Franziska Giffey | Favoriten nur für Frauen | Fusion in der Pfalz | Gastkommentar Kolja Briedis: Promovieren erforschen und verbessern

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
heute brauchen Sie das Besteck für die größeren Dramen. Wir schalten nach Berlin, wo der Plagiatsverdacht gegen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey den Politikbetrieb genauso aufwirbelt wie die akademische Gemeinschaft in der Republik (Das ist wichtig). Kolja Briedis beschreibt im Gastkommentar die Blackbox Promotion und verheißt eine bessere Zukunft. Anja Karliczek findet das nächste Fettnäpfchen. Die britische Wirtschaftswissenschaftlerin Victoria Bateman macht sich im Protest gegen den Brexit nackig (Personalien), und Christoph Waltz lässt sich zum Start des Sci-Fi-Blockbusters „Alita: Battle Angel“ über Künstliche Intelligenz und das Silicon Valley aus (Fußnote). 
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Die Geprüfte
Seit knapp einer Woche steht Bundesfamilienministerin Franziska Giffey mit ihrer Doktorarbeit öffentlich unter Plagiatsverdacht. Die SPD-Politikerin promovierte extern – wie so viele andere in Deutschland. Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak gehen in der Printausgabe der aktuellen ZEIT nicht nur den Fragen nach, die sich aus dem Plagiatsverdacht für den Shooting-Star im Bundeskabinett ergeben. In ihrem BeitragDie Geprüfte“ analysieren sie auch, was der Fall Giffey über das Promotionswesen in Deutschland insgesamt aussagt.
  
 
 
Favoriten nur für Frauen
Am Montag war International Day of Women and Girls in Science, hier folgt unsere Favoriten-Liste zum Gedenktag: "Do what you love and what you think you are good at", erklärt Nobelpreisträgerin Donna Strickland in ihrer Twitter-Videobotschaft. Wie Forscherinnen unterhalb der Laureaten-Flughöhe ihre Arbeit sehen, zeigt das Berlin Institute of Health mit zehn Wissenschaftlerinnen-Porträts. Einen Evergreen in der Sparte "Erbauungsreden für Forscherinnen" posteten die TED-Talks. Der Vortrag von Reshma Saujani aus dem Jahr 2016 ist brandaktuell. Saujani ist Bildungsaktivistin und will der Informatik bis zum Jahr 2020 mit einer Million Frauen eine Frischzellenkur verpassen. Wie nötig das ist, zeigt die Hintergrund-Geschichte, die am Montag in „The Atlantic“ erschien: “The Women Who Contributed to Science but Were Buried in Footnotes“ überschrieben die Kollegen den Beitrag über eine neue Studie, die zeigt, wie Wissenschaftlerinnen in Fußnoten verschwinden. Außerdem bemerkenswert: die Botschaft, die die EU-Kommission am Tag nach dem International Day of Women and Girls in Science absetzte. Via Twitter kündigte die Kommission den nächsten SHE-Figures-Report für März an. Der Bericht ist so etwas wie das Thermometer der Chancengleichheit in Europas Wissenschaft und erschien zuletzt im Jahr 2015. Zum PDF-Download geht es hier entlang.
  
 
 
Hochschulfusion in Rheinland-Pfalz
Seit fast genau einem Jahr hängt die Fusion als Damoklesschwert über der TU Kaiserslautern und der Universität Koblenz-Landau. Jetzt hat die Landesregierung entschieden. Ab dem Jahr 2022 sollen Kaiserslautern und und der in der Lehrerausbildung profilierte Hochschulstandort Landau eine universitäre Einheit bilden. Koblenz soll sich mit seinem Informatikschwerpunkt allein im Wettbewerb behaupten (SWR, Welt). Die Flurbereinigung läuft unter dem Label „Hochschulzukunftsprogramm Rheinland-Pfalz“, das ein Expertengremium mit Siegens Universitätsrektor Holger Burckhardt an der Spitze im Auftrag der Landesregierung erarbeitet und im vergangenen April schließlich präsentiert hatte (PDF). Die Positionen der beiden Universitäten zu der Fusion könnten unterschiedlicher nicht sein. Erteilte TU-Chef Helmut Schmidt der Idee von Anfang an eine klare Absage, sah die Präsidentin der May-Britt Kallenrode durchaus akademische Chancen in einem gemeinsamen Neuanfang mit Kaiserslautern. Wie dieser nun genau aussehen soll, ist offen. Für die Verwaltung sagte Wissenschaftsminister Konrad Wolf immerhin acht Millionen Euro zu. Zusätzliches Geld für Forschung und Lehre sind nicht in Sicht. Die Hochschulfusion in der Pfalz ist seit 2003 die vierte in Deutschland. Vorläufer gibt es an den Standorten Duisburg-Essen (2003), Lüneburg (2004) sowie in Cottbus und Senftenberg (2013). Eine Übersicht und Hintergründe zu Hochschulfusionen in Europa findet sich auf den Seiten der EUA.
  
