Bitte eintreten!Ich bin umgezogen. Beim Aus- und Einräumen meines Bücherregals fiel mir ein zerfledderter Zeitungsartikel in die Hände. „Wir brauchen einen neuen Feminismus!“, stand in großen Lettern auf der Seite, erschienen in der
ZEIT 35/2006. Ich war damals feministisch bewegte Studentin im sechsten Semester und mir gefiel die Verve der Frauen, die dort zu Wort kamen. Geschlechtergerechtigkeit, fand ich, hängt auch an der Größe des Ausrufezeichens, das man setzt. Sie ist eine Frage der Entschlossenheit. Und des Zusammenhalts.
Jetzt bin ich Journalistin und immer noch entschlossen. Medien, in denen nur männliche Stimmen zu hören sind, halte ich für nicht besonders interessant und zukunftsfähig. Ich verwende deswegen geschlechtersensible Sprache, suche für meine Recherchen nach Wissenschaftlerinnen, Autorinnen, Denkerinnen, die etwas zu sagen haben.
Das Problem ist: Die Frauen machen es mir schwer. Ich frage an, sie sagen ab. Ich ermuntere zum Gastbeitrag, sie zögern. Ich rufe, sie schweigen. So wie kürzlich hier im
CHANCEN Brief: Da schrieb ich einen Aufruf an unsere Leserinnen und Leser, sich an unserem Fragebogenformat „Dreieinhalb Fragen an...“ zu beteiligen. Mein Postfach lief voll mit beantworteten Fragebögen. Es war keine einzige Frau dabei – mal wieder. Überhaupt bekomme ich sehr viele e-Mails von Männern, die mir Gastbeiträge anbieten oder ihre Meinung antragen. Ähnliches höre ich aus anderen Redaktionen und von jenen, die Konferenzen, Podien, Diskussionsrunden planen. Der Effekt? Ich verwende extra Arbeitszeit darauf, Frauen anzuschreiben und ihre Expertise einzuholen. Eine höchst ambivalente Form von Care-Arbeit.
Die Medien sind ein öffentlicher Raum, den Männer seit jeher mit großer Selbstverständlichkeit für sich reklamieren. Unbewusste (und bewusste!) Vorurteile, ungleiche Posten- und Kapitalverteilung tun ihr Übriges, die unterschiedlichen Bedingungen der Geschlechter immer weiter fortzuschreiben. Trotzdem: Zutritt zur Öffentlichkeit haben alle. Mehr als die Tür sperrangelweit aufreißen, Wegweiser aufstellen und ein Ausrufezeichen vor mir hertragen, geht nicht. Liebe Frauen der Wissenschaft: Kommen Sie einfach näher, treten Sie ein, lassen Sie sich nicht so bitten!