hört man schnell den Namen Klaus Töpfer. Der ist tatsächlich Deutschlands profiliertester Experte auf diesem Gebiet, und Christdemokrat ist er auch (selbst wenn er wahrscheinlich längst bei den Grünen mehr Fans hat). Aber Töpfer war vor drei Jahrzehnten Umweltminister. Seither hätte längst eine neue Generation kluger, profilierter Naturschützer in der Fraktion reifen können; Leute, die neue, christdemokratische Konzepte zur Bewahrung der Heimat und der Natur denken. Das ist aber nicht passiert. Und genau deswegen reagiert die CDU jetzt so empört auf Schulze. Denn die legt das mit ihrem Gesetzentwurf auf geschickte Weise offen.
 
Eine Weile wird die CDU mit ihrer Gegenattacke, Verweigerung und Empörung wohl durchkommen. Sie kann also versuchen, auf Zeit zu spielen, in der Hoffnung, dass andere Themen die Bürger von ihrem Versagen ablenken. Dauerhaft aber wird ihr das nicht gelingen. Die Verweigerung auf diesem Feld – bis hin zu Klimaleugnung – können die rechten Populisten besser.
 
Wollen Christdemokraten nicht in die Gefahr geraten, mit ihnen verwechselt zu werden, sollten sie besser schnell eigene Konzepte für klugen Umweltschutz entwickeln. Sonst geht es ihnen so wie der CSU gerade in Bayern. Die hatte völlig unterschätzt, welche Sprengkraft die Zerstörung der Natur in ihrem Bundesland hat. Sie wurde deswegen von einem Volksbegehren für den besseren Schutz von Bienen und Boden völlig überrascht und muss jetzt schauen, wie sie daraus Politik macht.
 
Im Bund gibt es zwar keine Volksbegehren. Aber es gibt die Bürgerinnen und Bürger, und die wollen, so sagen es alle Umfragen, guten und ehrgeizigen Natur- und Klimaschutz. Eigentlich hatte die CDU für so etwas doch immer einen guten Riecher. 

 
   
 
   
ANZEIGE
 
 
 
 
Nur für Newsletter-Abonnenten
 
   
 
   
SERIE
 
 
 
 
FÜNF VOR 8:00
Die Morgenkolumne auf ZEIT ONLINE
 
 
Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.