Beschwingt kam Deutschlands neuer Außenminister Sigmar Gabriel von seinem Kurzbesuch in den Vereinigten Staaten zurück. Trumps Vizepräsident Mike Pence und der US-Außenminister Rex Tillerson hatten ihn überaus freundlich empfangen. Man scherzte und fand wohl den richtigen Ton.
Weit wichtiger: Hatte Präsident Trump noch vor Kurzem die Nato für "obsolet" und die Europäische Union für gescheitert erklärt, machten Pence und Tillerson nun gegenüber ihrem deutschen Gast deutlich, dass die Nato unverzichtbar und ein starkes westliches Verteidigungsbündnis sei und wie auch eine starke EU im ureigenen Interesse Amerikas läge.
Auch an anderer Stelle werden erste kleine Signale politischer Einsicht erkennbar: Schien Trump lange keine Einwände gegen Russlands Landnahme in Osteuropa zu hegen, verurteilte Nikki Haley, Amerikas neue UN-Botschafterin, nun mit scharfen Worten das "aggressive" russische Vorgehen in der Ostukraine und erklärte, die Sanktionen gegen Moskau würden aufrechterhalten, "bis Russland die Kontrolle über die Halbinsel an die Ukraine zurückgegeben hat".
Im Wahlkampf hatte Trump noch kundgetan, er sehe in den nordkoreanischen Atom- und Raketentests keine Bedrohung. Nun warnte sein neuer Verteidigungsminister James Mattis, zu Besuch in Südkorea und Japan, das Kim-Regime ebenso eindringlich wie unmissverständlich vor einem militärischen Abenteuer: "Jeder Angriff auf die USA oder unsere Verbündeten wird zurückgeschlagen" – und zwar "wirkungsvoll und überwältigend".
Ein weiteres Beispiel: Allem Anschein nach hatte Trump bislang nicht nur keine Einwände gegen den Bau jüdischer Siedlungen im palästinensischen Westjordanland, er schien diese Landnahme sogar zu unterstützen. Dreist hatte darum Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nach Trumps Wahl sofort die Errichtung von Tausenden neuer Wohnungen angekündigt.
Knapp zwei Wochen vor dem Amerikabesuch Netanjahus erklärte das Weiße Haus jedoch, dass man sich über Israels Siedlungspolitik zwar noch keine abschließende Meinung gebildet habe, die jüngsten Entscheidungen aber "wenig hilfreich" seien. Auch will Trump die im Wahlkampf angekündigte und hoch umstrittene Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem offenbar nicht sofort umsetzen, sondern möglichst auf die lange Bank schieben.
Also alles halb so schlimm, halb so Trump?
Vorsicht! Das Einzige, was man bislang über die ersten zwei Wochen der Trump-Regierung sagen kann: Im Weißen Haus herrscht das absolute Chaos, höchst unterschiedliche Kräfte ringen mit- und gegeneinander um Einflussnahme. Es ist darum noch keineswegs ausgemacht, dass die Hasardeure am Ende unterliegen und die vergleichsweise Vernünftigen, Maßvollen und Einsichtigen obsiegen werden.
Gemäßigte, Rechtsextreme und Türwächter
In dem gegenwärtigen Tohuwabohu gibt es nämlich neben den beruhigenden ebenso weiterhin beängstigende Zeichen. Etwa Trumps jüngste Drohungen gegenüber dem Iran; sein unflätiges Verhalten gegenüber dem engen Verbündeten Australien; seine Twitter-Hassattacken auf einen Bundesrichter, der das dreimonatige Einreiseverbot für Staatsangehörige aus sieben muslimisch geprägten Ländern einstweilen aufgehoben hat.
Vereinfacht gesagt sehen die Kampflinien derzeit so aus: Auf der einen Seite stehen die Realisten, die eher Maß und Mitte haltenden Außen-, Sicherheits- und Verteidigungsminister Tillerson, Kelly und Mattis; zu ihnen zählen auch der neue CIA-Direktor Mike Pompeo, die UN-Botschafterin Haley und wohl auch Reince Priebus, der Stabschef im Weißen Haus. Auf der anderen Seite formieren sich die teils hitzköpfigen, teils kühl kalkulierenden gefährlichen Ideologen, allen voran Trumps rechtsextremer Chefberater Stephen Bannon, die Medienberaterin Kellyanne Conway und der Nationale Sicherheitsberater Mike Flynn.
Dann aber gibt es noch eine dritte Gruppe, die politisch bislang schwer einzuordnen, aber besonders wichtig ist, weil sie Trump sehr nahe steht und eine Art Türwächterfunktion einnimmt. Diese Gruppe besteht aus Trumps Schwiegersohn und Chefberater Jared Kushner und dessen Ehefrau, Trumps Lieblingstochter Ivanka.