   
   
   
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Personen
 
 
   
  
Anja Karliczek findet Fettnäpfchen
Nur mal angenommen, es gäbe es einen Wettbewerb im politischen Fettnäpfchen-Treten, Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, wäre eine Kandidatin für den Titel. Seit ihrem Amsantritt sorgte die CDU-Politikerin ja bereits für mehrere Scoops (Stichworte: Milchkanne, Forschung zu Regenbogen-Familien). Jetzt ist ihr ein weiterer mit einer Feststellung in einem Spiegel-Interview gelungen, das bis heute nur hinter der Spiegel-Paywall komplett zu lesen ist: „Man muss ja nicht in die teuersten Städte gehen“. Mit dem Satz versuchte Karliczek die vielen Kritiker zum Schweigen zu bringen, die ihre Bafög-Erhöhung für mickrig halten. Das Mediengewitter war gewaltig und reichte bis in die USA (GermanDailyNews). Wie Studierende die Wohnungsnot auch beantworten können, konnte Karliczek am Dienstag im Spiegel-Ableger Bento erfahren. In Heidelberg retten sich Studierende aus dem Mietenwahnsinn, indem sie ein eigenes Wohnheim bauen.
  
 
"Brexit: the naked truth"
Premierministerin Theresa May, Oppositionsführer Jeremy Corbyn, Unterhaussprecher John Bercow und natürlich Ex-Außenminister Boris Johnson sind die bekanntesten Protagonisten im britischen Brexit-Drama. Allesamt Politiker, und allesamt schwer verstrickt in der Auseinandersetzung, die kurz vor der Eskalationsstufe Lose-Lose steht. Ein Befreiungsschlag kommt aus der Wissenschaft, genauer aus Cambridge. Victoria Bateman, Wirtschaftswissenschaftlerin am Gonville and Caius College, lässt im Kampf gegen den Brexit nicht nur sprichwörtlich die Hüllen fallen. Mit ihrer Performance „Brexit: the naked truth“ sorgt sie für eine Irritation in der Debatte und gibt Politikern damit die Chance, Distanz zu gewinnen. Nur, fragt das britische Times Higher Education skeptisch: „Does getting naked help stop Brexit”? Vielleicht kann die Frage ja Tony Blair beantworten. Der ehemalige Premierminister reist zur Münchner Sicherheitskonferenz nach München, hält am morgigen Freitag ab 18:15 Uhr an der TUM eine Rede zum Thema A British Perspective – Decoding Politics in the Age of Brexit“ und stellt sich danach der Diskussion. Zur Video-Übertragung mit vorheriger Registrierung geht es hier entlang. Wer sich für die Debatte fit machen möchte: Das BMBF-finanzierte Portal Kooperation-International hat eine Seite zu den No-Brexit-Deal-Folgen für Bildung und Forschung erstellt.
  
 
Göttingens Nachruf auf Manfred Eigen
Heute vor einer Woche hat der Wissenschaftsstandort Göttingen mit Manfred Eigen einen seiner Laureaten verloren. Wie stark und wie lange der Chemiker mit der Stadt verbunden war, zeigt das  Göttinger Tageblatt in einem ganz besonderen Bilder-Nachruf. Warnhinweis: Wer jetzt nicht weiterklickt, verpasst die Aufnahme vom Nobelpreis-Bankett des Jahres 1967, bei dem Eigen mit Prinzessin Christina von Schweden parliert.  

Job: Beisiegel-Nachfolge
Ulrike Beisiegel fährt das Prinzip Merkel: Sie entscheidet selbst, wann Schluss ist. 2020 gibt sie den Posten als Präsidentin der Universität Göttingen ab. An wen, (m/w/d)? Wir sind gespannt. Interessant an der Ausschreibung, zu lesen im aktuellen ZEIT-Stellenmarkt: Die Personalberatungsunternehmen Kienbaum Consultants International begleitet die Findungskommission.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Kolja Briedis
   
 
   
