Russland und die USA sind einander eigentlich ganz nahe. Etwa bei ihrem imperialen Blick auf die Welt und bei der pathologischen Fixierung auf sich allein. Neu ist hingegen, dass sie sich auch im Regierungsstil ähneln. Wladimir Putin, der Unberechenbarkeit zu seinem Markenzeichen gemacht hat, bekommt Konkurrenz. Der neue US-Präsident Donald Trump überrascht die russische Regierung mit immer neuen Volten. Trumps Sprecher Sean Spicer forderte Russland in dieser Woche unmissverständlich auf, die Krim an die Ukraine zurückzugeben. Woraufhin die Moskauer Außenamtssprecherin Maria Sacharowa zurückschnippte, man werde gar nichts zurückgeben, die Krim sei fester Bestandteil Russlands.
Es dreht sich was zwischen Russland und den USA. Der Ton ist zu gereizt, die Reibereien zu häufig und die Enttäuschung in Moskau über Donald Trump zu offensichtlich, als dass die von manchen vorhergesagte große Freundschaft noch Realität werden könnte. Warum klappt es nicht zwischen den Großen?
Die neue Einigkeit der Supermächte – eine Illusion
Wie schnell man in diesen Zeiten umdenken muss, zeigt der Blick in meinen Notizblock. Noch Ende Januar hörte ich in Moskau einigen russischen Deutern des Weltgeschehens zu, die so entspannt wie nie zuvor wirkten. Der sonst so grantelige Kremlgroßberater Sergej Karaganow sah auf einmal Lösungen für viele Probleme zwischen Washington und Moskau. Man könne sich über Syrien und den Irak, über den Terrorismus und nebenbei noch über die Ukraine einigen. Auf Podiumsdiskussionen malten Analysten ein helles Bild von Chaos in Europa, Zerfall der Nato und neuer Einigkeit der Supermächte. Über allem leuchtete der Supermann Trump. Die Visionen schienen zu der vorweggetragenen Gelassenheit zu passen, die im Moskauer Zentrum trotz drei Jahren Wirtschaftskrise herrscht. Die Häuser neu gestrichen und beleuchtet, die Bürgersteige mit frischem Granit belegt, die vielen Cafés und Restaurants gut gefüllt. Läuft doch!
Aber eben nicht zwischen Moskau und Washington. Groß ist die russische Aufregung über Michael Flynns Rücktritt, jenem nationalen Sicherheitsberater Trumps, der schon mit Putin dinierte, als Freund Russlands gilt und nun über seine zu intimen Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington stürzte. Daraufhin spien die russischen Medien Zeter und Mordio. Moskauer Politiker sprachen von "pervers-aggressiven Kampagnen", von einer "Hexenjagd" der Medien auf Flynn. Für Moskau war der Mann einzigartig, unersetzbar. In der US-Hauptstadt gibt es sonst kaum Außenpolitiker und Militärs, die aus dem antirussischen Konsens ausbrechen.
Willkommen zurück in der Realität der russisch-amerikanischen Beziehungen! Der Moskauer Politkult um den "lieben Trump" ist eine Illusion. Einen erfrischend nüchternen Blick auf die neue US-Regierung hat Dmitri Trenin, Chef des Moskauer Carnegie-Zentrums. In der Berliner Filiale des russisch finanzierten DOC-Instituts sagte er, dass Trump vorerst die Gefahr einer militärischen Zuspitzung zwischen den beiden Atommächten gebannt habe. Doch Trenin glaubt nicht an eine nachhaltige Annäherung zwischen Russland und den USA. Wenn es gut gehe, werden sie "ihre Gegnerschaft in geordneten Bahnen halten", es würde weder ein neues Jalta (zum Glück!) noch ein neues Helsinki (leider!) geben.
Für Trenins These spricht vieles. Im gegenwärtigen globalen Irrsinn teilen die USA und Russland herzlich wenig. Die Bedrohung durch den Terrorismus sieht für Russland ganz anders aus als für die USA. Trump schlägt mit dem Muslim-Bann eigene Wege ein, ebenso Putin mit seiner Assad-Allianz. Die Gemeinsamkeit ist allenfalls, dass beide damit wenig Erfolg haben werden. Washington und Moskau haben gegensätzliche Interessen in Europa, Nahmittelost, dem Iran, in Afrika und am Pazifik, vor allem in China. Es gibt auch wenig Gutes, was sie einander geben könnten. Beide treiben kaum Handel miteinander, sie sitzen auf einem Berg von Nuklearwaffen, mit denen sie sich gegenseitig in Staub verwandeln können. Und sie könnten an der Grenze im Beringmeer zusammen Fische im Eisloch angeln.
Der schnelle Fall von Michael Flynn zeigt den Russen, wie schnell sich die Dinge für sie drehen können. Oder in den Worten von Trenin: Trump habe die Fähigkeit, sich schnell von Verlustgeschäften zu trennen. "Heute ist es Flynn, morgen kann es Russland sein." Das ist der große Unterschied in der Unberechenbarkeit hüben und drüben: Bei Putin ist sie reine Taktik, bei Trump ist sie ein Charakterzug. Und das macht Trump nicht nur für Europa zum Risiko, sondern auch für Russland. Vielleicht sogar zu einem größeren. |
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