Schwiegersohn hat freien Zugang zum Oval Office
Wer diese Gruppe auf seine Seite zieht, dringt auch am ehesten zum Präsidenten vor. Allem Anschein nach vertraut und verlässt sich Trump in erster Linie auf seine Familie – vor allem auf Kushner und Ivanka. Jared, der ein Büro in Hörweite des Präsidenten bezogen hat, genießt freien Zugang zum Oval Office, er muss nicht einmal anklopfen. Kushner und Ivanka sehen Trump, wenn sie wollen, zu jeder Tag- und Nachtzeit, auch am Wochenende. Sie sprechen mit ihm als Erste nach dem Aufstehen und als Letzte vor dem Schlafengehen.
Es ist nicht außergewöhnlich, dass Familienmitglieder Einfluss auf amerikanische Präsidenten nehmen. Meist waren es wie bei Lincoln, Reagan, Clinton oder Obama die Ehepartner oder wie bei Kennedy der Bruder. Ebenso oft umgeben sich Präsidenten mit Beratern, die unterschiedlicher Meinung und bisweilen sogar spinnefeind sind. Abraham Lincolns Team of Rivals hat Geschichte geschrieben.
Außerdem: Seit vielen Jahrzehnten führen in Washington mehr oder weniger zwei unterschiedliche Regierungen die Amtsgeschäfte. Die eine Regierung ist die offizielle; sie besteht aus den Ministern und Behördenchefs, die vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt werden müssen. Die zweite, die inoffizielle, sitzt im Weißen Haus, im Nationalen Sicherheitsrat. Ihre Mitglieder darf der Präsident ohne Zustimmung des Senats einstellen.
Die offizielle Regierung und die Parallelregierung, die in den vergangenen Jahren auf etwa 400 Mitarbeiter angewachsen ist, wetteifern um Einfluss, beäugen sich argwöhnisch und arbeiten bisweilen gegeneinander. Die Klagen der Verteidigungs-, Außen-, Sicherheits- und Handelsminister sind Legende. Denn oft haben sie im politischen Streit das Nachsehen, werden von ihren Konkurrenten im Weißen Haus übergangen oder an die Wand gespielt. So war es unter Präsident Bill Clinton wie unter George W. Bush oder Barack Obama. Chuck Hagel, eine Zeit lang Obamas Verteidigungsminister, beschwerte sich bitter, dass er von wichtigen Dingen oft erst als Letzter erfuhr.
Bannon hat das Ohr des Präsidenten
Auch ideologische Grabenkämpfe sind keine Seltenheit. In der Ära von George W. Bush befehdeten sich Gemäßigte und Scharfmacher bis aufs Messer etwa über den Irakkrieg und Folterverhöre. Doch unter Trump scheint dieser Machtkampf noch riskanter und ruinöser zu werden. Die Ideologen kennen scheinbar kein Halten mehr. Sie drohen fast alle bisherigen Gewissheiten und Werte umzustürzen und zeigen kaum Achtung gegenüber der Gewaltenteilung sowie den Institutionen der Demokratie und des Rechtsstaats.
Deshalb ist es auch so entscheidend, wer im Kampf um Einfluss und Deutungshoheit die Oberhand im Weißen Haus gewinnt. Gut informierte amerikanische Zeitungen wie The Hill und die Washington Post haben berichtet, dass es Stephen Bannon scheinbar gelungen ist, einen Pakt mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zu schließen, der ihm das Ohr des irrlichternden Präsidenten sichert.
Die Konsequenzen sind sichtbar: Trump hat den rechten Chefideologen Bannon zum ständigen Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats berufen. Bannon und der Nationale Sicherheitsberater Mike Flynn sitzen meist dabei, wenn Trump mit ausländischen Staatschefs telefoniert. Bannon steckt auch hinter dem verheerenden Einreisestopp.
Amerika über alles
In seinen Schriften und in seinen Interviews kann jeder nachlesen: Bannon ist ein Rassist und extremer Nationalist, er verachtet den Islam und die Muslime. Der ehemalige Chef des rechtspopulistischen Breitbart News Network ist Urheber und oberster Propagandist der Trump-Devise "Amerika zuerst". Aus seinem Mund könnte es auch lauten: "Amerika über alles!"
Bannon werden die von Trump soeben verfügten Lockerungen der einst von Obama beschlossenen Kontrollen des Finanzsektors nicht passen. Dem ehemalige Goldman Sachs-Mann sind die Wall Street-Haie ein Gräuel.
Doch kleine Rückschläge und Zickzack-Kurse kann Bannon verkraften. Er hat zu seiner Unterstützung inzwischen zwei, drei Breitbart-Mitarbeiter ins Weiße Haus geholt. Solange Stephen Bannon weiterhin schalten und walten kann, droht neues Unheil. Allen kurzfristigen Erfolgen der Realpolitiker und Gemäßigten zum Trotz. |
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