Promovieren erforschen und verbessern
Vor gut einem Jahr waren die Hochschulen zum ersten Mal verpflichtet, die Zahl ihrer Promovierenden an die amtliche Statistik zu melden. Zwar hatten sich in den letzten Jahren bereits einige Hochschulen an die Aufgabe gemacht, sich einen besseren Überblick darüber zu verschaffen, wer überhaupt an der Hochschule promoviert. Aber häufig waren Promovierende – zumindest für die Institution – unbekannte Wesen. Das ändert sich nun flächendeckend, und die Statistik wird einige aufschlussreiche Informationen liefern. Neben der Anzahl werden wir auch erfahren, wie viele Promovierende an einem strukturierten Promotionsprogramm teilnehmen oder wie viele kumulativ (also auf Basis mehrerer Publikationen) promovieren. Das alles sind wichtige Informationen über Personen in der Promotionsphase, die häufig fehlen – wie der letzte Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs gezeigt hat.
Und dennoch werden weitere wichtige Fragen ungeklärt bleiben: Wie wirken sich unterschiedliche Promotionsbedingungen auf den Promotionsfortschritt aus? Welche beruflichen Ziele verfolgen Promovierende? Und wer verbleibt nach der Promotion (warum) im Wissenschaftssystem? Diese (und etliche weitere) Fragen werden auch mit der amtlichen Statistik nicht beantwortet werden können. Sie bietet aber die Grundlage für Studien, die systematisch Antworten geben können, denn in Zukunft können die Promovierenden an den Hochschulen identifiziert und auch erreicht werden, um sie selbst zu fragen. Mit Nacaps, der National Academics Panel Study, startet in wenigen Tagen die erste umfassende bundesweit angelegte Studie. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung führt das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung Nacaps in Kooperation mit mehr als 50 promotionsberechtigten Hochschulen in Deutschland durch und wird dafür über 60.000 Promovierende zu einer (ersten) Online-Befragung einladen. Diese langfristig angelegte Untersuchung wird sich mit den Promotionsbedingungen und -verläufen auch über den Abschluss hinaus befassen. Wissenschaftspolitik und Hochschulen werden für zukünftige Entscheidungen auf diese Daten schauen; wichtige Forschungsfragen werden auf einer soliden Datenbasis untersucht werden können. Davon profitieren nicht also zuletzt die Promovierenden selbst. Wenn Sie promovieren und in Kürze eine Einladung zur Teilnahme erhalten, dann nehmen Sie sich kurz die Zeit dafür. Und wenn Sie an der Hochschule Promovierende betreuen, dann motivieren Sie zur Teilnahme – endlich gibt es die Möglichkeit, das Promotionswesen in Deutschland auf Basis von Studienergebnissen zu verbessern.

Dr. Kolja Briedis ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am DZHW in Hannover.
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Tod einer Schülerin In Berlin soll sich eine Elfjährige wegen Mobbings umgebracht haben. Der Fall wühlt ein ganzes Viertel auf. Dabei zeigt er vor allem eins: Wie mächtig ein Gerücht sein kann
 
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Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
"Verdächtige Veranstaltung"
Im Showbusiness fährt Christoph Waltz seit Jahren schon auf dem Ticket des Hollywood-Intellektuellen. Wenn am heutigen Donnerstag das Sci-Fi-Spektakel „Alita: Battle Angel“ von Star-Regisseur James Cameron anläuft, ist Waltz als Dr. Dyson Ido und damit derjenige zu sehen, der die Künstliche Intelligenz Alita erst in Schuss bringt – um sie danach liebevoll in die böse Welt des 26. Jahrhunderts zu entlassen. Das Wesentlichste zur Handlung wäre damit auch schon erklärt. Was fehlt, ist Waltz‘ Einschätzung zur KI im Allgemeinen. KI sei ihm, Waltz, „unheimlich“, meldete das Wallstreet-Journal kurz vor dem Filmstart unter Berufung auf das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Außerdem halte er das Silicon Valley "im zunehmenden Maße für eine verdächtige Veranstaltung". Ob und inwieweit Christoph Waltz' Ansichten in Politik und Gesellschaft mehrheitsfähig sind, sei einmal dahin gestellt. Sicher ist, dass der Film „Alita: Battle Angel“ das Zeug dazu hat, die Haltung der Zuschauer zu KI zu beeinflussen. Insofern empfiehlt sich dann doch der Gang ins Blockbuster-Kino, am besten in eines mit 3D-Technik. Nach Promo-Angaben kämen Alitas Fähigkeiten in 3D nämlich besonders gut zur Geltung. Zur dialogischen Wucht des Films mag folgender Spoiler genügen:  
 
ALITA (zu ihrem Angebetenen namens HUGO): „Stört es dich, dass ich nicht vollständig menschlich bin?“
HUGO: „Du bist das menschlichste Wesen, das mir je begegnet ist!“
ALITA (Augenaufschlag, Tränenschimmer).
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Cut! 

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
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