Es war der bizarrste Augenblick der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. Auf dem Podium saßen der ukrainische und der polnische Staatspräsident, der britische und der holländische Außenminister sowie der ehrwürdige amerikanische Senator John McCain. Soeben hatten sie anderthalb Stunden über die "Zukunft des Westens" debattiert. Die Prognosen waren eher düster ausgefallen.
Da betrat der chinesische Außenminister Wang Yi die Bühne, klopfte dem Niederländer auf die Schulter, knuffte dem Briten auf die Brust, schüttelte John McCain jovial die Hand und ergriff das Wort.
"Die Welt hat ihre Ordnung nicht verloren", beruhigte Wang die fünf Panelisten, die brav sitzen geblieben waren, und das hochkarätige Auditorium. "Wir dürfen die Globalisierung nicht deshalb zurückweisen, weil sie negative Begleiterscheinungen hat." Gegensätze seien auf der Basis gegenseitigen Vertrauens auszutragen, mahnte Wang milde und fügte hinzu: "Wir sind bereit, mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten."
Es war ein Meisterstück an diplomatischer Gelassenheit. Streitet euch nur, lautete die Botschaft aus Peking, regt euch nur auf über Donald Trump. Wir lassen uns von eurer Aufgeregtheit nicht anstecken.
Globalisierungsfurcht? "Man kann das Rad nicht zurückdrehen." Protektionismus? "Wir dürfen uns nicht wieder abschotten." Das Publikum lauschte und staunte.
Der Westen, wer hätte das gedacht, muss sich von China die Segnungen der Globalisierung erklären lassen. Der Emissär eines offiziell noch immer kommunistischen Landes mit riesigen Staatsunternehmen rühmt die Vorzüge des Freihandels. Paradoxe Welt.
Im dunklen Raum des Protektionismus
Vier Wochen vorher schon hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Anti-Trump gegeben. Protektionismus sei, als sperre man sich in einen dunklen Raum ein: "Regen und Wind mögen draußen bleiben, aber auch Luft und Licht." China jedenfalls wolle seine Türen nicht schließen. "Es hat keinen Zweck, die Globalisierung für alle Probleme der Welt verantwortlich zu machen."
In Davos sprach der selbstbewusste Präsident eines Landes, das wie kein zweites von der Globalisierung profitiert hat. "Dass das World Economic Forum inzwischen auf chinesische Hilfe angewiesen ist, wenn es darum geht, die offene und liberale Ordnung der Weltwirtschaft zu verteidigen, ist schon bemerkenswert, wenn nicht eine historische Zeitenwende", kommentierte das Handelsblatt in leiser Verzweiflung.
Und in der Tat wundert man sich, dass gerade die angelsächsischen Länder, einst stolze Vorkämpfer eines freien Welthandels, sich einzuigeln beginnen. Das Brexit-Referendum der Briten und die Wahl Donald Trumps deuten auf geradezu existenzielle Selbstzweifel hin.
Angela Merkel hat in München daran erinnert, wie sehr sich die Gewichte verschieben. Zwischen 1990 und 2015 habe sich das Bruttoinlandsprodukt in der Welt verdreifacht, erläuterte die Kanzlerin. In den USA habe es sich in diesem Zeitraum ebenfalls verdreifacht, in der EU nur verdoppelt. In China aber habe es sich verachtundzwanzigfacht.
Asien überholt Europa bei Militärausgaben
Eine andere Zahl, die es in sich hat: John Chipman, Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London, wies in München darauf hin, dass die Militärausgaben in Asien im vergangenen Jahr erstmals höher waren als in Europa. Und Chinas Verteidigungsetat ist in Asien der mit Abstand größte.
Mit dem Wohlstand und der Macht wächst auch die Verantwortung. So richten sich alle Blicke nach Peking, wenn es darum geht, den Konflikt um das nordkoreanische Atomwaffenprogramm zu lösen. Auch da blieb Wang Yi gelassen. "Wir müssen alle beteiligten Parteien wieder an den Verhandlungstisch bringen." Das ist China zwar in den vergangenen acht Jahren nicht gelungen, dennoch setzt Pekings Chefdiplomat unverdrossen auf Dialog.
Und nachdem Donald Trump nun doch an der Ein-China-Politik festhalten will, zeigt man sich in Peking gänzlich entspannt. Von der Nervosität der Europäer im Umgang mit dem neuen amerikanischen Präsidenten will man sich jedenfalls nicht anstecken lassen. Auf die Frage, wie China denn nun mit Trump umgehen wolle, antwortete eine erfahrene Diplomatin lakonisch: "Wir warten." |
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